Der Weg zum Bundestreffen bedeutete für mich in diesem Jahr eine lange Reise. Glücklicherweise durfte ich schon einen Tag früher anreisen, was es auch auf die Ängste bezogen etwas einfacher gemacht hat. Ich konnte mithelfen, den Ablaufplan aufzuschreiben und Wegweiser zu malen. Eine Aufgabe zu haben hat es mir sehr viel einfacher gemacht, denn so konnte ich nicht einsam in einer Ecke stehen und mir wünschen zu verschwinden. Aber trotzdem gab es während des Wochenendes immer wieder Momente, die mich verunsichert haben und in denen ich von den Ängsten überfallen wurde. Es war ein hin und her zwischen Angst und Sicherheit, Zweifel und Inspiration.
»Warst du beim letzten Mal auch dabei?« Ja, antworte ich. »Ah, okay. An dich erinnere ich mich gar nicht.« Ich habe zusammen mit L. den Film gedreht, erzähle ich. »Ah ja, an L. erinnere ich mich noch!« Ein Gesprächsverlauf, der nicht nur einmal so ablief und dazu beigetragen hat, dass die Selbstzweifel verstärkt wurden. Natürlich könnte ich denken „Super, alles richtig gemacht. Ich bin nicht aufgefallen!“, aber irgendwie bringt das auch gleichzeitig die folgenden Gedanken mit sich: Ich bin hier fehl am Platz. Es macht keinen Unterschied, ob ich da bin oder nicht. Es wäre besser, wenn ich nicht hier wäre.
Am Freitag, kurz vor Beginn des Bundestreffens, als die Aufregung in mir sehr groß war, suchte unsere liebe Rainbow das Gespräch mit mir und konnte damit keinen besseren Zeitpunkt treffen, um mich mit ihren lieben und Mut schenkenden Worten zu berühren und mir eine große Portion Kraft zu schenken. Kurz darauf gesellte sich eine weitere Teilnehmerin zu uns, machte sich über meinen Namen lustig und ich war froh, als ich in der Ferne die beiden aus meiner Gruppe von Zuhause gesehen habe und vor der anderen Teilnehmerin fliehen konnte. Es war sehr schön, die beiden wiederzusehen und die Gespräche im Laufe der drei Tage haben mir auch echt gut getan.
Ein weiterer Punkt auf meiner Liste mit den schönen Momenten war auf jeden Fall, einige der anderen Blogautor*innen von uns endlich mal in echt kennenzulernen oder wiederzusehen. Ich hoffe sehr, dass es in Zukunft weitere Treffen gibt, um sich auch noch besser kennenzulernen – denn dafür war bei all den vielen Teilnehmer*innen des Bundestreffens leider nicht genug Zeit.
Wenn ich mich an das vorherige Bundestreffen erinnere, dann hatte ich zu dem Zeitpunkt gehofft, dass ich jetzt schon weiter sein würde. Dass mich die Ängste nicht mehr so stark einschränken würden und dass ich es auch mal schaffen würde etwas zu sagen. Aber immerhin klappte das Essen für mich in diesem Jahr deutlich besser und ich konnte die essgestörten Gedanken größtenteils beiseite schieben. Generell hatte ich das Gefühl, mich ein bisschen sicherer zu fühlen und mich sicherer von einem Ort zum anderen bewegen zu können. Das wurde mir auch von anderen gesagt, also kann ich es wohl glauben. Versuche ich zumindest.
Ein weiteres besonderes Gespräch hatte ich am Samstag Abend. Viele Fragen. Offen und interessiert. Ohne Wertung. Rücksichtsvoll. So wie die allgemeine Stimmung, die das Bundestreffen so besonders macht. »Ich hätte niemals gedacht, dass du eine psychische Krankheit hast«, sagt U. »Ich hab dich als offen und sympathisch erlebt und jetzt kommst du mit sozialen Ängsten. Verrückt.« Für mich in diesem Moment des Zweifelns und dem ständigen Gefühl, die Ängste seien mir groß auf der Stirn geschrieben, das schönste was jemand hätte sagen können. Motivierend und Mut machend.
Irgendwie ärgere ich mich ein bisschen, dass die Ängste mich immer noch so stark einschränken. Im Open Space über diesen Blog wurde ich gefragt, ob ich etwas zu Instagram sagen möchte. Darauf konnte ich nur den Kopf schütteln. „Oh man, für wie inkompetent, dumm und blöd müssen die anderen mich jetzt halten?!“, war der Gedanke, der danach in meinem Kopf rumschwebte. Generell spüre ich auch jetzt noch einen starken Kampf in mir: Ich möchte mich engagieren, an Projekten mitarbeiten, mich für die Entstigmatisierung einsetzen. Aber wie soll das gehen, wenn mir die Ängste immer im Weg stehen?! Es ist also gerade ein wildes Durcheinander an Gefühlen, das ich aus dem Bundestreffen mitnehme. Motivation, Zweifel, Inspiration, Sorge, Kraft, Angst, Mut.
Autor*in: Mutsammlerin
An ein Leben ohne Angst kann ich mich nicht erinnern. Aber ich kann davon träumen, die Angst aushalten und für meine Träume kämpfen.
