Schatten eines Menschen über einer Bank

Es läuft nicht schlecht. Die Wiedereingliederung nach dem Klinikaufenthalt läuft sogar sehr gut. Ich konnte durch eigene Erfahrungen und Gefühlserleben viel in meine Arbeit integrieren und davon profitieren. Ich habe wieder mehr Energie, mehr Tatendrang, kann wieder mehr leisten. Die Arbeit erfüllt mich wieder mehr mit Begeisterung, ich spüre meine Kompetenz und Freude am Helfen.

Doch wenn ich wieder heimkomme, ist mein Leben langweilig. Nicht, weil ich untätig wäre, sondern, weil mir in meinem Leben etwas fehlt. Was genau weiß ich noch nicht, doch dieses „etwas“ hinterlässt ein großes Loch in meinem Herzen und macht mich fürchterlich unglücklich. Was ist es nur? Wonach suche ich?

Manchmal unternehme ich etwas mit einer Freundin, es bringt ein kleines Strahlen in mein Gesicht, hält jedoch nicht an, erlischt noch kurzen Momenten danach und da ist sie wieder, die gewohnte und gefürchtete Leere.
Ansonsten gehe ich viel Wandern und Spazieren, da ich seit der Umstellung meiner Medikation nicht mehr zufrieden mit meinem Gewicht und meiner Figur bin.
Die frische Luft und häufig auch Sonne, tun mir auch in meiner Seele gut, doch auch das hält nur kurzzeitig an.
Die restliche Zeit bin ich derzeit auf der Flucht, liege auf der Couch und gucke fern, mit Vorliebe christliche Filme und Serien, um – wenn schon Beschallung und Ablenkung – meine Seele wenigstens mit guten Inhalten zu bereichern. Aber dennoch Flucht und Ablenkung.
Um die hohe Spannung aushalten zu können, spiele ich auf dem Handy nebenher noch Tetris. Und nicht mal das reicht immer, um die hohe Anspannung aushalten zu können und zu kompensieren.
Sobald ich den Bildschirm ausschalte und mich Richtung Bett begebe, holen sie mich ein, die ungeliebten Emotionen. Ich werde überwältigt von Traurigkeit und Schmerz, eine innere Leere erfüllt jede meiner Zellen. Ich schaffe es nicht mal meine Selbsthilfegruppe zu besuchen.

Freizeit, gewünscht und doch eine Qual.
Es macht mich traurig, es macht mich unzufrieden.
Ich bin ungeduldig mit mir und meinem Leben.

In letzter Zeit ist viel passiert:
Zuerst hatte ich in der psychosomatischen Klinik, in der ich mich acht Wochen lang befand, ziemliches Unglück mit meinem Therapeuten, den ich leider nicht wechseln konnte und den ich sowohl in der Gruppe als auch im Einzel hatte. Dann wurde ich früher entlassen als gewünscht und das in einem Zustand der definitiv nicht besser war als zuvor und eigentlich unverantwortlich.
Dann erfuhr ich, knapp nach dem Nachhausekommen und Wiedereinleben, dass meine aktuelle ambulante Psychotherapeutin schwanger ist und ab Mitte Mai in Elternzeit geht.

Das war ein riesengroßer Schock für mich und sehr, sehr schmerzvoll, da ich zu ihr eine enge Bindung entwickelt habe. War sie mir doch immer ein Anker in schwierigen Zeiten, bot mir viel Halt und Sicherheit, mochte mich ganz ehrlich, so wie ich bin, mit allen Seiten, die zu mir gehören.
Sowas ist ganz neu für mich, durfte ich solche Bindungen und Beziehungen erst durch sie und die Mitpatientinnen und Mitpatienten in der Klinik erleben. Gemocht werden, ohne zu leisten, einfach um seinetwillen. Ein sehr schönes und wertvolles Gefühl, das ich nie vergessen werde.

