Zwischenmenschliches Versagen

Die letzten paar Wochen waren sehr anstrengend für mich, ich habe mich mal wieder von einem Menschen verabschieden müssen mit dem es leider nicht funktioniert hat. Wieder habe ich es nicht geschafft meinem Bauchgefühl zu vertrauen und für mich einzustehen. Wieder habe ich es geschafft alle Warnsignale zu ignorieren und sie mit dem Deckmantel „Jeder hat eine zweite (oder 100) Chance verdient“ oder „Ich darf andere nicht vorverurteilen“ zu erdrücken bis das schlechte Gefühl der Person gegenüber nur noch ein unterschwelliges Beben war.

In den letzten paar Monaten sind mir viele Dinge klar geworden. Leider aber habe ich es nicht geschafft mich zu lösen. Habe mich materiell abhängig gemacht, indem ich den Menschen habe Dinge für mich erledigen lassen. Wir haben beide unseren Kontakt so aufgebaut, dass er für mich nur auf Dienstleistungsebene funktioniert hat. Ich habe mehrmals versucht, den Kontakt auch so zu verändern, dass ich etwas anderes daraus ziehen kann. Themen die mir wichtig waren oder sind stießen hierbei leider immer gegen dicke Betonwände und es konnte keine für mich nützliche Kommunikation hergestellt werden. So hat es sich für mich eben so entwickelt, dass ich den Menschen nicht als Freund sondern eher als Mittel zu gewissen Zwecken gesehen hatte.

Leider, muss ich sagen, es hat sich nicht wirklich gut angefühlt. Ich hatte das Gefühl ich nutze ihn aus, was vielleicht von der einen Seite auch so betrachtet werden kann. Allerdings habe ich nie eingefordert, ich habe lediglich Angebote angenommen und eben auch darauf gehofft, dass diese Dinge auch erledigt werden. Für mich war das irgendwie nur eine Geschäftsbeziehung, so traurig es leider klingt.

Es kam dann leider zu einem sehr schwierigen Gespräch mit diesem Menschen, indem mir Dinge vorgeworfen wurden die „problematisch“ sind. Wurde als nicht ernstzunehmend bezeichnet, mir wurde unterstellt ich würde die ganze Zeit lügen. Ich würde mir Krankheiten nur einbilden. Würde Menschen fallen lassen sobald neue in mein Leben kommen.

Ich könnte jetzt ein riesiges Fass aufmachen, aber ich habe keine Lust mehr mich darin zu verlieren. Sagen wir mal so alles was mir vorgeworfen wurde hätte ich auch zurückwerfen können, da es auf ihn genauso zutreffen würde, ich habe es nicht getan.

Nach dem Gespräch hat mich eine Flutwelle an Emotionen, Gedanken und Erinnerungen mitgerissen, so wie ich sie sehr lange nicht mehr hatte. Es sind mir viele Dinge durch den Kopf gegangen. Mit Hilfe von Freunden, meiner Gruppe, meiner Therapeutin und meiner Mutter konnte ich viel reflektieren. Verstehen das die Dinge vielleicht für ihn so wahrgenommen wurden, aber nicht der Tatsache meiner Handlungen entsprachen.

Wir haben beide ein Konstrukt erschaffen in dem wir uns begegnet sind von dem ich nicht auf menschlicher Ebene profitieren konnte. Wir tragen beide Schuld, ich sehe das – er leider nicht.

Ich war wütend, wochenlang, habe überlegt was ich tun soll. Habe versucht mit ihm darüber zu sprechen, mich zu erklären, damit er versteht – tat er nicht.

Für mich war dann ab einem gewissen Punkt im Inneren die „Freundschaft“ – wenn man diesen Kontakt so nennen konnte – beendet. Ja im Inneren, tatsächlich war das nicht so einfach.

Ich wartete noch auf eine mir zugesicherte und von mir bezahlte Sache. Ich hatte Angst, wenn ich ihm begegnen würde bevor das ganze nicht erledigt würde, dass ich das was mir zustand nicht bekomme. Also wartete ich, wohl wissend das ich einen Teil in mir den ich hasse bestätige, den Teil der Menschen ausnutzen kann um zu bekommen was er möchte.

Den Teil gab es schon lange nicht mehr, ich habe bemerkt, dass er problematisch ist und habe ihn vergraben, nachdem ich mich habe ausnutzen lassen, weil ich dachte ich bekäme was ich möchte, Liebe, Nähe und Geborgenheit. Wenn ich mich nicht ausnutzen lassen möchte, dann darf ich das auch nicht. Also tat ich es nicht mehr. Bis zu diesem Zeitpunkt.

