Meinen ersten Kontakt zu einer Psychiaterin hatte ich vor einigen Jahren, zeitgleich mit Beginn meiner dritten Psychotherapie. Die Termine bei der Psychiaterin waren immer sehr merkwürdig. Eigentlich war ich nur einmal im Monat zum Wiegen dort, weil mein alter Hausarzt mit meinen psychischen Beschwerden nichts zu tun haben wollte. Nach dem Tritt auf die Waage folgte dann immer ein 5-Minuten-Gespräch mit der Psychiaterin, die man sich auch gut hätte sparen können. Irgendwann bin ich einfach nicht mehr hingegangen, denn zwei Wochen nach dem Tod des Papas zu hören „Ihr Gewicht ist weiter gestiegen, Ihnen scheint es ja momentan echt super zu gehen“ hat dann doch sehr starke Rückfallgedanken ausgelöst, die ich zu der Zeit eigentlich gut im Griff hatte. Es war wohl sehr selbstschützend dann nicht mehr hinzugehen.

Mit meinem Umzug in die neue Studienstadt habe ich mich auf die Suche nach einer neuen Psychiaterin gemacht. Hauptsächlich aus dem Grund, dass ich ein fachärztliches Gutachten bräuchte, um einen Nachteilsausgleich in der Uni zu beantragen, falls in den nächsten Semestern mündliche Leistungen auf mich zukommen werden. Vielleicht auch aus dem Grund, dass es langsam mal an der Zeit ist auszuprobieren, ob mir nicht auch Medikamente helfen könnten. Glücklicherweise war schon der dritte Anruf bei einer psychiatrischen Praxis ein Erfolg und ich bekam einen ersten Termin in vier Monaten.

Gestern war es dann soweit. Mit sehr viel Aufregung in mir machte ich mich auf den Weg zu der Praxis. Dort angekommen wurde ich sehr freundlich von der Arzthelferin begrüßt. »Nicht aufgeregt sein«, sagte sie mir, bevor ich im Wartezimmer Platz nehmen sollte. Je länger ich dort wartete, desto größer wurde die Aufregung. So groß, dass ich mich im Gespräch mit der Psychiaterin nicht mal mehr an die Postleitzahl meiner Adresse erinnern konnte. Das Gespräch dauerte fast 45 Minuten. Das war unerwartet, denn ich kannte es nur, in maximal 10 Minuten abgespeist zu werden. Aber es war gut. »Für das erste Gespräch nehme ich mir immer etwa 30 Minuten Zeit«, sagte die Psychiaterin. Sehr sinnvoll, wie ich finde.

Aus dem Gespräch habe besonders drei Gedanken mitgenommen:
1. Ich muss/darf geduldig(er) mit mir sein.
2. Vielleicht mache ich es – den Umständen entsprechend – momentan eigentlich ganz gut.
3. Wenn es nicht besser wird, gibt es Hilfe.

… und das Rezept für ein Medikament. Dadurch scheinen die Menschen in meinem Umfeld plötzlich zu Mediziner*innen geworden zu sein, denn jede*r überschüttet mich mit seiner*ihrer Meinung. »Pass bloß auf!« oder »Die Bekannte einer Bekannten hat dadurch Psychosen entwickelt« habe ich allein gestern nicht nur einmal zu hören bekommen. Ich habe schon häufig mit anderen Betroffenen über das Thema Medikamente gesprochen und viele von ihnen sagen es hilft, wenn das richtige Medikament gefunden ist. Für mich ist es ein logischer Schritt, es nach all den Jahren einfach mal auszuprobieren. Mich nicht von irgendwelchen Horror-Storys beirren zu lassen und meine eigenen Erfahrungen zu  machen. Denn nur so werde ich erfahren, ob es mir hilft oder nicht. Gegen meine Allergien schlucke ich schließlich auch täglich eine Tablette, wieso dann nicht auch gegen Angst und Depression?!

Autor*in: Mutsammlerin

An ein Leben ohne Angst kann ich mich nicht erinnern. Aber ich kann davon träumen, die Angst aushalten und für meine Träume kämpfen.

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