Die letzte Zeit hat mich meine psychische Gesundheit mehr beschäftigt, denn je. Mein Körper spielte plötzlich verrückt: Unruhezustände, Schmerzen, Schlafstörungen und ein generelles Krankheitsgefühl. Eine Blutuntersuchung führte zu keiner Diagnose, also entschied ich mich für eine Krankmeldung – in der Hoffnung, dass ich mich erhole und wieder arbeitsfähig werde. Pustekuchen! Ab diesem Zeitpunkt ging es erst richtig los, da meine Arbeit mich permanent kontaktierte. Immer wieder. Bezüglich Planungen, dem Wahrnehmen von beruflichen Terminen etc. Meine AU wurde schlichtweg nicht akzeptiert. Mein Zustand verschlechtere sich rapid. Nach wenigen Tagen erlebte ich bereits erste Panikanfälle. Wenn das Telefon klingelte. Wenn ich eine E-Mail bekam. Wenn es an der Tür klingelte. Sogar das Briefkasten- und Postöffnen wurde zu einer Tortur. Ausgelöst, durch den Psychoterror meiner Arbeit. Meine Bitten, die permanenten Kontaktversuche zu unterlassen, wurden ignoriert. Absprachen nicht gehalten. Wenn ich nicht ans Telefon gegangen bin, wurde eben auch 3, 4 oder 5 mal angerufen. Jede Nummer, die sie zur Verfügung hatten – also tyrannisierten sie auch meine Mutter. Zum Glück hatten sie nicht meine Festnetznummer, sodass zumindest dieses Telefon zu einem „sicheren Bereich“ wurde und wichtige Kontakte wie mein Anwalt oder Ämter dort anrufen konnten ohne, dass direkt eine Panikattacke ausgelöst wurde. Nachdem ich schließlich ein „Knebelschreiben“ erhalten habe, beriet ich mich mit einigen Personen aus meinem Umfeld und suchte mir darüber hinaus einen Anwalt. Ich brauchte eine Rechtsberatung. Was darf ich? Was muss ich? Wie reagiere ich? Ein Plan hatte ich mir überlegt, mein Anwalt hielt diesen für gut und gab mir rechtlichen Rückhalt. Ich bat meinen Arzt schließlich als letzte Instanz vorm Einschreiten des Anwalts mir ein Schreiben zu verfassen, mit welchem ich auf das „Knebelschreiben“ antworten kann. Er schrieb, dass es aus medizinischer Sicht notwendig ist Kontakte zu unterlassen. Die Kontakte stoppten – bis die erste Kündigung ins Haus flatterte. Es war absehbar. Arbeiten konnte und wollte ich dort nach dieser Erfahrung sowieso nicht mehr. Trotzdem war es ein Schock. Es knallten zwei Welten aufeinander: Mein altes Bild über meinen Arbeitgeber als humanen Psychotherapeuten und das neue Bild des distanzlosen, übergriffigen Chefs.
Ich kontaktierte meinen Anwalt, da die Kündigung nicht wirksam war. Wir wollten es außergerichtlich klären. Keine Reaktion meines Arbeitgebers. Wir mussten Klage erheben. Erfolgschancen 100%. Tja, wenn das Gericht nicht so kulant gewesen wäre und mehrfach einer Verschiebung durch die Gegenpartei zugestimmt hätte. Irgendwann flatterte kurz vor knapp die zweite, formell wirksame, Kündigung ein. Natürlich hielten wir die Klage weiterhin aufrecht. Nach fünf oder sechs Verschiebungen fand der Termin endlich statt, das Thema war geklärt und fast vom Tisch. Es hält sich leider weiterhin hartnäckig, da mein ehemaliger Arbeitgeber seinen Pflichten nicht nachkommt – ob Gehaltszahlungen, Erstellung der Arbeitsbescheinigung oder sonst etwas. Will er es mir ungemütlich machen? Oder ist er wirklich nur ein verpeilter Idiot? Diese Frage werde ich mir vermutlich nie beantworten können, aber das muss ich auch nicht. Ich kann nur froh sein, dass ich dort nicht mehr arbeiten muss!

Ich denke – auch wenn die Zeit und Phase sehr anstrengend ist – dass ich sehr viel mitgenommen und gelernt habe. Denn ich habe neue Berührungspunkte mit verschieden Systemen gemacht: Dem Rechtssystem, den Gesundheitssystem und dem Sozialsystem. Ich bin bei machen Systemen angeeckt. Ich habe „Fehler“ in den Systemen im Rahmen meiner persönlichen Erfahrung kennengelernt und konnte zugleich Erlerntes aus dem Studium umsetzen. Vielleicht ist es auch gar nicht so schlecht als angehende Sozialarbeiterin erste kritische Erfahrungen mit Systemen zu haben?

Autor*in: Dickdarmlos

Tabus sind ein Teil unserer Gesellschaft. Verdauungsorgane, insbesondere der Darm, und die Menstruation sind immer noch Tabuthemen. Es gilt als ekelig oder unrein. Man möchte nicht darüber sprechen und erstrecht nichts darüber hören. Doch was ist, wenn du mit einer Genmutation auf die Welt kommst, der Darm früher oder später in den Mittelpunkt deines Lebens rückt, und das Leben dir obendrauf noch eine gynäkologische Erkrankung schenkt? Hier beim Lebensmutig Blog berichte ich über mein Leben mit Familiärer Adenomatöser Polyposis (FAP), Endometriose und den psychischen Folgen.

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