Ich war noch Grundschülerin als ich zur Blutabnahme in die Uniklinik musste. Vier große Röhrchen wurden abgezapft. Mir war vollkommen unverständlich warum. Ich führte schließlich ein vollkommen normales Leben – sorgenfrei. Mir wurde erklärt, dass mein Vater eine Krankheit hat und, dass ich diese eventuell auch haben könnte, doch ich kannte meinen Vater kaum und von einer Krankheit habe ich nie etwas mitbekommen.
Nach einigen Wochen stand das Ergebnis der Tests fest und ich musste erneut in die Uniklinik. Das Ergebnis war positiv: Ich habe FAP (Familiäre Adenomatöse Polyposis). Die Ärztin nahm sich Zeit um mir die Krankheit zu erklären und gab mir Info-Material mit, damit ich mir das in Ruhe Zuhause anschauen kann. Vollkommen planlos und verwirrt habe ich die Klinik verlassen und fuhr mit diesen komischen Heftchen nach Hause. Ich erinnere mich mich kaum noch daran – vermutlich weil ich nichts verstanden habe. Ich war überfordert und fühlte mich von allen bedrängt. So viel Aufmerksamkeit und Fachchinesisch war ich nicht gewohnt. Das einzige was ich verstand war, dass ich zu einer Untersuchung musst. Einige Zeit später war es so weit: Mit immer noch zarten 10 Jahren musste ich zur ersten Enddarmspiegelung. Die Ärzte waren mir unsympathisch und die Untersuchung war unangenehm. Laut dem Ergebnis hatte ich bereits erste Polypen im Enddarm, weshalb ich im nächsten Jahr eine komplette Darmspiegelung bekommen sollte. Polypen sind sozusagen die „Keimzelle“ von Darmkrebs. Durch die Darmspielgung sollte festgestellt werden, wie viele Polypen sich bereits im ganzen Dickdarm gebildet haben. Doch meine Eltern, viel mehr meine Mutter, nahmen die Empfehlungen der Ärzte nicht ernst und ließen mich weiter Kind sein.
Mit ca. 15 Jahren hatte ich dann erstmalig starke Blutabgänge. Ich war in einem Alter, wo ich verstehen konnte was Krebs ist und wusste, dass Blutabgänge nichts gutes bedeuten. In vollkommener Panik bin ich ins Krankenhaus gefahren worden, damit endlich die Darmspiegelung gemacht werden konnte, welche längst hätte stattfinden sollen. Ich wurde stationär aufgenommen, auf die Untersuchung vorbereitet und schließlich wurde die Darmspiegelung unter Propofol durchgeführt: Entwarnung. Kein Krebs, aber bereits sehr viele Polypen. Die Ärzte empfahlen mir in einem Jahr wieder zu kommen. Dies Tat ich auch, da die Angst vor dem Krebs immer größer wurde. In den folgenden Jahren schaffte es das Pflegepersonal bereits mich zu traumatisieren als einmal das Abführmittel nicht wirkte und ich immer mehr und mehr trinken musste. Mir wurde speiübel und ich wurde vom der Pflegekraft im Krankenhaus beschimpft. „Stell dich nicht so an!“, „Wenn du in einer halben Stunde das Zeug nicht getrunken hast..:“ und was ich mir alles anhören durfte. Ich packte also meine Wasserflasche, Eistee und das Abführmittel, stellte mich ins Bad und zwang mir das Zeug rein – Schluck für Schluck wollte ich es versuchen. Wenn alles wieder hinauskommt, hat die Krankenschwester das was sie wollte, dachte ich. Nach wenigen Schlücken entleerte sich mein Magen. Vor lauter Angst setzte ich mich auf die Toilette und begann zu zittern. Das Mädchen auf meinem Zimmer bekam das mit und rannte zum Dienstzimmer. Ich hörte, wie die Krankenschwester sie anmaulte, sie solle gefälligst klingeln, wenn was ist. Ich fing an zu weinen, denn ich wusste, was nun für ein Donnerwetter kam. Wütend folgte die Krankenschwester dem Mädchen zu mir und erneut wurde ich beschimpft: „Das hast du extra gemacht!“, „Reiß dich zusammen und hör jetzt auf zu heulen“… Ich sagte kein Wort, verfiel in Panik und begann zu hyperventilieren. Ich rutschte von der Toilette hinab und erst dann verstand der Drachen in welcher misslichen Lage ich mich befand. Eine andere Krankenschwester kam und half mir mich zu beruhigen. Von dem Stress war ich vollkommen k.o. und erfolgreich traumatisiert.
Die Ergebnisse wurden von Jahr zu Jahr schlechter und als ich 17 war, teilte mir der Arzt mit, dass ich noch ca. 2 Jahre hätte bis mir der gesamte Dickdarm raus genommen werden müsse, damit ich keinen Darmkrebs bekomme. Doch angesichts der Tatsache, dass ich bald volljährig werden würde, müsse ich mir eine neue Klinik suchen.
– Teil 2 meiner Geschichte findet ihr unter dem Titel „Der Übergang zur Erwachsenen – wie meine Geschichte weiter ging –
Hallo Dickdarmlos,
ich finde es immer unglaublich, wie z.B. die Krankenschwestern bei dir sich so verhalten können. Als hätte man nicht schon genug Sorgen, wenn man im Krankenhaus ist.
Liebe Grüße.
Hey Mutsammlerin,
Ich finde es auch unglaublich.. Ich kann zwar verstehen, dass das Personal sehr viel zu tun hat, aber bei manchen frage ich mich, ob sie ihren Job verfehlt haben. Kein Patient sollte solche Erfahrungen machen müssen – erst recht keine jungen oder unerfahrenen Menschen. Aber was passiert ist, ist passiert.
Hallo Dickdarmlos,
Was du da beschreibst, ist ja unglaublich. Vor allem die Ignoranz und Arroganz von Leuten, die doch eigentlich dazu da sind, um Menschen zu helfen. Ich hoffe, du schreibst noch, wie es weitergegangen ist und auch, wie es dir heute geht und wie du das alles verarbeitest hast.
Liebe Grüße, RE-HAse
Wie sich die Erwachsenen benommen haben, ist wirklich unglaublich und schrecklich! Hattest du in der Zeit irgendwelche anderen Leute (Familie, Freunde, Mitpatienten), die dich unterstützt und aufgebaut haben? Wie ging deine Geschichte denn weiter? Viele Grüße Uhu
Primär Mitpatienten haben mir in solchen Situationen geholfen/unterstützt. Wie meine Geschichte weiter geht, werde ich noch schreiben. (Ich wollte keinen Endlos-Beitrag schreiben). Liebe Grüße 🙂
Hallo Du,
freut mich, von dir zu lesen. Und danke, dass du deine Geschichte mit uns teilst.
Ja ich kenne das, wenn Menschen einen nicht so akzeptieren, wie man ist. Und wenn man sich immer rechtfertigen muss.
Ich freu mich schon, den zweiten Teil zu lesen.
Liebe Grüße!
Hey Rainbow,
Schön, dass dir der Beitrag gefallen hat.
Ich denke, wenn Menschen einen nicht so akzeptieren wie man ist, sind es nicht die richtigen Menschen, die man um sich herum haben sollte. Das ist eine Sache, die ich definitiv gelernt habe. Entweder man mag mich so wie ich bin, oder eben nicht – schließlich kann man nicht jeden mögen. Und wenn jemand mit mir, meinem Aussehen, meiner Art oder sonst was ein Problem hat, ist es sein Problem und nicht meins 😛
Alles Liebe 🙂