Psychotherapie ist Arbeit. Nicht nur in den Sitzungen, sondern auch darüber hinaus. Doch wie viel Zeit und Raum sollte sie einnehmen? Und wie sehr muss sich der Alltag daran anpassen?

Wenn ich an Psychotherapie denke, habe ich im Kopf, einmal die Woche für 50 Minuten bei meiner Therapeutin in der Praxis zu sitzen. Im besten Fall jede Woche zur gleichen Zeit. Wenn ich mal im Urlaub bin oder berufliche Termine habe, kann ich frühzeitig Bescheid sagen und alles ist gut. Auf meiner letzten Therapieplatzsuche habe ich allerdings festgestellt, dass das nicht immer so ist.

Organisatorische Herausforderungen auf dem Weg zur Psychotherapie

Mehrere Stunden saß ich daran, mir eine Übersicht zusammenzustellen mit all den Therapeut*innen in meiner Stadt, die im Internet mit Kontaktdaten zu finden waren. Neben dem Arbeitsalltag passende Zeitfenster zu finden, die mit den Sprechstundenzeiten der Therapeut*innen vereinbar sind, war echt eine organisatorische Herausforderung! Überall andere Wochentage, andere Uhrzeiten, andere Vorgehensweisen. All die Absagen, Nicht-Erreichbarkeiten und dauerhaften Besetzt-Zeichen. Als ich dann einen Therapeuten erreicht habe, der zwar keine Kapazität für Einzeltherapie hatte, aber für Gruppentherapie, ließ ich mich spontan auf ein Vorgespräch ein.

Das Vorgespräch sollte zeigen, ob Gruppentherapie etwas für mich ist oder nicht. Ich habe bisher noch keine Erfahrungen mit dieser Therapieform gesammelt und war deshalb gespannt, was mir der Therapeut über die Abläufe und Vorgehensweisen erzählen wird. Ich habe mich schon auch gefragt, ob Gruppentherapie überhaupt richtig für mich sein kann. Der Gedanke fühlt sich irgendwie etwas egoistisch an, aber die große Frage für mich war: Kann ich genug davon profitieren? Würde ich es schaffen, mich in einer Gruppe aktiv einzubringen? Bezweifle ich ehrlich gesagt momentan.

Doch das war gar nicht der ausschlaggebende Punkt für mich, es nicht einmal auszuprobieren. Je mehr der Therapeut über die Struktur der Gruppe erzählt hat, desto mehr habe ich gemerkt, dass sich eine Abneigung in mir auftut. Die Gruppe trifft sich zwei Mal in der Woche ab 16 Uhr. Um diese Uhrzeit bin ich noch bei der Arbeit. Wie soll man das bei einem Vollzeitjob schaffen? Für jedes Fehlen, auch wenn es angekündigt ist, muss man zahlen. Ich kann verstehen, dass es bei einer Gruppentherapie wichtig ist, dass möglichst immer alle da sind und dass man über Kosten Verbindlichkeit schaffen kann. Aber auch da frage ich mich: Wie soll das möglich sein? Ich bin zum Beispiel momentan für vier Wochen beruflich bei einer Schulung und müsste dann für 8 Mal ein Ausfallhonorar zahlen. Wie soll man sich das leisten?!

Urlaubsplanung nach dem Psychotherapeuten

Am Anfang des Jahres würde der Therapeut immer eine Liste mit seinen Urlaubszeiten austeilen. Man könne seinen Urlaub dann ja danach richten, so der Therapeut. Na klar, weil man auch immer einfach selbst bestimmen kann, wann man gerne Urlaub hätte. Weil man das auch nicht mit den Kolleg*innen abstimmen muss. Und auch die Menschen, mit denen man den Urlaub gemeinsam verbringen möchte, können schließlich nicht zu jeder Zeit flexibel Urlaub nehmen, sondern sind wiederum an deren Kolleg*innen gebunden. Auch an diesem Punkt dachte ich mir wieder: Das ist für mich echt nicht umsetzbar!

Für mich hat sich dann auch die Frage gestellt, wie viel Raum die Psychotherapie überhaupt einnehmen sollte. Wie sehr sollte ich meinen Alltag daran anpassen müssen? Und wie viel will ich meinen Alltag überhaupt daran anpassen?

In der Form passte es für mich auf jeden Fall nicht. Das wurde mir in Gesprächen mit Bekannten danach klar. In meiner aktuellen Situation ist es wichtig, dass sich die Therapie in den Alltag integrieren lässt und nicht andersherum. Schließlich geht es für mich darum, im Alltag besser mit den Ängsten zurechtzukommen. Und dafür braucht es den Alltag. Natürlich nimmt die Psychotherapie Raum im Alltag ein – auch über die 50 Minuten bei meiner Therapeutin hinaus. Aber ich habe trotzdem die Freiheit, meinen Alltag zu gestalten.

Autor*in: Mutsammlerin

An ein Leben ohne Angst kann ich mich nicht erinnern. Aber ich kann davon träumen, die Angst aushalten und für meine Träume kämpfen.

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