Ich durchlebe momentan (mal wieder) eine depressive Episode und möchte mich eigentlich nur zuhause verkriechen, aber ich sagte zu mir ich will mal wieder rauskommen. Ich traf mich mit ein paar Freunden um Samstag abends auszugehen. Meine Stimmung war nicht die Beste, aber ich hielt durch. Zu meiner großen Überraschung kam eine langjährige Freundin, die ich lange nicht gesehen hatte, an diesem Abend auch in den Club, in dem wir waren. ich freute mich riesig, denn für gewöhnlich sind wir im Doppelpack ein perfektes Team.
Sie war in totaler Partystimmung, nicht mal 10 Pferde hätten sie von der Tanzfläche runterholen können.
Ich dagegen war am diesem abend eher ein Zuschauer am Rand. Eine Rolle in der ich mich nicht wiedererkannte und auch nicht wirklich mag.
Ich sah wie meine Freundin, hier und da rumhopste, mit Leuten quatschte und flirtete und das ganze langsam ein extatisches Ausmaß annahm.
In meinem Kopf tobte der innere Konflikt: „die anderen übertreiben maßlos, fast schon peinlich“ und: „guck, so kannst du gerade nicht sein, du bist ein depressiver Haufen Scheisse in einem Club voller gutgelaunter Menschen“.
Ich war so neidisch auf die gute Laune die sie ausstrahlten und verlor mich mit meinen Gedanken mehr und mehr in dem giftigen Abgrund, in den einen der Neid zieht. Das ging soweit, dass ich mich, als ich mal eine rauchen ging, nicht mal bei den anderen von meiner Gruppe bemerkbar machte, die auch grade im Raucherbereich waren. Ich isolierte mich und machte mich weiter gedanklich fertig.
Der Abend wurde später und später und ich sah bereits zum dritten mal in die Bahn App um den Heimweg zu planen, welchen ich schlussendlich dann auch antrat.
Zwei Tage später ließ ich den Abend revue passieren und dann fiel der Groschen und ich bemerkte wie idiotisch ich mich verhalten hatte. Ich bin dem Neid völlig verfallen und erwartete außerdem von mir selbst in Hochstimmung zu sein anstatt verständnisvoll mit mir selbst zu sein. Zu bemerken, dass es schon allein eine Leistung war, meine Komfortzone zu verlassen und überhaupt wegzugehen.
Jeder mit Depression kann den Struggle gut nachvollziehen, denke ich.
UND, und das ist das allerwichtigste an meiner Erzählung, ich sah nicht auf WAS ich neidisch war. Erst im nachinein. Und das ist die vertrakte Sache mit dem Neid, wir sehen etwas, oberflächlich, und wollen es haben aber verschwenden im ersten Moment keinen Gedanken daran, was vielleicht hinter dem ganzen steckt. Ich erfuhr von meiner Freundin, dass sie gerade einiges durchmacht, den Job verliert, den Führerschein und einiges mehr und in größter Sorge darum ist, wie es weitergehen soll. Und alles was ihr gerade noch geblieben ist, ist nunmal beim Feiern die Sau rauszulassen und sich ein bisschen feiern zu lassen. Ich sah an diesem Abend nicht die Not und das Leid, die hinter diesen ganzen Fassade stecken.
Wer die How i met your mother Folge mit den Woo- Girls kennt, weiß noch besser wovon ich hier rede.
Ich sprach den Abend, mein Verhalten und meine Gefühle und Beobachtungen mit meiner Freundin durch, auch die ekelhaften Gedanken, die ich hatte. Sie verstand es und bestätigte mir, dass sie es genauso sehe und es ihr in meiner Rolle nicht anders gehen würde. Andersherum habe ich mich schließlich auch schon in ihrer Rolle wiedergefunden.
Mein Fazit, das ich aus dem ganzen ziehe, ist zum einen natürlich, dass offene Kommunikation das a und o ist, aber vor Allem, dass man immer abwägen sollte ob Neid angebracht ist und genau darüber nachzudenken WORAUF man gerade neidisch ist und sich dessen bewusst sein, dass meist viel mehr unter der Oberfläche liegt, als man im ersten Moment zu sehen vermag. Man kann sich auch selbst fragen WARUM man gerade eigntlich neidisch ist. Klar, die Antwort schießt gleich jedem durch den Kopf, aber ich meine tiefer zu graben, was ist es, das man an sich selbst gerade vermisst und wo jemand anderes einem ungewollt nur einen Spiegel hochhält.

Autor*in: Phönix

So, ich wurde erneut darum gebeten endlich was in meine Bio zu schreiben und das ist gleich ein gutes Paradebeispiel um meinen prokrastiniernden Charakter vorszustellen. Ich bin weiblich, 95er Jahrgang, verpeilt, humoristisch, gesellschaftskritisch, selbstironisch, chronisch depressiv und einiges mehr. Ich habe keine coole Ausbildung im Selbsthilfe oder Psychologie Bereich, dafür einen sehr verdrehten Kopf, der genug Stoff liefert um meine Krisen in hoffentlich verwertbare Beiträge zu verpacken damit andere eventuell etwas damit anfangen oder gar daraus lernen können. (man muss nicht alle Fehler selbst machen lol).

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