»Hoffentlich muss ich niemals in Bulgarien ins Krankenhaus!« Das hofft man natürlich immer, aber nachdem ich diese Woche einen Einblick in zwei Kliniken bekommen habe, weiß ich, dass man das wirklich hoffen muss. Zum Glück war ich nur die Begleitung, aber auch das hat mich ans Ende meiner Nerven gebracht.

In der Nacht von Montag auf Dienstag wurde ich von meiner Mitbewohnerin geweckt. Ihr ging es sehr schlecht und ich sollte ihr eine Tablette gegen das Fieber raussuchen. Am Morgen ging es ihr noch schlechter. Da sie sich nicht mal wirklich aufsetzen konnte, brauchten wir einen Arzt, der zu uns kommen sollte. Der deutschsprachige Botschaftsarzt, der seit zwei Wochen nicht mehr für die Botschaft arbeitet, war nicht erreichbar. Seine Praxis teilte mir mit, sie machen keine Hausbesuche. Also war die einzige Lösung den Notruf zu wählen. Nachdem ich dort mehrfach weitergeleitet wurde, bis jemand Englisch sprechen konnte – und nachdem mich die Warteschleifenopernmusik schon in den Wahnsinn getrieben hat – wurde mir mitgeteilt, dass es keinen freien Krankenwagen gibt und dass wir doch einfach zum nächsten Krankenhaus laufen sollen; das sei nicht so weit. Meinen Einwand, dass das wohl kaum möglich sei, wenn meine Mitbewohnerin sich nicht mal aufsetzen kann, stieß auf keinerlei Verständnis. Verzweifelt rief ich unsere Auslandskrankenversicherung an, die einem mitteilen kann, in welches Krankenhaus man fahren soll. Aber auch dort: eine nicht enden wollende Warteschleife. Wenigstens bei unserer Freiwilligenorganisation erreichte ich eine nette Mitarbeiterin, die mir alle wichtigen Angaben mitteilte und es mit ihrer ruhigen und freundlichen Art schaffte, dass auch ich wieder ein bisschen entspannter wurde. Im Anschluss versuchte ich es nochmal bei der Versicherung. Dieses mal wurde ich zu einer Mitarbeiterin durchgestellt – nachdem ich mir gefühlte 5 Minuten anhören konnte, dass das Gespräch aufgezeichnet wird und die Wahl hatte, ob ich noch mehr über Datensicherung hören möchte. Wenn man bei einer Notrufnummer anruft, treibt einen auch das ziemlich in den Wahnsinn. Doch der eigentliche Wahnsinn begann erst später als wir im Krankenhaus ankamen.

Glücklicherweise funktionierte an diesem Tag plötzlich unser Fahrstuhl wieder, sodass wir es die 6 Etagen nach unten und ins Taxi zum Krankenhaus schafften. Dort legte ich meine Mitbewohnerin auf die Stühle und kümmerte mich um die Anmeldung. Auf Bulgarisch sagte ich, dass sie krank ist, dass wir Hilfe brauchen und ob jemand Englisch sprechen könne. Daraufhin bekam ich als Antwort nur ein »Wir sind in Bulgarien, also sprechen wir auch nur Bulgarisch. Wir können Ihnen nicht helfen« und alle Mitarbeiterinnen fingen an zu lachen. Ich glaube das war der Moment, in dem ich an diesem Tag am verzweifelsten war. Denn: Ihr geht es super schlecht, im Krankenhaus bekommt man keine Hilfe – was soll man dann tun?!

Ein Arzt, der schon die ganze Zeit daneben stand und die Situation beobachtete, kam nun auch endlich zu uns und ich konnte ihm den Zettel mit den Symptomen zeigen, die mir meine Kollegin zuvor auf Bulgarisch aufgeschrieben hatte. Meine Mitbewohnerin kam dann zum Glück direkt in ein Behandlungszimmer. Die eine Ärztin konnte glücklicherweise etwas Englisch. Alle anderen stellten mir irgendwelche Fragen auf Bulgarisch, die ich natürlich auch nicht verstehen konnte, wenn sie die zehn mal wiederholen. Irgendwann kam ein Pfleger, der sich kommunikativ etwas kooperativer zeigte, sich meine Google-Übersetzungen durchlas und mir langsam und mit Gestik unterstützt auf Bulgarisch erklärte, was sie nun machen würden, sodass ich das meiste irgendwie verstehen konnte. Während meine Mitbewohnerin ein paar Infusionen bekam, sollte ich für eine Stunde in den Park gehen. Dort rief ich meine Kollegin an und kurze Zeit später bekam ich einen Anruf von unserem Institutsleiter, der zehn Minuten später auch vor Ort im Krankenhaus war. Darüber war ich sehr dankbar, denn zum einen kann er sich deutlich besser auf Bulgarisch verständigen und zum anderen hatte ich nun nicht mehr die ganze Verantwortung. Meine Mitbewohnerin wurde dann in eine Spezialklinik transportiert – alleine lag sie hinten auf der Liege und wenn sie sich nicht festgehalten hätte, hätte sie bei den holprigen Kopfsteinpflasterstraßen auch schnell da runter fallen können.

In der Spezialklinik wirkte es zumindest etwas besser als in der ersten Klinik. Dort wurde sie dann auch stationär aufgenommen. Als mir meine Kollegin am nächsten Morgen erzählte, dass man meistens jemanden braucht, der einem Wasser und Toilettenpapier bringt, habe ich ihr das erst nicht geglaubt. Kurze Zeit später bekam ich dann einen Anruf von meiner Mitbewohnerin, ob ich bitte Wasser, Essen, Toilettenpapier und ein Fieberthermometer mitbringen kann. Auch ihre Medikamente konnte sie erst einnehmen, als wir mit dem Wasser kamen. Über die Hygiene in den Kliniken möchte man gar nicht erst nachdenken. Und alleine wäre man hier echt aufgeschmissen… Über all das kann ich auch nur noch fassungslos den Kopf schütteln… Meine Mitbewohnerin ist zum Glück seit gestern wieder aus der Klinik raus und kann sich zuhause weiter auskurieren.

Was ich aus dieser Woche mitnehme:
– Man kann glücklich sein, wenn man hier nicht ins Krankenhaus muss.
– In Deutschland hat man es mit dem Gesundheitssystem und den Gesundheitsstandards echt gut.
– Es ist gut, dass ich wenigstens geringe Bulgarischsprachkenntnisse habe.
– In Notfallsituationen kann ich meine Ängste beiseite schieben und sogar mehr als 20 Telefonate am Tag führen.

P.S.: Danke an Dickdarmlos, die sich meine Fassungslosigkeit über die Krankenhausstandards in diversen Sprachnachrichten anhören musste.

Autor*in: Mutsammlerin

An ein Leben ohne Angst kann ich mich nicht erinnern. Aber ich kann davon träumen, die Angst aushalten und für meine Träume kämpfen.

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