Ich könnte mir jetzt einreden, dass ich ihn nicht ausgenutzt habe, weil ich nur auf das bestand was mir zustand weil ich dafür bezahlt habe – ändert aber nichts an dem Gefühl das ich hatte, weil ich die ganze Zeit so tat als sei alles in Ordnung.

Ich habe mir viele Gedanken gemacht, ich wollte endlich einem Menschen auf Augenhöhe begegnen, den nötigen Respekt den jeder verdient hat entgegenbringen und meinen Standpunkt klar machen. Ich wollte mich erklären, nicht um gut dazustehen, sondern um zu versuchen ob Verständnis aufkommen könnte – es kam kein Verständnis.

Ich wollte die Freundschaft beenden, auf gesundem Weg, wie ein gesunder Erwachsener – konnte ich nicht, denn er beendete die Freundschaft mit mir. Auch wenn ich weiß, dass das Ziel erreicht ist losgelöst zu sein, komme ich nicht davon weg, das er mir das weggenommen hat. Klingt vielleicht komisch für den ein oder anderen, aber genau so ist es – ich fühle mich meinem Recht beraubt, meiner Handlungsfähigkeit.

 

Flucht vor mir und „mir“

Die letzten Tagen waren extrem nervig für mich, ich war genervt von allem. Kleinigkeiten die ich vor Wochen noch mit einem Wimpernschlag hätte im Nichts verschwinden lassen, störten mich enorm. War überfordert mit allem, meiner Wohnung die endlich mal wieder aufgeräumt werden könnte, überfordert mit der Umstellung auf ein Neues Medikament, überfordert mit alltäglichen Aufgaben wie Körperpflege und einkaufen gehen.

Ich habe es die letzten Wochen geschafft meine gesamte Energie darauf zu verschwenden sauer und wütend auf einen Menschen zu sein, habe mich und mein Umfeld mit dem ganzen Thema genervt – auch wenn mein Umfeld das nicht gesagt hat – ich habe mich schon selbst genug damit genervt.

Wut ist etwas sehr kraftvolles, erschafft Energie, die man für sich nutzen könnte. Stichwort „könnte“, ich tat es nicht. Ich habe mich in letzter Zeit wieder in einem Handyspiel verloren, eine Screentime von durchschnittlich 11h 33m in der vergangenen Woche – 44h habe ich das Spiel gespielt – und da fehlt die Zeit die ich dann auch gegen Ende der Woche am PC verschwendet habe.

„Das Spiel hat den Vorteil es läuft einfach so nebenher“, sagte ich an einem Tag zu einer Freundin, die mir dann den passenden Gedankenimpuls gegeben hat, das nicht das Spiel nebenher läuft, sondern mein Leben. Das saß tief… Tja nicht tief genug! Ich änderte nichts.

Wieso auch?, es ist so bequem das zu sein und zu leben was man kennt, weil neue Erfahrungen zu machen Überwindung kostet – Autsch.

Die letzten Wochen konnte ich zehren, von Wut und Unzufriedenheit, von anderen die mir Zuspruch gaben das es nicht in Ordnung war wie das gelaufen ist. Anstatt die Energie zu nutzen ins machen zu kommen – Nein!

Gestern war dann ein Knackpunkt. Es war Gruppe, vorher traf ich mich noch mit einer guten Freundin, wir haben was sehr leckeres Neues gekocht – eine Brokkoli Bombe, sie hat bombastisch geschmeckt – Wortwitz beendet.

Ich war durch das neue Medikament ein wenig innerlich unruhig, meine Wohnung, ein Saustall. Nirgends Platz um etwas hinzulegen oder gar um Essen richtig zuzubereiten. Ich suchte alles und fand nur das, was ich nicht brauchte. Chaos ist so stressig!

In der Gruppe war ich dann noch genervter, alle irgendwie albern, nur ich nicht. Ich habe mich nicht gemocht an diesem Tag. An anderen Tagen hätte ich mit rumgeblödelt und hätte mit gelacht – ich war nur genervt. Genervt davon, dass ich keine Energie mehr hatte, Energie die ich hatte als ich wütend war. Es waren viele Themen dran in der Gruppe, die ging auch voll lang. Ich konnte dem ganzen irgendwie nicht so ganz zu 100% folgen, habe Sachen nicht verstanden und bin anders abgebogen, habe einen Monolog gehalten den ich mir hätte sparen können, wenn ich aufmerksam genug gewesen wäre, weil ich nur etwas nicht richtig verstanden habe. Hat mich natürlich auch genervt. Ich war genervt vom genervt sein, genervt von mir.

