Endlich… nach Monaten des herumtelefonierens, des Vertröstens und der Ungeduld ist es bald soweit. Mein Klinikaufenthalt steht vor der Tür.

Ambulant war es für mich recht schwierig meine therapeutischen Ziele anzugehen. Es fiel mir extrem schwer verhaltenstherapeutisch zu arbeiten wenn ich vom einen zum anderen Therapiegespräch auf mich alleine gestellt war. In meinen Verhaltensmustern gefangen und fast unfähig neue Gewohnheiten zu etablieren bin ich mir ziemlich sicher, dass ich im Rahmen einer stationären Therapie endlich an meinen Zielen arbeiten kann. Ich kann bei Schwierigkeiten die Pflege ansprechen die mich unterstützen kann und das jeden Tag und nicht nur einmal die Woche, wie es bei einer ambulanten Therapie wäre.

Abhängigkeiten lösen und mehr alleine machen

In meiner Selbsthilfegruppe ist mir aufgefallen bzw wurde mir gesagt wie unspezifisch dieses Ziel ist. Wir haben die SMART Methode ausprobiert. Und langsam aber sicher hat sich dann herauskristallisiert, dass das Ziel eigentlich ist mir selbst ein gutes Gefühl zu geben, sprich: Mir selbst genug sein.

Ich habe die Tendenz mich schnell von anderen Menschen abhängig zu machen wenn sie mir ein gutes Gefühl geben. Und dementsprechend fühle ich mich dann nach sozialen Interaktionen mit Menschen die mir ein gutes Gefühl geben vermehrt einsam und leer. Auch wenn ich länger keine sozialen Interaktionen mit solchen Menschen hatte. Wobei „länger“ eigentlich auch nur 2 Tage sein können.

Ich erinnere mich daran, dass ich schon immer gute Emotionen im Außen gesucht habe, sei es durch Musik, Film und Fernsehen, oder eben durch soziale Kontakte. An sich wohl nicht so schlimm, aber ich habe dann auch immer schnell die schlechten Emotionen die ausgelöst wurden, zum Beispiel durch schlechte Freunde in der Schulzeit, versucht wegzuschieben und mich auf das positive was sie in mir auslösen zu konzentrieren. Ich war irgendwann dann blind in der emotionalen Abhängigkeit gefangen.

Ich fühle Emotionen etwas stärker und so bin ich dann schnell in einem Emotionshigh. Freude wird schnell zu Euphorie, Schwärmerei wird ganz schnell zur wahrhaftigen Liebe, es werden direkt Zukunftsszenarien gesponnen, die perfekter nicht sein könnten. Aber es geht bei negativen Emotionen nur weiter (wobei es ja keine negativen Emotionen gibt, also meine ich sich negativ anfühlende Emotionen).

Enttäuschung wird ganz schnell zu tiefer Trauer. Abneigung wird zu Hass.

Aber mittlerweile schaffe ich es immer öfter meine Emotionen nicht immer in irgendein Extrem ausschweifen zu lassen.

Jetzt sollte der nächste Schritt sein mir auch selbst ein gutes Gefühl geben zu können. Ich will mich wenn ich alleine bin nicht immer leer und einsam fühlen.

Wie das gehen soll weiß ich ehrlich gesagt überhaupt nicht, aber dafür habe ich ja Therapeuten die sich mit mir zusammen einen Plan überlegen können.

Ernährung und Bewegung und gesunde Emotionsregulation

Da ich ja auch eine Tendenz habe meine Emotionen mit Essen zu regulieren, möchte ich endlich lernen andere Mechanismen zu entdecken, gesunde Mechanismen. Ich möchte einen bewussteren Umgang mit Essen erlernen und Bewegung in meinem Alltag integrieren.

Jedes mal wenn ich Spazieren gehe fühle ich mich danach gut, wenn ich Freunde mit dem Fahrrad besuche fühlt sich das auch gut an in Bewegung zu sein. Ich möchte mich öfter gut fühlen, Bewegung nicht mehr als unüberwindbares Hindernis betrachten, sondern als Werkzeug für ein besseres Körpergefühl und Wohlbefinden.

Tatsächlich freue ich mich auch auf die Bewegungstherapie, das habe ich schon immer getan als ich in diese Klinik gegangen bin.

