Es gibt diese Momente, wo ich mich als Mensch mit chronischer Erkrankung frage, warum mache ich das eigentlich? Warum kämpfe ich, wenn die Systeme in Deutschland Betroffenen das Leben noch schwerer machen? Unverhältnismäßig schwer.

Chronisch krank bedeutet in meinem Fall, tagtäglich mit der Erkrankung und Einschränkung auseinandergesetzt zu sein. Dies elegant in das Leben zu integrieren und das Beste draus machen. Es bedeutet aber auch, dass ich gesundheitsbedingt immer wieder ausfalle – mal mehr, mal weniger. Die Gesetze erlebe ich deswegen mittlerweile in vielen Bereichen als nicht-behindertenkonform.
Ein aktuelles Beispiel, welches mir mein Leben erschwert: Lohnfortzahlung und Krankengeld.

Ich darf – ebenso wie ein gesunder Mensch – nur 6 Wochen in 12 Monaten auf meine Diagnose krankgeschrieben sein. Wenn ich mich penibel krankgeschreiben lasse und eine nicht ganz so gute Phase habe, habe ich diese 6 Wochen in maximal 4 Monaten voll. Die weiteren 8 Monate falle ich dann permanent ins Krankengeld. Hört sich erstmal nicht so schlimm an, aber wenn man bedenkt, dass ich häufig 1 bis 3 Tage krank bin – und das mehrmals im Monat, wenns mies läuft – , kann man sich vorstellen wie viel Aufwand dahinter steht: Doppelt so viele Artzbesuch, da ich nicht nur eine AU brauche, sondern auch eine Abschlussbescheinigung fürs Krankengeld. Bei jeder kurzen Krankheit einen Krankengeldantrag stellen und ein riesen hin und her mit den Geldzahlungen.
Im festen Angestelltenverhältnis habe ich mir darum tatsächlich keine Gedanken gemacht, aber nun im Arbeitslosengeld wo das Amt für jeden Pups eine AU möchte.. Chaos pur. Noch mehr Chaos als sowieso. Und niemand hilft mir in diesem Chaos, niemand unterstützt mich, niemand berät mich, niemand kann mir aufgrund der Gesetzgebung entgegen kommen. Kurz gesagt: Aus gut integrierter chronischer Erkrankung wird Stress gepaart mit Unsicherheit und Überforderung.

Genau das löst die Momente aus, wo ich mich fragen, warum ich das eigentlich mache. Warum ich kämpfe. Warum ich studiere. Warum ich arbeiten möchte. Warum ich überhaupt meine Erkrankungen in mein Leben integriere und das Beste draus macht. Wenn das System einem immer wieder ohrfeigt und zeigt, „du bist zu schlecht für die Arbeitswelt“, „du bist zu krank für das Arbeitsleben“, „du passt nicht ins System, kapier das endlich!“.
(Chancen-)Gleichheit in Deutschland erlebe ich nur in einem System: dem Hochschulsystem. In allen anderen Bereichen sind chronische Erkrankungen und damit verbundene Hürden unzureichend bis gar nicht bedacht.
Es fehlt an Erleichterungen bzw. Anpassungen für Menschen mit chronischer Erkrankung/Behinderung. Meiner Empfindung nach, ist daher allein die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland in vielen Bereichen mangelhaft bis kaum vorhanden.

Kleiner Lesetipp für Neugierige: In der UN-BRK gibt viele in interessante Inhalte, recht übersichtlich in die entsprechenden Bereiche strukturiert. Vllt ist es für den ein oder anderen spannend das „Soll“ bzw. die Wunschvorstellung mal durchzulesen?

Autor*in: Dickdarmlos

Tabus sind ein Teil unserer Gesellschaft. Verdauungsorgane, insbesondere der Darm, und die Menstruation sind immer noch Tabuthemen. Es gilt als ekelig oder unrein. Man möchte nicht darüber sprechen und erstrecht nichts darüber hören. Doch was ist, wenn du mit einer Genmutation auf die Welt kommst, der Darm früher oder später in den Mittelpunkt deines Lebens rückt, und das Leben dir obendrauf noch eine gynäkologische Erkrankung schenkt? Hier beim Lebensmutig Blog berichte ich über mein Leben mit Familiärer Adenomatöser Polyposis (FAP), Endometriose und den psychischen Folgen.

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