Wir haben gerade 18.30 Uhr und ich habe heute erstaunliche 300 Schritte gemacht. Das ist jetzt der zweite Tag in Folge in dem es mir extrem schwer fällt irgendwas zu tun.

Ich hatte vor der Entlassung extreme Angst davor in alte Muster zu verfallen, wie zum Beispiel den ganzen Tag nur im Bett zu liegen und nichts zu machen. Die ersten Beiden Wochen schien das ziemlich gut zu funktionieren. In der ersten Woche habe ich viel erledigen können, allerdings war mein Tag um 10 Uhr bereits beendet und ich hatte keine To Dos mehr. In der zweiten Woche habe ich es dann geschafft den ganzen Tag beschäftigt zu sein. Ich habe mich mit anderen getroffen und konnte so mehrere Stunden Zeit sinnvoll nutzen. Und jetzt bin ich seit gestern an dem Punkt an dem es mir unfassbar schwerfällt irgendwas zu tun.

Ich bin zur Zeit ziemlich früh wach, so gegen 6h trinke ich bereits meinen ersten Kaffee wenn ich es geschafft habe aus meinem Bett aufzustehen und einer gewissen Unterhaltungsplattform den Rücken zu kehren, auch wenn es nur für 1h ist.

Dann schaffe ich es noch irgendwas am Laptop zu bearbeiten und dann wird es auch schon langsam schwierig irgendwelche Beschäftigungen zu finden. Heute war es wieder an der Zeit Geschirr zu spülen und gekocht habe ich auch, ich meine ich mache ja nie wirklich gar nichts. Aber das war es dann auch.

Dann sitze ich vielleicht noch 1-2 Stunden dumm in der Gegend rum und dann verirre ich mich doch irgendwann gegen 13 Uhr wieder in mein Bett, ich will ja nur irgendwas auf dem Fernseher schauen und auf dem Handy oder Laptop ist das nicht so gemütlich, versteht sich ja von selbst.

Aber was passiert dann nichtmal eine Stunde später? Ich schlafe! Da bin ich also wieder. Komplett unfähig mich mit mir selbst zu beschäftigen, in der Wohnung vor Allem noch schwieriger. Spazieren gehen? zum 1000 mal? Auch nicht gerade attraktiv wenn ihr mich fragt. Aber was mache ich dann?

Die Frage habe ich mir tatsächlich auch schon vor der Entlassung gestellt. Ich habe sogar zusammen mit der Psychologie Praktikantin eine Liste geschrieben von Aktivitäten die ich machen möchte. Ich wollte eine Liste schreiben und daraus kleine Zettel schneiden und diese in ein Gefäß aus dem ich dann einfach welche ziehen könnte um spontan irgendwelche Dinge zu machen.

Was meint ihr? Wie oft habe ich die Liste angeschaut seit ich entlassen wurde? 1 mal? oder vielleicht doch öfter? Kein einziges mal? Richtig geraten, sie gammelt einfach so auf meinem Laptop vor sich hin und fragt sich ob sie sich langsam zu den Dateien legen darf die erstellt wurden und die keinerlei Aufmerksamkeit mehr bekommen.

Ich könnte die Liste ja jetzt einfach öffnen und schauen was drauf steht und dann irgendwas davon machen, oder nicht? Was mache ich stattdessen? Ich schreibe einen Beitrag darüber und beschwere mich mal wieder das ich nichts tue. Irgendwie ironisch, aber tatsächlich muss ich das erstmal so runter schreiben, ich habe noch kein starkes schlechtes Gefühl deswegen und ich brauche ja schließlich Motivation irgendwas zu machen und was kann besser sein als andere mit ins Boot zu holen und ihnen zu sagen was ich vor habe?

Dann mal los

Schauen wir uns mal meine Liste an, was finden wir denn da für schöne Sachen?

Musik hören, Spazieren und Laufen gehen fällt für heute erstmal weg, ich meine Musik höre ich den ganzen Tag wenn ich mal nicht Podcast höre, Spazieren klingt auch nicht mehr so attraktiv wie es am Anfang mal war, ich meine der Fahrradweg ist bestimmt nicht seit gestern so viel interessanter geworden. Was Laufen angeht, dafür ist es mir tatsächlich zu warm um diese Uhrzeit das mache ich dann morgens immer.

Eine Mini Radtour? Dann müsste ich erstmal meine Reifen aufpumpen und da müsste ich erstmal meine Luftpumpe suchen. Meditation oder Bodyscan, dafür habe ich gerade keinen Kopf, ich bin immer noch so matschig von meinem 4 stündigen Powernap…. Selbsthilfegruppe ist erst wieder nächste Woche.

Blogbeitrag schreiben, Hey das mache ich ja gerade, super dann mache ich ja was dann danke das ich ihr meinen Beitrag gelesen habt, ich bin dann fertig. Tschau.

Hah, Sarkasmus, ich liebe es.

Ein Buch schreiben? … Hmm. Da bräuchte ich ja erstmal eine Idee, next!

 

Okai, ich gebe zu ich habe schon am Anfang einen Punkt gesehen der realistisch ist umzusetzen, aber ich musste doch erstmal ein paar Punkte aufzählen um die perfekten Ausreden auszupacken. Dann klingt es noch besser wenn ich endlich was gefunden habe das ich machen kann :D.

Also ein Wald Spaziergang soll es werden. Ich war schon lange nicht mehr im Wald, also klingt das nach einer guten Idee, besser als der stupide 3km gerade Fahrradweg den ich immer zum Spazieren nutze weil er direkt hinterm Haus liegt.

Ich habe das Gefühl ich tue mir immer etwas schwer den attraktiven Aspekt einer jeden Beschäftigung zu finden. Es klingt alles erstmal ziemlich anstrengend und ich bin dann schnell in dem Modus in dem ich aufgebe. Aber wenn ich mir dann etwas länger Zeit nehme und mir die Ideen anschaue dann klingen manche von ihnen ja gar nicht so schrecklich anstrengend.

Lange Rede gar kein Sinn. Ich habe immer den Anspruch an mich etwas „super wertvolles für die Leser“ reinzuquetschen, aber tatsächlich finde ich nicht gerade super motivierende oder inspirierende Worte für all die die sich mit diesem Zustand identifizieren können. Ich bin gerade noch selbst dabei das herauszufinden und wünschte ich hätte selbst jemanden der mir ein Rezept herbei zaubert das nur minimal im Bestfall natürlich gar nicht angepasst werden muss damit es funktioniert.

Autor*in: Blue

Das wird ein Kampf, ein Kampf um meine Gesundheit, ein Kampf um eine glückliche Zukunft und ein zufriedenes Leben. Diesen Kampf kämpfe ich gerne... zumindest die meiste Zeit.

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