Anfangs hatte ich extreme Angst dafür, Angst vor Bewertungen, Angst vor Trigger, die mich in meine Schulzeit zurückwerfen könnten.

Aber es hat sich nichts davon bestätigt. Ziel in der Bewegungstherapie ist es wie es der Name schon sagt in Bewegung zu kommen, Spaß an der Bewegung zu haben. Es wird nicht bewertet und es wird sich auch nicht gemessen, jeder macht das was er kann und soviel wie er kann.

Hätte man das mal so in der Schule beigebracht bekommen, hätte ich meinen Notendurchschnitt wohl nicht so runter gerissen weil ich mich geweigert habe am Sportunterricht teilzunehmen.

Aber es gibt auch eine Laufgruppe die morgens vor den Morgenrunden startet. (Falls das alles noch so ist wegen Corona).

Da ich auch Bluthochdruck habe und ich das Risiko für Herzrhythmusstörungen habe muss ich sowieso Cardio-Sport machen. Da wäre es doch die perfekte Gelegenheit anzufangen. Ich habe keine Ausreden mehr. Ich habe jetzt Einlagen und mein Bein tut nicht mehr weh, ich habe extra neue bestellt für die Klinik, damit ich direkt durchstarten kann.

Ich will mir irgendwann nicht die Schuld geben müssen krank geworden zu sein, weil ich nur ungesundes Essen in mich rein gestopft habe und mich nie bewegt habe.

Natürlich muss ich auch hier schauen, das ich einen gesunden Umgang mit dem Sport entwickle, Sport als Werkzeug sehe gesund zu werden und es zu bleiben und nicht in eine Sportsucht rein rutsche weil ich damit abnehmen kann.

Es gibt bestimmt einige die das eventuell lesen würden und direkt ihre Stimme erheben und sich fragen warum ich dafür eine Klinik brauche? Es würden einige bestimmt sagen, mach doch einfach Sport, du musst dich einfach durchbeißen, Willensstärke zeigen.

Da kommen wir aber direkt zu einem nächsten Ziel das ich habe.

„Nicht nur wollen – auch machen“

Der Spruch kann vielleicht passiv aggressiv ausgelegt oder verstanden werden. Den Spruch habe ich als Kind leider auch zur genüge gehört. Das hat direkt demotiviert.

Es wird in manchen Bubbles von Träumern und Machern unterschieden. Und ich würde sagen ich gehöre in die Kategorie der Träumer (auch wenn sich zu labeln mega kacke ist). Ich träume gerne, ich habe viele Interessen, Wünsche und Träume. Ich bin aber nicht nur Träumer und kein Macher weil ich keine Disziplin oder Willensstärke habe, wie es von solchen Menschen leider oft vermittelt wird.

Ich habe nur das Problem meine Kapazitäten und Ressourcen in das informieren und planen und ins umsetzen zu stecken.

Habe ich eine Idee dann kann es passieren, dass ich mich wochenlang über ein bestimmtes Thema informiere, mir alles überlege wie ich es umsetzen könnte. Nur dann wenn ich es umsetzen könnte habe ich all meine Energie schon verbraten, es ist tatsächlich einfach nichts mehr übrig um ins machen zu kommen.

Klar gibt es Momente da setze ich Ideen um, aber das sind dann nur impulsive Schübe, die ich manchmal habe

Um nochmal die SMART Methode anzureißen (S – Spezifisch): Ressourcenmanagement.

Ich will lernen ob jetzt stationär oder im Laufe meiner anschließenden ambulanten Therapie meine Ressourcen so zu nutzen, dass ich mich informieren und einiges planen kann und dann den Rest der Energie nutze um die Dinge auszuprobieren. Ich benutze gezielt das Wort ausprobieren, weil ich mir keinen unnötigen Druck machen will wenn ich sage ich muss die Sachen machen – selbst ein Macher werden? Nein! Ich probiere aus und schaue was sich gut anfühlt und integrieren lässt. Ich werde Ausprobierer, auch wenn das Wort alleine schon komische klingt.

