„Im Zweiten Teil dieses Textes werden Homophobie und Morddrohungen thematisiert. Wenn diese Themen schwierig für dich sind lasse den letzten Teil dieses Beitrags aus oder lese gerne einen anderen.“

 

einmal Träumer – immer Träumer

Ich war schon immer ein Träumer, als Kind schon konnte ich mich sehr gut in andere Welten träumen, in Welten, in denen alles möglich war. In Welten, in denen alles gut wird und in denen es kein Leid gibt.

Als Kind wollte ich unbedingt Zauberer werden. Ohne großen Aufwand meinen Zauberstab zücken und Probleme im Nichts verschwinden lassen. Selbstbewusst und mutig sein.

Irgendwann wurde ich dann älter und man könnte glauben, meine Wünsche wären realistischer geworden, wurden sie aber nicht. Ich musste mich leider immer noch in die Welt der Filme flüchten. Vor dem Mobbing in der Schule und den Problemen zuhause davonlaufen. Mich in einer Welt verlieren, in der alles möglich war.

Eine Welt, in der Kreaturen zuhause waren, die es in dieser Welt nicht gibt. Vampire, Werwölfe und Hexen. Eine Welt, in der alles seinen Sinn und logische Erklärung hatte.

In der Magie gibt es immer ein Schlupfloch”, das bedeutet, gab es Probleme, konnten diese immer beseitigt werden.

Ich wollte damals immer ein Vampir sein, ewig Leben und unverwundbar sein. Wenn ich dann eines Tages sterben würde, gab es einen Ort, an den ich kommen würde. Nicht nur einen, viele Orte, eine Erklärung, was nach dem Tod passiert. Eine Erklärung, die es nur in Filmen geben kann, ein tröstlicher Traum für mich, da ich alleine bei der Vorstellung nicht mehr zu sein emotional verenden würde.

 

Ich würde sagen, ich bin heute noch ein großer Träumer, Schauspieler, Sänger, Autor. Mit Kunst und das alles ist für mich Kunst, meine Geschichten zu erzählen und in Rollen zu schlüpfen. Mich kennenlernen oder ganz neue Geschichten erschaffen. In dieser Welt der Kunst ist alles möglich.

Aber meine Ängste stehen mir zu sehr im Weg, um irgendwas davon anzugehen. Klar, man könnte sagen, ich bin bereits Autor, da ich an diesem Blog schreibe, aber das ist nicht das Ziel, das ich vor Augen habe/hatte, wenn ich darüber nachdenke.

Oft stehe ich auf meinem Balkon und stelle mir meine Zukunft vor, natürlich sah sie in den letzten Jahren immer ein wenig anders aus, aber mir vorzustellen, wie mein Leben verlaufen könnte, wenn ich einen von mir geplanten Weg gehe, ist einfach unbeschreiblich.

Ich sehe mich mittlerweile – auch wenn es mehr als illusorisch klingt, vielleicht auch arrogant – auf einer Bühne, wie ich einen Preis annehme, für meine Arbeit, die ich geleistet habe. Sehe mich im Fernseher in einem Film oder einer Serie mitspielen.

Ich komme mir dumm vor, wenn ich das so aufschreibe, wissend das andere das lesen werden und vielleicht urteilen könnten was ich mir so vorstelle. Als würde ich spinnen, solche unrealistischen Vorstellungen vom Leben zu haben.

Ich fühle mich schlecht bei der Vorstellung, dass ich mir für immer mit meiner Angst im Weg stehe, vor allem der Angst, was andere von mich denken könnten.

Aber ich weiß, dass genau solche Vorstellungen mich eigentlich immer begleiten, eine Rolle zu spielen, gehörte jahrelang zum Überleben dazu. Habe mich fast schon darin verloren, eine Identität aufzubauen, die nichts anderes konnte als sich anzupassen, sich aber dennoch nur von Ängsten leiten zu lassen.

Ich bin gerade auf dem besten Weg aus diesem Muster auszubrechen, ich wünsche mir natürlich auch, dass ich endlich loslassen kann.

Mich” loslassen, den Menschen, den ich erschaffen musste, der Mensch, der nur in seiner Traumwelt lebt und sich nicht traut, seine Träume auch anzugehen oder umzusetzen.

Der Mensch, der sich nichts zutraut, weil es andere nie taten.

 

Ein Traum voller Angst – dank dem Hass anderer

Auf ein Thema auf welches ich im oberen Teil nicht eingegangen bin ist natürlich auch meine Vorstellung vom Leben mit einem Menschen an meiner Seite. Ich war schon immer ein Mensch der verliebt in die Liebe war. Konnte mir schon immer vorstellen wie es ist irgendwann alt zu sein und auf einer Veranda zu sitzen mit dem Menschen den ich liebe und auf meine Enkelkinder schaue wenn sie spielen.

