Wenn Worte dich nachhaltig zerstören

Damals in der Schulzeit war ich noch recht klein und hatte einen kleinen Bauch und habe mir einiges anhören müssen. Abgesehen von meinem Gewicht gab es noch andere Punkte die als Angrifsfläche genutzt wurden. Das meiste konnte ich als negative Grundannahmen und Glaubenssätze ablegen, aber meine Selbstwahrnehmung und der Bezug zum Essen und meinem Gewicht wurde nachhaltig gestört.

Bis zur 10. Klasse habe ich einen Sprung nach oben gemacht, mein Bauch war verschwunden und ich war ziemlich schlank. Dennoch konnte ich das Gefühl nicht loswerden zu dick zu sein. In der Öffentlichkeit habe ich nie gegessen. Was könnten die Leute denken? „Der Dicke Junge muss jetzt noch ein Eis essen?, kein Wunder warum er durch die Gegend rollt“, nur mal um einen meiner Gedanken die sich immer und immer wieder eingeschlichen haben zu reproduzieren.

Wegen meinem Gewicht wurde dann von Seitens der Mobber nichts mehr gesagt. Aber dann kamen Sprüche meiner „Freunde“. „Du hast bestimmt Magersucht du isst ja nie“, kam es mal von meiner besten Freundin. „Ich esse doch, nur eben nicht in der Öffentlichkeit“, wiederholte ich jedes mal. Irgendwann kam sie mit dem Spitznamen „Nicki Anorexia“. Anfangs rebellierte ich und wollte das sie damit aufhört, aber irgendwann habe ich sie einfach sagen lassen und so getan als würde es mich nicht kümmern. Das Ende vom Lied war aber das ich nicht zugenommen habe, mein Gewicht hielt sich recht stabil.

In meiner Ausbildung hieß es dann auch hier und da ich sei ziemlich dünn. Aber das hat mir nichts ausgemacht, ziemlich dünn heißt ja nicht „Magersüchtig“ oder „Fett“. „Ich habe es geschafft“, war oft mein Gedanke. Hier und da gingen wieder ein paar Kilos drauf aber die verlor ich auch wieder und ich hatte einige Zeit kein Problem mehr was meinen Körper anging.

Vollstopfen und Hungern

Als ich dann irgendwann Therapie wegen anderen Themen begonnen habe und meine Symptomatiken sich verschlechtert haben hat sich auch gleichzeitig wieder meine Beziehung zum Essen verändert, es fungierte fast ausschließlich als kompensatorisches Hilfsmittel. Vorallem nach einem Erlebnis das mich das erste mal in die Klinik gebracht hat, hat sich auch meine Beziehung zu meinem Körper verändert und die Kompensation nahm zu. Irgendwie hat sich das Vollstopfen und runterschlucken von Gefühlen und Gedanken als fester Bestandteil meines Lebens etabliert. Der Schleier war gelüftet und unter der Last wurde ich regelrecht erdrückt. Hier und da Löschtherapie. Hier und da sprießen immer mehr Probleme aus dem Boden.

Zusätzlich mit einem Medikament und meinem Essverhalten stapelten sich die Kilos und innerhalb von einigen Monaten habe ich 20kg zugenommen. Spuren hat es auch hinterlassen. Vom Rand meiner Brust bis auf den Oberarm sind große Dehnungsstreifen zu sehen, die mich jeden Tag daran erinnern und triggern, das ich mein Essverhalten nicht im Griff habe. Jedes mal wenn ich sie sehe, fühle ich mich dicker als ich eigentlich bin.

Langsam schlich sich auch das Hungern ein. Anfangs das Frühstück ausgelassen und nach 20 Uhr nichts mehr gegessen. Am besten so wenig wie möglich bewegen das der Körper nicht merkt das er keine Energie hat. Aber dann haben sich wieder Hungerattacken eingeschlichen. Ich habe alles was ich nicht gegessen habe wieder reingeholt. Es war ein Ballwechsel zwischen dem Hungern und dem Vollstopfen.

Die Waage spielte immer eine größere Rolle in meinem Leben, es fing damit an das ich mir erstmal eine „richtige Waage“ die alles im Körper gewichten kann kaufte. Knochenmasse, Körperfettrate, Muskeln, Fett unter der Haut, … . Alles wurde in einer App gespeichert damit man seinen Verlauf dokumentieren konnte. Der BMI (die dümmste und *** Formel die ich in meinem Leben gesehen habe) zeigt mir die Zahl an und das Wort daneben -> Fett.

Was soll ich dazu noch großartig sagen… Mein Essverhalten hat das nicht gerade positiv beinflusst, entweder ich habe nichts gegessen um noch ein paar Gramm loszuwerden, oder aus Frust habe ich mich wieder vollgestopft. Es hat kaum ein Ende genommen.

Autor*in: Blue

Das wird ein Kampf, ein Kampf um meine Gesundheit, ein Kampf um eine glückliche Zukunft und ein zufriedenes Leben. Diesen Kampf kämpfe ich gerne... zumindest die meiste Zeit.

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