Als ich neulich zusammen mit meiner langjährigen Freundin in unseren ersten gemeinsamen Urlaub aufbrach, war ich absolut überzeugt davon, dass wir eine super entspannte Zeit haben werden. Ich meine, was sollte schon passieren – wir kennen uns unser halbes Leben und sind ein unschlagbares Team. Die Idee, gemeinsam mit ihr ihren großen Bruder, den ich ebenfalls schon sehr lange (aber nicht wirklich gut) kenne, zu besuchen, erschien mir genial: kostenlose Unterkunft; mit meiner Sister from another Mister in einem Land unterwegs sein, in dem ich noch nie war und der Luxus, jemanden zu haben, der sich vor Ort auskennt und weiß, was wir wann und wo Spannendes unternehmen könnten. Ich machte mir überhaupt keine Sorgen darüber, dass es irgendwie weird werden könnte. Im Gegenteil: ich war mir ziemlich sicher, dass dies der erste Urlaub mit anderen Menschen wird, in dem ich mich wirklich wohl fühle und ich mit meinen daily hustles gut zurechtkommen werde. Hahaha – fail!

Zunächst war alles mega chillig. Wir sind gut angekommen, ich habe einen ersten Eindruck über die Ortsansässigen bekommen, konnte ausschlafen und morgens bei bestem Wetter meinen Kaffee in der Hängematte mit Blick auf die Berge genießen. Top! Die nächsten Tage waren voller schöner Aktionen: Städtetrips, Landschaften erkunden, ne Talwanderung (inklusive Muskelkater meines Lebens), nachts in den Bergen Sterne gucken. Klingt ziemlich gut, ich weiß; meine Urlaubsfotos: ein Traum. Wo der Haken ist? Kann ich euch sagen: Da wir mehr oder weniger die ganze Zeit zu dritt unterwegs waren, reihte sich eine Kompromissfindung an die nächste. Der HORROR! Wer hat worauf Lust? Wo genau wollen wir heute hin? Wann wollen wir zu den Ausflügen aufbrechen? Wer braucht was für die Trips? Wann wollen wir was essen? usw. usf. Ja ja, mir ist völlig klar, dass das alles easy peasy zu klären ginge: einfach sagen, was man will, dann wird sich schon irgendwie geeinigt. Pustekuchen. Das würde ja voraussetzen, seine eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu spüren, diese kommunizieren zu können und sein Verhalten danach auszurichten. Es gibt fast nichts auf dieser Welt, was in mir mehr Stress auslöst als das: mich abzugrenzen.

Ich bin eine Meisterin der Anpassung – in meinem Elternhaus (Grüße gehen raus) musste ich früh lernen, mich unterzuordnen, mich ohne Diskussionen dem zu fügen, was andere wollten und von mir verlangten. Was ich selbst brauchte, war nie von Bedeutung, nicht von Wert. Egal was es war. Wünsche oder gar Widerworte zu äußern war sehr gefährlich. Nein sagen? Ein No-Go. Also verlernte ich, auf die innere Stimme zu hören, die mir sagt, was ich will, was ich brauche, wo meine Grenze ist. Mühsam lerne ich heute als Erwachsene, diese innere Stimme wieder lauter zu stellen, ihr zuzuhören, ihr Ausdruck zu verleihen. Babysteps halt. Auch wenn ich meine Fortschritte mittlerweile wahrnehme, bin ich auf diesem Gebiet noch sehr unbeholfen – wie ein neugeborenes Fohlen stehe ich auf wackeligen Beinen und es braucht nicht viel, um mich umzustoßen. Genau das wird mir im Kontakt mit anderen regelmäßig zum Verhängnis. Es lässt sich ziemlich schwer in Worte fassen, was da eigentlich genau in mir abgeht, sobald sich alltägliche zwischenmenschliche Aushandlungen anbahnen. Klar ist nur, dass sie ne Kettenreaktion unangenehmer Gefühle auslösen – wie beim Domino Day. Like wer’s noch kennt…

Fortsetzung folgt… Gastbeitrag von Sky Walker

Autor*in: Sky Walker

Die längste Zeit meines Lebens war ich der Überzeugung, ich sei einfach anders als die meisten Menschen – nicht ganz „normal“. Ich litt unter meiner inneren Verfasstheit, die das Resultat meiner problematischen Kindheit ist und versuchte jeden Tag aufs Neue, irgendwie mit mir und der Welt klarzukommen. Diverse Ängste, rezidivierende Depressionen, ein Helfersyndrom, Leistungssucht und Perfektionismus sind nur einige meiner ständigen Begleiter. Angetrieben von der ständigen Suche nach dem Sinn meiner Existenz kam es Anfang 2021 zum Totalausfall: 30 Jahre jung, studierunfähig, arbeitsunfähig, lebensunfähig. Nix ging mehr und ich war buchstäblich gezwungen, mich um meine seelische Gesundheit zu kümmern. Seither befinde ich mich auf dem beschwerlichen und doch lohnenswerten Weg der Heilung. Hier im Blog möchte ich über die Schwierigkeiten schreiben, die mein Leben mit komplexen Traumafolgestörungen mit sich bringt und darüber, wie es mir Schritt für Schritt gelingt, besser mit diesen Hustles umzugehen. Außerdem überlege ich (wenn ich mal groß bin:), eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit Misshandlungserfahrungen in der Kindheit zu gründen – bis dahin lerne ich, was es dafür braucht, lasse mich von den Selbsthilfegruppen-Erfahrungen Anderer inspirieren und genieße es, mit ihnen im Austausch zu sein. In diesem Sinne: man liest sich!

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Logo Schon mal an Selbsthilfegruppen gedacht?