Auf dem Weg nach Haus und etwas darüber hinaus habe ich nochmal die Gruppe mit dieser Freundin Revue passieren lassen. Wir haben noch viele wichtige Themen besprochen und irgendwas hat ~KLICK~ gemacht. Ich glaube es waren mehrere Faktoren.

Ich habe erkannt, dass der einzige Weg um das Ruder wieder umzureißen, der ist endlich wieder meinen Arsch hoch zu kriegen.

So schrieb ich es auch auf meine Whiteboard Tafel die natürlich seit Wochen auch wieder nur den Zweck eines Wandbehangs erfüllt hat.

Belüge dich nicht selbst!

Bekomm endlich dein Arsch wieder hoch und MACH!

Nutze andere nicht als Ausrede nichts zu tun!

Du schaffst das!

Man könnte sagen ich bin sehr schroff mir selbst gegenüber, aber ich musste es so harsch formulieren, ich verarsche mich die letzten Wochen einfach nur selbst und mache gar nichts, anstatt die Zeit zu nutzen bis es endlich voran geht, mache ich gar nichts außer mich in einem Videospiel zu verlieren und meine Wohnung verwahrlosen zu lassen (was natürlich übertrieben ist).

Ich mache mir so dermaßen unnötige Gedanken über Hürden die es zu bewältigen gibt den ersten Schritt zu machen, sehe nur das es immer anstrengender wird, anstatt anzufangen.

Also fing ich an. Es war 0:15h und ich suchte mein Geschirr der letzten zwei Wochen zusammen das in der Wohnung vor sich eintrocknete und spülte es. WO WAR DAS PROBLEM? Es gab keins. Ich hab es einfach nicht getan, aus Angst der erste Schritt könnte der Schwerste sein, ist er oft, ja – aber ich tue dann nichts, würde ich mich überwinden würde ich merken das die Hürde in meinem Kopf viel größer erscheint, als sie wirklich ist.

Als ich heute morgen aufwachte war mein erster Gedanke: „Boah bin ich müde, dreh dich einfach nochmal um“ – du faules Stück, beweg dein Arsch aus dem Bett und verarsch dich nicht dachte ich – hätte ich mich nochmal umgedreht wäre ich für mindestens 2 Stunden wieder eingeschlafen und hätte nen dicken Schädel gehabt wenn ich wieder wach geworden wäre – hätte ne Laune die ich nicht ertragen kann und hätte Kopfschmerzen. Das weiß ich schon lange das es genauso ist, aber ich tue es immer wieder und beschwere mich dann.

Also stand ich auf, rauchte ne Zigarette und fing an, meine Wasche in die Maschine, mein Geschirr von gestern abzutrocknen, das Besteck zu spülen – Ergebnis: Meine Wohnung ist ordentlich. Ich habe sie umgestellt, ich habe den Boden gewischt, der sich endlich mal wieder gefreut hat Wasser zu sehen das nicht aus irgendeiner Flasche die mir umgekippt ist kommt.

Und das krasseste überhaupt – ich habe nicht einen einzigen Song, keine einzige Podcastfolge gehört. Ich habe es ganz bewusst gemacht – mir Zeit gelassen, mir erlaubt, dass ich es mir schön machen kann. Das ich eine Wohnung habe die sich auch so anfühlt.

Ich habe es erkannt. Ich laufe vor dem Menschen weg der ich sein könnte, der es schaffen kann – ich bleibe in der Bequemlichkeit der Mensch zu bleiben den ich überhaupt nicht mag – und das wird auf Dauer echt unbequem. Ich bin traurig über diese Erkenntnis, aber nicht so traurig, das es mich lähmt oder ähnliches. Ich bin traurig darüber, wie ich mich selbst behandelt habe.

Ich möchte nun einiges grundlegend anders machen. Nicht wie damals, weil ich die Sache falsch angegangen bin. Klar gewisse Punkte passen schon ganz gut, aber ich will nicht mehr von einem EXTREM ins andere – eine Woche lang voll unter Strom und dann nichts mehr. Ich will mir aktiv Gedanken machen, wenn Dinge nicht immer funktionieren, anstatt es einfach dann so lange einschlafen zu lassen das ich nicht mehr darüber nachdenke und mich unterschwellig vergiften weil ich unzufrieden bin.

Ich will gnädig und gut zu mir selbst sein und mich ernst nehmen,

mich von Ballast lösen.

Freier sein.

Zufrieden.

Autor*in: Blue

Das wird ein Kampf, ein Kampf um meine Gesundheit, ein Kampf um eine glückliche Zukunft und ein zufriedenes Leben. Diesen Kampf kämpfe ich gerne... zumindest die meiste Zeit.

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