Blue: Es war relativ schwierig für mich, den Unterschied zwischen Neid und Eifersucht zu definieren. Da ich ehrlich gesagt beide Begriffe immer gleichgesetzt habe.
Aus dem Stehgreif könnte ich nicht genau sagen, ob ich generell eine neidische Person bin, auch wenn mir natürlich Dinge einfallen, die andere haben, die ich auch gerne hätte.
Aber wie sehr es mich tatsächlich im Alltag begleitet, ist für mich gerade schwer zu sagen.
Wenn ich mich mit anderen Menschen aus meinem Umfeld vergleiche, sprich andere ähnliche oder gar gleiche Ziele wie ich habe und diese vor mir erreichen, dann werde ich schon neidisch auf die anderen. Das “Warum” ist natürlich immer etwas unterschiedlich, allerdings fällt es mir leider bis zu einem gewissen Grad relativ schwer mich für die anderen mit zu freuen, weil ich oft dann in eine gewisse Opferrolle verfalle und mich selbst bemitleide.
Ich wünschte, ich würde sagen, es treibt mich an, auch diese Ziele zu erreichen, aber manchmal oder eher gesagt fast immer verfalle ich in einen Trotz-Modus und kann sogar sauer werden, viel mehr auf mich als auf die andere Person.
Die Frage, woran es scheitert und ich es nicht schaffe, plagt mich dann eine gewisse Zeit, bis ich es dann auch schaffe, meinen Arsch hoch zu kriegen, um dem Ziel entgegen zu schreiten.
Wenn es aber darum geht, dass andere Menschen alleine durch ihr aufwachsen oder ihrer Attribute welche sie keinesfalls beeinflussen können ein ganz normales Leben führen können – wobei normales Leben unterschiedlich definiert werden kann – dann werde ich nur wütend und vielleicht auch eifersüchtig, auch wenn ich keine Angst davor habe etwas zu verlieren, sondern viel mehr Angst davor habe gewisse Dinge niemals zu bekommen die eine Selbstverständlichkeit in unserem Leben sein sollten.
Wenn ich darüber nachdenke das es für die meisten Menschen selbstverständlich ist zu lieben und geliebt zu werden und ich dann mich anschaue, ein schwuler Mann der von einem gewissen Teil der Gesellschaft immer noch gehasst und verachtet, sogar angegriffen wird weil er liebt dann nagt das schon sehr an meiner Existenz und der Neid oder die Eifersucht machen es sehr schwer einen klaren Gedanken zu fassen.

Phönix: ‚Boah, ich will das auch haben!‘, ist wohl ein Gedanke, den wir alle kennen. Das kann freudig und gönnend gemeint sein, es kann aber auch missgünstig und eifersüchtig gemeint sein, nur dass letzteres wohl kaum jemand zugeben würde.
Neid, ein ekelhaftes Phänomen der inneren Zwietracht, ein Miesmacher in unserer Gesellschaft und damit nicht genug, nein, es ist auch ein hinterhältiger Mistkerl, der uns in die Falle tappen lässt uns selbst und unseren klaren Blick zu vergiften.
Was beneiden wir? -Jemandes Klamotten?, Auto?, Geld?, Aussehen?!
Dies sind nur wenige banale Beispiele und auch nur materielle.

Sky Walker: So etwas wie Neid zu empfinden, hätte ich vor nicht allzu langer Zeit eher geleugnet. Mittlerweile mache ich keinen Hehl mehr daraus, Neid zu verspüren. Es ist nicht so, als wäre ich stolz darauf, im Gegenteil, aber so what? Als afrodeutsche Frau, die in prekären Verhältnissen aufgewachsen ist, wurde und wird mir in unserer Gesellschaft schließlich nicht selten vermittelt, dass ich dieses oder jenes nicht so gut kann; ich hier oder dort nicht richtig hingehöre; ich entweder ganz genau so oder eben doch völlig anders bin. Ich muss mich stets beweisen, ständig erklären, permanent anpassen und vor allem: mich immer ein bisschen mehr anstrengen als andere. Ich weiß, dass ich wie ein wehrloses Opfer klinge, wie könnte ich auch nicht? Wie könnte ich nicht neidisch auf Männer sein, denen – nur weil sie Männer sind – mehr Kompetenz zugesprochen wird als mir? Wie könnte ich nicht neidisch auf Weiße sein, die sich – weil sie weiß sind – ihre Daseinsberechtigung nicht andauernd in sinnlosen Diskussionen erkämpfen müssen wie ich? Wie könnte ich nicht neidisch auf wohlbehütet Aufgewachsene sein, die – weil sie wohlbehütet aufgewachsen sind – besseres Rüstzeug zur Lebensbewältigung mit auf den Weg bekommen haben als ich? Ja richtig – ich bin neidisch auf die Privilegien anderer. Aber wisst ihr, wie viele Menschen neidisch auf meine Privilegien sein müssen? Ich lebe in einem der reichsten Länder Welt, mit einem der besten Sozialversicherungssystemen (ist so), in dem ich als Frau zumindest de jure die gleichen Rechte wie Männer genieße. Ich habe ein Dach über dem Kopf; Essen im Kühlschrank; Freunde, die mich lieben; dank meines Bildungsaufstiegs die Möglichkeit, mein Leben eigenständig zu finanzieren und den Luxus, bereichernde Hobbys (richtig gelesen: plural) zu betreiben… Sieht ganz so aus, als wirke das Gras auf der anderen Seite tatsächlich immer ein bisschen grüner, oder irre ich mich?

Bossi: Niemand ist gerne neidisch. Denke ich einfach Mal. Ich zumindest bin es, besonders dann, wenn es darum geht, mich mit anderen zu vergleichen. Ein einfaches Beispiel ist dabei meine Behinderung. Lange Zeit war ich neidisch auf die gesunden Körper der anderen Menschen. Als unglaublich unfair habe ich es empfunden, dass bei meiner Geburt die „Arschkarte“ gezogen habe. Warum ausgerechnet ich. Dabei habe ich gut und gerne Mal vergessen, dass ich trotz meiner Behinderung mich glücklich schätzen darf, noch bzw. überhaupt am Leben zu sein. Ändert nichts daran, dass ich hin und wieder Neid auf die anderen empfinde, auch wenn ich es gerne nicht würde.

(Das Beitragsbild wurde mithilfe der KI Midjourney erstellt)

 

 

Autor*in: Alle zusammen

Wir sind die Blogautor*innen von Lebensmutig. Wir schreiben über unsere Erfahrungen mit Selbsthilfe, über unsere Erkrankungen und Themen und über die Herausforderungen, die wir bewältigen. Manchmal diskutieren wir untereinander über Themen, die uns gerade auf den Nägeln brennen. Dann dokumentieren wir das unter diesem Profil in einem besonderen Beitrag.

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