Wohlfühlwohnen

Im letzten Jahr habe ich gemerkt, wie wichtig ein angenehmes Wohnen für das Wohlbefinden ist. Und gleichzeitig auch, wie die Wohnsituation dazu beitragen kann, dass Ängste und Unbehagen größer werden. Mein WG-Leben in Bulgarien lässt sich grob in drei Phasen unterteilen, die Gefühle von Freude bis Panik in mir ausgelöst haben.

Phase 1: unwohl und einsam

Alleine in einer fremden Stadt und dann auch noch in einem fremden Land leben! »In einer WG fühle ich mich sicherlich nicht so einsam und habe direkt Menschen, mit denen ich mich mal unterhalten kann«, dachte ich noch bevor ich nach Bulgarien ausgereist bin. Schließlich habe ich während meines Auslandssemesters in Litauen in einem 3er-Zimmer im Studentenwohnheim gewohnt und mich mit meinen Zimmermitbewohnerinnen gut verstanden, ab und zu zusammen etwas unternommen und unsere abendlichen Gespräche über den Tag immer sehr genossen. Trotzdem war ich froh für das Jahr in Sofia ein Zimmer für mich selbst zu haben – schließlich kann man nicht immer so ein Glück haben, dass man sich gut versteht. Leider war das WG-Leben dann nicht so wie ich es mir vorgestellt hatte. Meine beiden Mitbewohnerinnen lebten nur in ihrem Zimmer und wenn man sich dann doch mal in der Küche über den Weg gelaufen ist, erreichten die Gespräche keine tiefere Tiefe als das Wetter. Im Laufe der Zeit hatte ich immer mehr das Gefühl, dass sogar abgewartet wurde, bis die andere Person wieder aus der Küche raus ist, bevor man selbst rein geht, um bloß niemandem zu begegnen. Das hat nicht gerade dazu beigetragen mich weit entfernt von Zuhause wohl zu fühlen. Im Gegenteil: Ich habe mich sehr unwohl gefühlt und die Ängste, mein Zimmer zu verlassen, wurden immer stärker. Schließlich wollte ich niemanden mit meiner Anwesenheit stören. Als nach über einem halben Jahr dann erst die eine Mitbewohnerin zurück nach Deutschland ziehen konnte, kam passenderweise eine andere Freiwillige nach Sofia. Die andere Mitbewohnerin hatte allerdings etwas dagegen, dass sie bei uns einzieht und es endete in einem großen Streit zwischen uns beiden. Die Stimmung in den folgenden Wochen bis auch diese (endlich) ausziehen konnte, war ganz unangenehm. Ebenso wie mein Gefühl.

Phase 2: wohl

Die Zeit, in der meine Mitfreiwillige zu meiner Mitbewohnerin wurde, war die angenehmste. Es fühlte sich an, als hätte sie wieder Leben in die Wohnung gebracht und damit auch mich angesteckt. Zumindest ein bisschen. Abends saßen wir oft beim Abendessen noch bei langen Gesprächen im Wohnzimmer zusammen und am Wochenende gingen wir einige male zusammen wandern. Auch trotz der Tatsache, dass wir uns schon acht Stunden bei der Arbeit gegenüber saßen, hatten wir immer noch genug Gesprächsthemen. In den Monaten zuvor konnte ich an vielen Wochenenden kaum mein Zimmer verlassen. Das wäre jetzt nicht mehr möglich gewesen, da sie spätestens am Nachmittag mal an meiner Tür geklopft hätte. Das tat mir sehr gut und ich habe gemerkt, wie wichtig es für das eigene Wohlbefinden und auch im Kampf gegen die Ängste ist, mit netten Menschen zusammenzuwohnen.

Phase 3: angsterfüllt

Da meine Mitfreiwillige sich schon früher auf den Weg zurück nach Deutschland begab, musste ich die letzten Wochen alleine in der Wohnung verbringen. Für eine Person war die Wohnung viel zu groß. Zu leer. Zu einsam. Bei jedem Knistern oder Knacken stieg Panik in mir auf. Klingelte es dann noch an der Haustür und ich hörte kurz darauf den Fahrstuhl nach oben fahren, drehten die Angstgedanken in mir durch und waren sich sicher, jeden Moment von einem Einbrecher umgebracht zu werden. Auch der Gedanke »Wenn mir jetzt etwas passiert, wird mich niemand finden oder Hilfe holen können« hat in mir eine hohe Grundanspannung ausgelöst. Besonders schwierig war es am Abend, sobald es dunkel war. Für den Weg vom Wohnzimmer hoch in mein Zimmer habe ich manchmal über eine halbe Stunde gebraucht. Die Angst wurde mit jedem Schritt stärker. Es gab viele schlaflose Nächte, denn spätestens wenn ich in meinem Bett lag, schlich sich auch die Angst zu mir ins Bett. Es waren lange und anstrengende Wochen. Kräfte zerrend. Mit viel Hilflosigkeit und Verzweiflung.

Jetzt sitze ich in der Heimat bei meiner Familie in meinem Bett, denke (ein bisschen angsterfüllt) daran, dass in zwei Wochen mein nächster Lebensabschnitt beginnt und ich für mein Masterstudium in eine andere Stadt und erneut in eine WG ziehen werde. Und ich hoffe ganz doll, dass ich mich dort wohl fühlen werde…

Autor*in: Mutsammlerin

An ein Leben ohne Angst kann ich mich nicht erinnern. Aber ich kann davon träumen, die Angst aushalten und für meine Träume kämpfen.

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