Person schiebt Felsbrocken bergauf

Freudestrahlend wurde ich zur OP-Schleuse gebracht. Ein Anästhesist fragte meine Daten ab. „Was wird bei Ihnen gemacht?“ Freudig antwortete ich „Ich bekomme ein Stoma.“ Alles ging sehr zügig. Ich war recht entspannt und positiv gestimmt – schließlich sollte mir das Stoma Lebensqualität schenken. Auch diese OP verlief gut. Ich wurde würgend im Aufwachraum wach. Ich hatte das „falsch“ Narkosemittel bekommen und dadurch enorme Übelkeit. Eine sehr uncoole Angelegenheit nach zwei Bauch-OPs. Dennoch konnte ich sofort auf Normalstation. (Über die folgenden Tage werde ich aufgrund der Geschehnisse und des Umfangs gesondert berichten.)
Der weitere Verlauf war von Schmerzen, Unsicherheit und Überforderung geprägt. Psychische Belastung und Druck sowie Übelkeit waren an der Tagesordnung. Ich hatte über 2,5 Wochen nicht mehr richtig gegessen. Ich hatte kein Hungergefühl mehr und mein Magen wehrte sich gegen Nahrung. Tag für Tag arbeitete ich daran möglichst viel zu essen und aß bis zum Würgen an. Jeden Tag, bei jeder Mahlzeit. Es wurde täglich etwas besser, doch es wurde nicht gewürdigt. Ich erfuhr Druck von außen. Dass ich viel zu wenig esse. Mehrmals täglich wurde ich aufs Essen angesprochen und erfuhr oft tadelnde Worte. Meine kleinen Erfolge wurden nicht gesehen. Es wurde erwartet, dass ich direkt „normale“ Mengen essen könne.
Einige Tage nach der OP stiegen meine Entzündungswerte an. Ich wurde von Grund auf durchgecheckt: Flüssigkeitsansammlungen im Bauch und einen Harnwegsinfekt. Ich bekam ein Antibiotikum und eine Drainage wurde gelegt. Der weitere Verlauf zeigte sich gut, doch so richtig kam ich nicht auf die Beine, sodass ich mich für eine Anschlussheilbehandlung entscheiden musste. Nach über 5 Wochen Krankenhaus kam ich somit in eine Rehaklinik. Kreislaufprobleme und Übelkeit stets im Gepäck und – wie hätte es anders sein können – die erste „Stoma-Panne“ auf der Fahrt in die Klinik. Shit happens – im wahrsten Sinne des Wortes.

Die erste Woche in der Rehaklinik war eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Neue Umgebungen und neue Ärzte überfordern mich. Dazu habe ich sehr schlechte Erfahrungen in einer anderen Rehaklinik gemacht, sodass sich die Angst stets fest um mich geklammert hatte und ich drohte von ihr erdrückt zu werden. Nach einem guten Tag folgte immer wieder ein schlechter Tag. Es ging auf und ab. Ich kämpfte gegen meinen Körper und gegen meine Ängste. Mein Körper kämpfte währenddessen gegen die Nebenwirkungen meiner Medikamente und die Endometriose.  Mein Lebenswille siegte: Ich schleppte mich mit aller Kraft zu so vielen Therapien wie möglich, achtete auf Pausen, und schaffte es nach einigen Tagen im Speisesaal zu essen. Ich knüpfte Kontakte, aus welchen ich weitere Kraft schöpfte. Die soziale Isolation war beendet. Neben den Sportangeboten (vor allem der Hockergymnastik und Stomapatienten-Gymnastik) entwickelten sich die sozialen Kontakte zu den wichtigsten Bestandteilen meiner Anschlussheilbehandlung. Der Austausch, das Zuhören und Gehört werden. Das Mitgezogen werden und die Offenheit auch sagen zu dürfen „ich brauche dich/deine Hilfe“ oder „ich kann/will nicht mehr“.
Planmäßig beendete ich die Reha nach 3 Wochen. Ich wollte einfach nach Hause und war auch fit genug, um nach Hause zu können. So verbringe ich nun meine erste Woche Zuhause und bestaune den Berg an Aufgaben, die vor mir liegen.

Autor*in: Dickdarmlos

Tabus sind ein Teil unserer Gesellschaft. Verdauungsorgane, insbesondere der Darm, und die Menstruation sind immer noch Tabuthemen. Es gilt als ekelig oder unrein. Man möchte nicht darüber sprechen und erstrecht nichts darüber hören. Doch was ist, wenn du mit einer Genmutation auf die Welt kommst, der Darm früher oder später in den Mittelpunkt deines Lebens rückt, und das Leben dir obendrauf noch eine gynäkologische Erkrankung schenkt? Hier beim Lebensmutig Blog berichte ich über mein Leben mit Familiärer Adenomatöser Polyposis (FAP), Endometriose und den psychischen Folgen.

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