Das ich mir irgendwann einen Mann in meinem Leben wünsche habe ich dann auch erstmal verkraften müssen, nachdem ich den ganzen Mobbingattacken aus der Schule ausgesetzt war und die homophoben Äußerungen meiner Familie verkraften konnte – oder eher vergraben – war das natürlich ein wenig schwerer.

Meine Familie hat damit natürlich kein Problem mehr das ich einen Mann an meiner Seite haben möchte, mit dem ich alt werden will und der zur Familie gehören wird. Aber wenn ich mir unsere Gesellschaft anschaue, dann schüttelt es mich. In meiner Bubble ist das alles natürlich überhaupt kein Problem, aber strecke ich meinen Kopf nur für einen Moment nach draußen wird mir schlecht. Dem ganzen Hass der wahrscheinlich niemals aufhören wird ausgesetzt zu sein ist einfach unvorstellbar.

Ich habe mich sehr lange dafür gehasst schwul zu sein, etwas zu sein, dass „unnatürlich“ und „ekelhaft“ ist. Habe mich verleugnet und dagegen ankämpfen müssen solche Gedanken überhaupt zu haben. Musste mir dann aber irgendwann in der Schule auch eingestehen, dass ich nicht vor mir selbst davon laufen kann wenn es darum geht. Weil ich würde nicht nur ein ganzes Leben vor mir, sondern auch ein Leben lang vor der Liebe davon laufen.

Ich habe früher immer gesagt: „Ehe ist ein überholtes Konstrukt und beweist rein überhaupt gar nichts, außer das man Steuern sparen möchte“. Ziemlich negativ betrachtet, aber um ehrlich zu sein habe ich mir das nur eingeredet, ich meine es war damals ja auch gar nicht erlaubt für „Menschen wie mich“ zu heiraten. Heiraten war so sehr mit der Kirche verknüpft, einer Institution die Menschen wie mich verurteilt. Ich habe mir eingeredet, dass ich das nicht verdient habe und auch nicht möchte.

Aber wie passend zum Thema Träume hatte ich irgendwann einen Traum. Der schönste Traum den ich seit dem hatte. Einen Mann zu haben den ich liebe, der mich liebt, meine Familie und Freunde die unsere Liebe feiern und ein versprechen an uns vor den Menschen die uns wichtig sind. Ich war so erfüllt von Liebe als ich aufgewacht bin. Ich habe den Traum nicht mehr vor Augen, aber das Gefühl habe ich bis heute, es verfolgt mich und manchmal zerreißt es mich auch. Die Angst in der Brust, wenn ich daran denke das ich niemals jemanden finden werde, niemals diese Liebe spüren darf von der die meisten Menschen träumen, von der ich träume.

Auch verfolgt mich leider eine Erinnerung aus der Schulzeit. Eine Erinnerung die so tief eingebrannt wurde in meine Seele und mein Gehirn. Mit 15 Jahren Morddrohungen zu bekommen, hat mich nachhaltig geschädigt. In einer Zeit in der ich es fast geschafft habe zu mir selbst zu stehen, zu hören, dass es „ein leichtes wäre mich in eine Mülltonne zu stecken und anzuzünden und das niemand was dagegen tun würde, weil so etwas wie Ich es nicht verdient hat zu leben“.

Wenn ich das hier lese, dann fühle ich eine schwere die alles in mir betäubt, weil ich weiß, dass es so schwer für mich ist diese Erinnerung loszulassen. Bin immer noch auf der Suche nach Menschen die mir bestätigen, dass es stimmt – das ich es nicht verdient habe zu existieren. Dumm eigentlich, weil ich eigentlich froh sein kann, dass meine Bubble es mir möglich macht zu lieben und zu sein. Aber der Schmerz sitzt so tief, das ich es nicht loslassen kann. Ich rufe diese Erinnerung immer wieder auf in der Hoffnung, das es irgendwann nicht mehr weh tut und ich mein Leben in Frieden weiterleben kann. Aber das schaffe ich bisher nicht, wenn ich mir die Welt da draußen anschaue, wird es mir immer wieder bestätigt, das ich niemals zu 100% sicher sein kann.

Ich weiß ganz genau, das es immer noch einen Teil in mir gibt der sich selbst hasst. Aber das ist nicht mein Hass – er gehört all denen die mich nicht L(I)EBEN lassen wollen. Obwohl ich niemandem damit schaden würde.

Autor*in: Blue

Das wird ein Kampf, ein Kampf um meine Gesundheit, ein Kampf um eine glückliche Zukunft und ein zufriedenes Leben. Diesen Kampf kämpfe ich gerne... zumindest die meiste Zeit.

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