Und dennoch, nun läuft der Countdown, ich werde einen der aktuell wichtigsten und bedeutsamsten Menschen in meinem Leben verlieren, unwiderruflich. Und das macht mich wahnsinnig traurig und verzweifelt. Wie wird es weitergehen?
Werde ich jemanden finden, der mir annähernd ähnlich eine Unterstützung und Lernhilfe auf dem Weg der Gesundung sein wird?
Ich habe im Internet sämtliche Seiten nach Psychotherapeuten und -therapeutinnen durchgeforstet und durchgeforscht. Habe zig Telefonate geführt, an einem Nachmittag sogar über fünfzehn. Danach habe ich nur noch gezittert und geweint, gefrustet von den Absagen und Abweisungen, erschöpft von der vielen Adrenalinausschüttung.
Nun hatte ich bereits zwei Probegespräche, eines bei einer Verhaltenstherapeutin, eines bei einer ziemlich außergewöhnlichen und etwas verrückten Tiefenpsychologin, vermutlich wird es so oder so Richtung Gruppentherapie gehen, damit ich unterkomme.

Jetzt kommen wichtige und schwierige Entscheidungen auf mich zu: Für wen und welche Therapieart entscheide ich mich, kann ich mich auf eine Gruppentherapie einlassen, wird sich die entsprechende Therapeutin auch ehrlich auf mich einlassen und wird die Krankenkasse trotz der zwangsmäßigen Änderungen eine Fortführung der für mich gefühlt überlebenswichtigen Therapie genehmigen?

Ich habe Angst. Ich bin traurig. Ich fühle mich allein. Bin verzweifelt. Kämpfe für mich und bin dennoch ungeduldig mit mir. Will Geduld mit mir lernen, einen liebevollen und fürsorglichen Umgang. Doch schon wieder sehe und fühle ich nur die Leistung, es ist wohl ein langer Weg.

Ist das Leben? Was bedeutet Leben für mich? Entwicklung, wie ich bereits in unserem gemeinsamen Beitrag erwähnt habe. Aber ist das alles? Entwicklung klingt wie immer auf dem Weg sein, niemals angekommen sein!? Doch ich will ankommen. Endlich ankommen. Doch wo? Ich denke, Entwicklung bedeutet auch immer die kleinen und manchmal scheinbar unwesentlichen Schritte sehen und wertschätzen zu lernen. Und genau damit tue ich mir bei mir selbst noch schwer.
Ich glaube an Gott, an Jesus. Das ist ein ganz wichtiger Teil, ein ganz wichtiger Sinngeber in meinem Leben. Mein Glaube gibt mir viel Halt, lässt mich viel Glück erfahren, und dennoch stecke ich jetzt in dieser Lage. Ich glaube, dass alles, was ich erlebe und durchmachen muss, einen höheren Sinn hat, mir oder anderen irgendetwas nutzen wird. Mir dabei helfen wird, mich gut zu entwickeln, zu einer bereichernden Person für mich selbst und andere zu werden. Manchmal ist es trotzdem schwierig zu hoffen und zu vertrauen.

Warum erzähl ich euch das alles? Sowohl um mich zu erleichtern und über Wasser zu halten, als auch um euch mit meinem Erfahrungswissen und meiner Offenheit vielleicht weiterzuhelfen.

Wie geht es wohl weiter? Ich halte euch auf dem Laufenden.

Bis dahin alles Liebe und beste Wünsche auch für euch.

Autor*in: HighHopesInBlueSkys

Einen blauen Himmel voller Hoffnung – das ist das, was ich mir wünsche. Tatsächlich ist mein Himmel schon lange ziemlich wolkenbehangen. Depression, eine posttraumatische Belastungsstörung und resultierende Ängste und Sorgen verschleiern teils das lebensfrohe Blau. Doch in meinem Herzen bin ich eine Kämpferin. Ich glaube fest daran, dass hinter jedem großen Leid auch eine Chance steckt: eine Chance sich besser kennenzulernen, besser für sich sorgen zu lernen, die Qualitäten des Lebens neu schätzen zu lernen, Achtsamkeit zu üben, manches loszulassen und Neues für sich zu gewinnen. Diesen Weg will ich voller Mut und Hoffnung gehen, auf zu einem blaueren und sonnigeren Himmel, auch wenn es oft schwer fällt. Und das ist es auch, was ich von Herzen all jenen wünsche, denen es ähnlich geht: den eigenen, ganz individuellen und wertvollen Weg zu einem blaueren Himmel zu finden.

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