Hobbies und Freizeit

Und mein Dauerbrennerziel: Tagesstruktur... Ich weiß nicht wie oft ich schon versucht habe an meiner Tagesstruktur zu arbeiten, ich habe es bisher nicht geschafft meine Tagesstruktur so zu gestalten, das ich zufrieden bin und nicht „nur“ im Bett liege und Serie schaue. Vermutlich ist es eng verknüpft mit meinem oberen Ziel. Ich habe es bisher nicht geschafft mir aktive Hobbies zu suchen. Ich schaue anderen auf Youtube zu wie sie ihren Hobbies nachgehen und freue mich mit ihnen. Ich weiß nicht ob das auch wieder was mit dem Thema Emotionen von außen holen zu tun hat.

Ich meine wir gehen ja unseren Hobbies nach weil sie uns ein gutes Gefühl geben, vielleicht weil wir gut in etwas sind, oder es einfach nur Spaß macht. Also sauge ich mir die positiven Emotionen die andere beim Ausüben ihres Hobbies haben aus dem Fernseher anstatt selbst was zu finden das mir Spaß macht. Das mir ein gutes Gefühl gibt. Ich habe das Gefühl hier fließen irgendwie alle Themen zusammen.

Aber was vor allem hier eine große Rolle spielt, Perfektionismus. Ich kann das Wort schon gar nicht mehr hören und die Leute die es als Stärke beschreiben haben nicht mehr alle Tassen im Schrank, ganz ehrlich, es ist nichts toll daran alles Perfekt machen zu wollen, wohl wissend das es kein Perfekt gibt. Wir rennen einem Zustand hinterher der nicht erreicht werden kann, weil es ihn schlichtweg nicht gibt.

Warum genügt es uns nicht Dinge einfach nur zu machen, auch wenn es schlecht ist? Die Frage sollte eigentlich immer lauten: „Macht es dir Spaß?“ und nicht wie gut bist du darin, oder wenn dann noch Leute ankommen die sich messen wollen weil sie zeigen wollen wie viel besser sie sind. Die können gleich wieder gehen.

Man merkt vielleicht wie dezent wütend mich das macht. Ich bin in einer Perfektionsschleife gefangen wegen der Angst zu scheitern. Diese Angst macht es mir manchmal unmöglich Dinge auszuprobieren die mein Hobby werden könnten. Und wenn ich es mal geschafft habe etwas auszuprobieren, was leider viel zu selten passiert, dann scheitert es direkt an meiner Ungeduld etwas zu erlernen. Ich würde es am liebsten schon direkt können.

Rein rational weiß ich das das dumm klingt, es macht hinten und vorne keinen Sinn. Wie soll man etwas können wenn man es nicht erlernt hat?

Wir haben ewig gebraucht um Laufen zu lernen, wie oft sind wir gefallen? Wahrscheinlich kann man das kaum zählen. Aber wir sind wieder aufgestanden immer und immer wieder bis wir sicher stehen und Laufen konnten. Das ging auch nicht von jetzt auf gleich, das war ein Prozess, wie alles das wir Lernen ein Prozess ist.

Klar es gibt auch Dinge die lernt man ewig und man schafft es einfach nicht, aber man muss ja auch nicht alles können. Da sind aber leider wieder viele Menschen in dem Gefühl gefangen gescheitert zu sein. Aber eigentlich wäre man ja nur gescheitert, wenn man es aus der Angst zu scheitern nie probiert hätte.

Auch wenn ich all das rein rational weiß fällt es mir unglaublich schwer mich von der Gegenseitigen „Meinung“ meinen Glaubenssätzen zu lösen.

Ich merke gerade wie anstrengend die kommende Therapie werden kann. Und die DBT habe ich noch gar nicht angesprochen.

Aber ich freue mich darauf, 5 Monate habe ich in der Klinik fast wöchentlich angerufen, gefragt ob sie mich früher aufnehmen können, habe mich Vertrösten lassen weil die leitende Psychologin krank war. Aber jetzt, kann es losgehen.

Ich bin bereit, ich habe geplant und diesmal so das noch Energie für die Therapie bleibt.

Also, es wird spannend.

Autor*in: Blue

Das wird ein Kampf, ein Kampf um meine Gesundheit, ein Kampf um eine glückliche Zukunft und ein zufriedenes Leben. Diesen Kampf kämpfe ich gerne... zumindest die meiste Zeit.

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