Wir Menschen sind so gepolt, dass wir alles, was uns unangenehm erscheint, schnellstmöglich loswerden wollen. Bei Kopfschmerzen werfen wir eine Tablette ein, bei ständigem Streit mit dem Partner, trennen wir uns und wenn uns der Chef mehrfach doof kommt, wechseln wir wenn es hart auf hart kommt den Job. Daran ist auch erst einmal nichts verkehrt. Es zeugt ja eigentlich nur davon, dass wir ein angenehmes Leben möchten, dass wir es uns gut gehen lassen wollen. Nichts und niemand soll uns an unserem Glück hindern.

Es gibt allerdings auch eine Kehrseite an dieser Einstellung; Wenn wir alles Schlechte und Unschöne von uns wegdrücken, verlernen wir es, Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind. Wir streben ständig danach, alles nach unseren Bedürfnissen zu verbiegen, statt Situationen anzunehmen. Und das wird vor allem dann zum Problem, wenn es Lebenslagen gibt, die nicht von Jetzt auf Gleich verändert werden können. Wenn es um Prozesse geht, die einfach ihre Zeit brauchen. Arbeiten wir dann immer noch mit unserer bewährten Methode des Loswerdens, erleben wir nicht nur Frust, sondern Hemmung und Verschlechterung. Egal wie sehr wir uns anstrengen, das Schlechte loszuwerden, versagen wir doch daran.

Mir erging es vor zwei Jahren so, als meine psychische Gesundheit immer schlechter wurde und ich von einer Panikattacke in die nächste gerutscht bin. Jede Attacke wollte ich loswerden, sobald sie gekommen war. Bei jeder Meditation, die ich zur Beruhigung gehört habe, wollte ich eine Linderung spüren, gleich nachdem ich sie gestartet hatte. Ich dachte, ich müsste mich nur genug anstrengen, dann werde das schon wieder. Schließlich habe ich von meinem Ehrgeiz schon in vielen Lebenssituationen profitiert.

Ein paar Monate lang habe ich das so versucht. Besser wurde davon nichts. Im Gegenteil: die Panikattacken häuften sich und bald gab es fast gar nichts mehr, was mich noch beruhigen konnte. Es ging soweit, dass ich mich in eine Tagesklinik einwiesen lies, um meine generalisierte Angststörung in den Griff zu kriegen. Doch auch dort hielt ich an meiner „Schnell-Loswerden-Methode“ fest. Ich war nun in dieser Klinik, das war unangenehm, also wollte ich sie so schnell wie möglich wieder verlassen. Als ich nach zwei Wochen erfuhr, dass ich noch nicht gesund sei und noch nicht wieder normal arbeiten gehen könne, brach eine Welt für mich zusammen. Ich musste erfahren, dass ich nicht nur mit Anstrengung und gutem Willen gesund werden würde. Geduld sei der Schlüssel – Zeit. Von „schnell“ sprach niemand. Es war einer der dunkelsten Tage überhaupt für mich und gleichzeitig der Wendepunkt. Langsam, sehr sehr langsam, begann ich zu akzeptieren, dass ich mir Zeit geben muss, dass ich mich auf einem langem Weg befinde, der nicht schnurgerade und auf direktem Weg zum Ziel führt. Ebenso langsam verabschiedete ich mich von meinem selbsternannten maximalen Zeitlimit, das ich in der Klinik verbringen wollte. Ich nahm mir vor, den Tag der Entlassung nicht mehr so weit nach vorne zu schieben wie möglich, sondern ihn von meiner Gesundheit abhängig zu machen.
Nach unzähligen Gesprächen begann in meinem Kopf langsam ein Akzeptanzprozess. Meine Therapeutin sagte mir einmal, man spreche von „radikaler Akzeptanz“. Und ab diesem Moment begann auch der Genesungsprozess. Von dem Moment an, an dem ich begonnen hatte meine Krankheit zu akzeptieren und mir Zeit zu geben, ging es mir besser. Stetig wäre das falsche Wort, dafür gab es zu viele Aufs und Abs. Aber auf lange Sicht betrachtet – zwei Jahre danach – kann ich das so behaupten. Ich habe inzwischen erkannt, dass man manche Sachen nicht einfach aus seinem Leben verbannen kann wie man lustig ist. Manchen Dingen muss man sich stellen, sie akzeptieren und mit Zeit und Geduld versuchen zu heilen. Es hat sehr sehr lange gedauert, Akzeptanz in meinem Kopf zu erreichen, aber es hat sich gelohnt.

Wir müssen nicht immer gegen das Unangenehme ankämpfen. Manchmal ist es besser, es an die Hand zu nehmen und mit ihm gemeinsam ein Stück des Weges zu gehen. Wenn die Zeit gekommen ist, kann man sich in Frieden von einander verabschieden und ein Lebewohl hinterher rufen. Das ist gesünder als ein ständiger Kampf- und in jedem Fall kräftesparender.

Autor*in: kopfstark

Seit ich denken kann begleitet mich die Angst. Nicht so, wie sie jeden Menschen begleitet, sondern ständig und in den meisten Fällen unbegründet (objektiv betrachtet). Seit ich ein kleines Mädchen bin, habe ich Therapieerfahrung gesammelt und durch ständiges An-Mir-Selbst-Arbeiten viel über mich, das Leben und die Psyche gelernt. Hier möchte ich gerne etwas davon teilen.

in Zusammenarbeit mit:

Logo Schon mal an Selbsthilfegruppen gedacht?