Bücherwurm: Es ist manchmal schwierig, darum halte ich es mittlerweile ganz einfach: Fragt man mich danach, beantworte ich gerne Fragen. Fragt man mich allerdings nicht, erfährt man auch nichts. Auch in den Bewerbungen, spreche ich das Thema Depressionen offen an und erkläre es in Kurzfassung auch im Motivation schreiben. Schreibe aber auch dazu, das ich mittlerweile genesen bin und es mir soweit gut geht.
Auch im Privaten halte ich es so. Ich binde es niemanden auf die Nase. Fragt man mich und fragt man auch tiefergehend nach, bin ich gerne bereit Fragen zu beantworten. Es macht mir nichts aus. Ich erzähle sogar gerne, aber man muss mich eben Fragen. Und auch auf Sozial Media gehe ich damit recht offen um. Warum auch nicht? Die Depression und auch die Ängste/Zwänge sind ein Teil von mir und werden es vermutlich auch immer bleiben. Klar, wäre es manchmal schön ohne sie, aber was bringt es mir, sie zu verschweigen? Offen mit umgehen und manchmal auch um Hilfe bitten. Ich weiß ja auch, das ganz viele Ängste mittlerweile nur noch in meinem Kopf existieren und mir in den Situationen oft gar keine großen Probleme mehr machen. Eine Dickdarmlos oder eine Mutsammlerin können denn noch wesentlich besser mit mir und meinen Ängsten umgehen, als meine eigene Familie. Eben weil sie es selbst kennen und wissen wie es ist. Während es für meine Familie nach all den Jahren immer noch etwas abstraktes und unverständliches ist.

Mutsammlerin: Insgesamt gehe ich mit meiner Angststörung mittlerweile recht offen um. Doch ich merke auch, dass ich im Alltag trotzdem oft gehemmt bin, weil ich negative Konsequenzen befürchte. Bisher habe ich aber zum Glück überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Für mich ist es oft auch einfacher, wenn mein Gegenüber davon weiß, weil dadurch einige Ängste wegfallen.

Buchstabenspielerin: Wie geht „man“ mit dem eigenen Selbsthilfethema nach außen hin um? Ist ein bisschen eine Frage wie „Wer bin ich und will ich sein“ – mit der Erweiterung: „Wieviel von mir zeig ich nach außen?“
Es ist verdammt individuell.
Ich gehe super offen mit meiner Legasthenie um. Bin mit meiner Geschichte als Selbsthilfegruppen Sprecherin im Web, nicht nur in einem Vorstellungstext, sondern auch in einem Beitrag vom BR, den es auch auf YouTube gibt.
Bei der Depression bin ich vorsichtiger. Aber ich habe Episoden durchgemacht.. Ich will mich nicht verstecken, mit nichts von mir, ich hab sowas satt! Verstecken tut mir nicht gut, so schreibe ich über die Depression im WhatsApp Status oder auf die Frage „Wie gehts dir?“ – wenn mir danach ist. Mir ist nicht immer danach und so direkt in die gesamte (Internet) Öffentlichkeit nicht anonymisiert trage ich es nicht.
Bei der Legasthenie will ich wirklich Vorbild sein und meine Geschichte erzählen, um Menschen zu erreichen und Mut zu machen. In dem Prozess mit dem Umgang mit meiner Legasthenie und auch der Aktzeptanz davon bin ich aber auch schon weiter als mit der Depression.
Bisher hab ich vor Allem gute Erfahrungen damit gemacht und auch wenn nciht. Bereut habe ich meine Offenheit bis jetzt nicht.

Dickdarmlos: Ich bin durch meine Krankheiten ein sehr offener Mensch geworden. Ich dräng mich niemandem auf, bin aber offen für Fragen und Co. Ebenfalls in der Öffentlichkeit spreche ich über mich, meine Krankheiten, mein Stoma und allem was da sonst so zugehört. Bei Instagram bekommt man, denke ich, einen besonders tiefen Eindruck in mein Leben. Aktuell, da ich gerade erst operiert wurde, gestaltet sich das für viele, die mir folgen, als sehr spannend. Ich spreche offen über mein Stoma, meine Rektumamputation und habe sogar, da die Menschen, die mir folgen sehr neugierig sind, meine Wunden – auch meinen Hintern – gezeigt. Viele finden das wirklich klasse, da Tabuthemen wie normale Themen behandelt werden und sie auch vieles Neues lernen. Manche, die beruflich einen Bezug haben (bspw. Krankenpfleger*innen) lernen die Patientenperspektive tiefer kennen, was für ihre berufliche Tätigkeit einen Gewinn darstellt!
Außerdem haben mich durch meine offensive Art andere Betroffene gefunden – ob Rektumamputation, FAP, J-Pouch oder Endometriose – sodass auch da ein wertvoller Austausch, Unterstützung und Freundschaften entstanden sind.
Ich muss auch ehrlich sagen, dass ich sehr begeistert bin, wie gut mein Angebot meine „Reise“ mitzuerleben genutzt wird. Wie neugierig und offen die Menschen sind, wenn man selbst einen offenen und entspannten Umgang pflegt. Ich frage immer mal wieder, ob sie etwas sehen wollen oder frage, wie es ihnen damit geht, dass ich so offen bin. Die Resonanz, das Interesse an Tabuthemen ist der Wahnsinn!

Bossi: Mir fällt es schwer, offen mit meiner Sucht umzugehen. Dafür ist die Krankheit zum einen zu stark durch Film und Fernsehen stigmatisiert. Zum anderen darf man auch nicht vergessen, dass Sucht, auch wenn keine Beschaffungskriminalität oder der Verkauf von Drogen im Spiel gewesen ist, immer noch einen Rattenschwanz an juristischen Problemen nach sich ziehen kann und der ein oder andere Berufszweig einem ggf. verschlossen bleibt, wenn man offen mit der Suchterkrankung umgeht, selbst wenn man schon länger abstinent ist. Wenn ich so richtig darüber nachdenke, fällt es mir eigentlich überhaupt nicht schwer, offen mit der Erkrankung umzugehen. Menschen die mir wichtig sind und denen ich vertraue, wissen davon oder erfahren es eines Tages von mir und diejenigen, die nicht zu meinem engsten Vertrauten gehören, zu denen ich nur einen sehr geringen persönlichen Bezug habe, brauchen es nicht wissen. Ich muss nicht jedem von meiner Krankheit erzählen und gleichzeitig erzähle ich denjenigen, den ich vertraue, gerne davon.

Autor*in: Alle zusammen

Wir sind die Blogautor*innen von Lebensmutig. Wir schreiben über unsere Erfahrungen mit Selbsthilfe, über unsere Erkrankungen und Themen und über die Herausforderungen, die wir bewältigen. Manchmal diskutieren wir untereinander über Themen, die uns gerade auf den Nägeln brennen. Dann dokumentieren wir das unter diesem Profil in einem besonderen Beitrag.

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