Liebe Mutsammlerin,
danke, dass du so ehrlich über deine Gefühle während des Bundestreffens schreibst. Ich bin sicher, du sprichst damit auch vielen anderen aus dem Herzen, die zwar von der Gemeinschaft und Offenheit begeistert waren, aber auch immer wieder mal Momente des Alleinseins hatten. Du bist für uns alle kostbar, auch wenn du dich nicht in Gespräche einmischst und dich zurückziehst. Ich habe so oft gesehen, wie du mit anderen Teilnehmen*den in ein Zweiergespräch vertieft warst und das ist doch auch etwas ganz Wichtiges. Geh deinen Weg einfach weiter, in deinem Tempo, und irgendwann schaffst du es, deine Ängste Stück für Stück zu überwinden. Und wenn nicht, dann ist es auch ok. Denn auch so wie du jetzt bist, bist du ein toller Mensch.
Liebe Ruth, herzlichen Dank für deine lieben, Mut machenden Worte! Das bedeutet mir sehr viel und gibt mir gerade ein bisschen Kraft 🙂
Wow! Danke für diesen sehr mitreißenden Blogbeitrag! Man bekommt einen super Einblick in dein Erleben und ich bin etwas darüber schockiert, dass sich über deinen Namen lustig gemacht wurde. Für mich ist das ein ganz normaler Name.
Weiterhin finde ich deinen Umgang mit deinen Ängsten beeindruckend. Auf mich wirkst du „nur“ wie eine schüchterne, zurückhaltende junge Frau. Und, dass du nichts zu Instagram sagen konntest ist doch vollkommen ok. Das hat ja nichts mit Inkompetenz, Versagen oder sonst was zu tun. Ich denke auch, dass wir alle da recht neutral sind und über Kopfschüttler gar nicht negativ denken. Du führst den Account echt klasse!
Ich finde es ohnehin beachtlich, dass man trotz Ängsten zu einem so großen Treffen geht. Das ist sicher ne ziemliche Herausforderung – die du super gemeister hast!
Auch, wenn wir wenig miteinander sprachen, da einfach soooooo viele Menschen da waren, bin ich froh, dass wir uns endlich persönlich kennen gelernt haben und hoffe, dass wir uns wiedersehen werden und uns dann evtl. etwas besser kennen lernen.
Alles Liebe und halt die Ohren steif.
Liebe Dickdarmlos, vielen lieben Dank für deinen lieben Kommentar. 🙂 Das hoffe ich auch, dass wir uns mal wiedersehen werden und dann auch etwas mehr miteinander sprechen können 🙂
Liebe Grüße! ♥
Ein sehr guter ehrlicher Beitrag. Ich war glaube ich bei einer Situation des „nicht kennens vom letzten Treffen“ dabei. In dem Moment wollte ich nämlich sagen: Ich kann mich erinnern. Jetzt ärgere ich mich etwas, dass ich es nicht getan habe. Dann tue ich es eben jetzt. Ich kann mich an dich erinnern
Ich danke dir sehr für deinen lieben Kommentar. Der hat mich sehr gefreut! An dich habe ich mich auch erinnert 🙂
Hey Mutsammlerin,
erstmal schön, dass du da warst. Dein Name klingt schön und wer sich darüber lustig macht ist wirklich taktlos und unsinnig.
Ich hab mich an dich übrigens auch erinnert, vielleicht hab ich das leider nicht gesagt. Ich hab mich an dich und L. erinnert als FilmTEAM und an dich als Blogautor*in.
Deine (älteren) Beiträge haben mir übrigens sehr geholfen dich zu verstehen. So war es überhaupt nicht schlimm, wenn du mal nichts gesagt hast.
Andersrum war ich froh,wenn du in einem Gespräch dabei saßt. Denn ich wusste du hörst zu! Denn das ist meine Angst, ignoriert zu werden.
Und du hast ja auch dann in kleineren Gruppen dich getraut zu erzählen (z.B. Vom Flug aus Bulgarien – mein Respekt diesen Weg auf sich zu nehmen) Du hast von Zeit zu Zeit mit uns gelächelt und gelacht. Mehr brauchts gar nicht.
Und zum Engagement: Wenn die Zeit reif ist mit den richtigen Leuten wirst du bestimmt noch mehr machen können.
Dennoch 1. ist bis jetzt das was passierte, das einzige was geschehen konnte und okay (wie bwim open Space)
Und 2. ist dieser Blog, wofür du ziemlich allein noch extra Instagramm betreibst schon ein Wagnis. Deine Texte hier sind deine Offenheit und ein Teil zur Entstigmatisierung.
Ich hoffe auch bis bald und dass du wieder dabei bist!
Liebe Grüße
Deine
Buchstabenspielerin
Liebe Buchstabenspielerin,
danke für deine lieben Worte. Ich habe mich gefreut dich wiederzusehen und in Gesprächen zuzuhören. 🙂
Das hast du sehr schön gesagt. Daran sollte ich mich wohl häufiger mal erinnern.
Herzliche Grüße
Mutsammlerin
Hey Mutsammlerin, danke dass wir uns gesehen haben und ich dich ein bisschen von deinen Ängsten ablenken konnte. Ich hatte auch ganz ehrlich Angst in der großen Runde zu reden und ich habe mich geärgert dass meine Sprache nicht so toll war wie ich das gerne gehabt hätte. Aber wir müssen weitermachen und das beste daraus machen. Und es hat mich so gefreut euch alle mal persönlich kennenzulernen, ihr seid alle soo tolle Menschen! Ihr wisst gar nicht wieviel Kraft ihr mir gibt! Jeden Tag.
Liebe Grüße, Rainbow
Liebe Rainbow, ich würde jetzt zu dir sagen: Ärgere dich nicht darüber. So wie es war, war es gut. (Aber das sollte ich dann wohl auch zu mir selbst sagen.)
Ich drücke dich.