Mutsammlerin beim Dreh für das Projekt Bauchgefühl

Es war ein seltsames Jahr. Mir kommt es gar nicht so vor, als würde das Jahr 2020 jetzt schon zuende gehen. Gefühlt stecke ich noch im April fest. Trotzdem war es für mich ein ziemlich aufregendes Jahr mit vielen tollen Projekten und Mutmomenten.

Angefangen hat mein Jahr ziemlich unspektakulär. Ich war am studieren, kämpfe damit, trotz der Angststörung zu den Vorlesungen zu gehen, und hatte im Januar den ersten Termin bei meiner neuen Psychiaterin, die sich überraschend viel Zeit nahm und recht nett wirkte. Im Februar konnte ich meine beste Freundin in Düsseldorf besuchen und hatte die ersten Proben für ein Tranzprojekt.

Im März wurde in meiner Stadt der Stammtisch Junge Selbsthilfe gegründet und ich war sehr froh darüber, dort auf nette Menschen zu treffen, mit denen ich mich besser austauschen konnte als in meiner regulären Selbsthilfegruppe. Außerdem stand ich zum ersten Mal vor einer Kamera, um über meine Erfahrungen mit Depressionen zu sprechen. Mittlerweile schreibe ich zwar schon seit einigen Jahren über mein Leben mit psychischen Erkrankungen, aber vor einer Kamera zu stehen und darüber zu sprechen, war dann irgendwie doch noch was anderes. In diesem Monat bin ich auch das erste Mal für ein Tanzprojekt nach Bremen gefahren. Ich hatte ein paar Einzelproben auf der Probebühne und sollte ein paar Wochen später für die nächsten Proben wiederkommen. Doch dann wurden über Nacht die Theater geschlossen und das Tanzprojekt erst einmal auf Eis gelegt.

Es folgen etliche Wochen ohne Termine und ohne Struktur. Ich konnte nichts mit mir anfangen, die Essstörung bestimmte immer stärker meine Gedanken und ich war froh, als im April das Semester wieder losging, um wenigstens durch die Online-Seminare wieder ein bisschen Struktur zu haben. Im Mai war ich bei der lieben Jana zu Gast in ihrem Podcast Mental Health bekommt eine Stimme, um über meine Soziale Phobie zu sprechen. Außerdem habe ich an einem Tanzprojekt vom Staatstheater Braunschweig teilgenommen. Geprobt wurde per Zoom in den eigenen vier Wänden und statt einer Aufführung im großen Haus wurde im Juni dann ein Tanzfilm gedreht. In diesem Monat haben auch zwei sehr anstrengende Monate begonnen, denn neben dem doppelten Pensum an Uniseminaren und meinem HiWi-Job, habe ich noch ein Praktikum in einem Schulbuchverlag gemacht. Im Nachhinein weiß ich nicht, wie ich das alles geschafft habe, aber während der zwei Monate tat es mir auf jeden Fall gut, einen geregelten Tagesablauf zu haben. Trotzdem war ich etwas froh, als Ende Juli das Praktikum vorbei war und meine Tage nicht mehr von 5-22 Uhr durchgeplant waren.

Im August stand ich dann das nächste Mal vor der Kamera und habe für das SV Bildungswerk darüber gesprochen, wie es für mich war, mit einer psychischen Erkrankung ein FSJ im Ausland zu machen. In diesem Monat stand außerdem ein schon lange gefürchteter Tag an: die allerletzte Therapiestunde. Die Therapie hatten wir zwar schon vor meinem Auslandsjahr beendet, aber ich konnte die restlichen Stunden danach noch nutzen, um einmal im Monat zu meiner Therapeutin zu gehen und Strategien aus der Therapie wieder aufzufrischen. Das war sehr hilfreich und danach habe ich mich häufiger mal sehr hilflos gefühlt.

Im September saß ich dann für das Projekt Bauchgefühl vor der Kamera, um über meine Erfahrungen mit Essstörungen zu sprechen. Und dann war in diesem Monat noch mein größter Mutmoment des Jahres: der Dreh für das 1live-Format „Verraten“.

Bei dem Dreh war ich super doll aufgeregt, aber es war auch eine sehr coole Erfahrung und es hat mich gefreut, die anderen vier Leute und ihre Geschichten kennenzulernen.

Im Oktober war ich endlich fertig mit meinen vier Hausarbeiten, die ich in den Semesterferien schreiben musste, und das nächste Semester ging los. Im November war es dann endlich soweit: Ich bin zum Tanzen für sechs Wochen nach Bremen gezogen! Die Probenphase war sehr aufregend, mal anstrengend und hat sehr viel Spaß gemacht. Leider waren die Theater im Dezember dann wieder geschlossen, sodass die Premiere erst im nächsten Jahr stattfinden kann.

Mein Jahr 2020 war insgesamt also geprägt von Kameras und Tanzen. Von kleinen und großen Träumen, die in Erfüllung gegangen sind. Und neben all diesen Mutmomenten, gab es auch viele Momente der Angst. Viele dunkle Tage. Und ganz viele kleine Mutmomente, die genauso wertvoll, wenn nicht sogar noch wertvoller, sind.

Autor*in: Mutsammlerin

An ein Leben ohne Angst kann ich mich nicht erinnern. Aber ich kann davon träumen, die Angst aushalten und für meine Träume kämpfen.

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