Gastbeitrag von: live_as_a_phoenix

Zwei Jahre sind es jetzt knapp her, dass ich die Behandlungen (Chemo, OP, Bestrahlung) abgeschlossen habe.

Mehrfach habe ich danach gehört „Jetzt kannst du wieder nach vorne blicken und alles hinter dir lassen“. Für andere war klar, dass ich mit dem Krebs durch bin und daher wieder in den Alltag zurückkehren kann. Doch bei mir ist genau das Gegenteil eingetreten.

Während der Behandlungszeit ging es für mich nur darum jeden einzelnen Tag zu überstehen und die Therapie körperlich wegzustecken. Erst nach der Therapie fing ich an die erlebte Zeit seelisch und körperlich aufzuarbeiten und ganz langsam aus dem Tal herauszukriechen. Die Chemotherapie hatte mir alle meine Kräfte geraubt. Die Muskeln waren abgebaut und es war kaum noch Ausdauer vorhanden. Ich begann meinen geschundenen Körper ganz langsam wiederaufzubauen und ihm Stück für Stück etwas abzuverlangen. Man lernt die Nachwirkungen der Therapie erst mit der Zeit kennen und das manchmal auch Monate später. Die Operation und Bestrahlung haben das Gewebe zerstört. Dieses fängt an zu Vernarben und sich neu zu bilden, wodurch der ganze Bereich unter Dauerdruck und – Schmerz steht. Auch jetzt ist die therapierte Seite bei mir immer noch im Veränderungsmodus. Der ganze Bereich ist viel sensibler und schmerzempfindlicher als vorher.

Seelisch fing ich an, über alles was ich während der Therapiezeit erlebt hatte nachzudenken und zu verarbeiten. Die Konfrontation mit dem eigenen Tod. Die Erlebnisse mit den Mitmenschen, die sich während der ganzen Zeit kaum bzw. nicht nach mir erkundigt hatten. Oder von denen ich glaubte, dass sie für mich da sind und erlebt habe, dass es nicht der Fall ist. Man lernt schmerzhaft, dass nicht alle bereit sind das zurückzugeben, was man selbst bereit ist zu geben. Das alles muss verarbeitet werden.

Gleichzeitig habe ich begonnen mich damit auseinander zu setzen, ob ich das Leben führe, dass ich führen möchte und wie es nun weiter gehen kann. Nachdem ich alles verarbeitet und Antworten für mich gefunden hatte, begann die Zeit der Veränderung. Ich fing an die notwendigen Schritte einzuleiten um die Veränderungen herbeizuführen und diese im Alltag umsetzen. Es war nicht immer alles so leicht. Es gab Momente in denen ich mich allein gelassen gefühlt habe, trotz Familie und Freunden. Gerade in solchen Momenten heißt es Zähne zusammenbeißen und weitermachen.

Ich habe mich entschieden erstmal alleine zu bleiben und mein Leben neu zu sortieren. Darauf zu hören, was ICH möchte und in welche Richtung meine innere Stimme mich lenkt. Das ist gar nicht so leicht. Ich befinde mich in einer Beziehung mit mir selbst und bin erstaunt, was ich in den letzten knapp zwei Jahren alles über mich erfahren habe. Ich weiß jetzt viel besser, wer ich bin, was mich ausmacht und was mich antreibt. Und trotzdem überrasche ich mich selbst immer noch sehr häufig. Vor allem weiß ich mittlerweile, dass ich auch ohne eine Partnerschaft sehr glücklich sein kann, denn ich habe etwas gefunden, dass mich voll und ganz ausfüllt:

Mein Engagement für junge erkrankte Menschen!

Ja, es nimmt viel Zeit in Anspruch. Zeit die ich sinnvoll einsetze und die mich erfüllt. Ich bin in meinem Element, wenn ich für meine Ehrenämter unterwegs bin. Das ist ein tolles Gefühl. Es ist etwas, dass mich glücklich macht. Das bin ich! Mit voller Leidenschaft.

Ein weiterer, für mich wichtiger, Aspekt daran ist, dass es unabhängig von einer Person ist. Dieses Gefühl des Glücks und der Erfüllung habe ich nicht in einer anderen Person gefunden, sondern in einer Tätigkeit, die ich immer ausüben kann, wenn mir danach ist.

Mich macht als Mensch noch sehr viel mehr aus als die überwundene Krebserkrankung und trotzdem wird sie immer ein Teil meiner Lebensgeschichte bleiben. Mich hat diese Zeit extrem geprägt und ich bin gestärkt aus ihr hervor gegangen.

Diese Erfahrung möchte ich gerne weitergeben. Ich möchte junge Erwachsene, die noch am Anfang ihres Weges stehen, begleiten und ermutigen und ihnen mitgeben, dass die Situation so wie sie jetzt ist, nicht bleibt, sondern es auch wieder besser werden kann. Vor allem dann, wenn man selbst daran glaubt und sich die Zeit nimmt, daran zu arbeiten. Ich bin sehr froh, dass ich nicht einfach wieder in den Alltag zurückgekehrt bin, sondern dass ich mir die Zeit genommen habe, die ich für mich brauchte, auch um die nötigen Veränderungen herbeizuführen und umzusetzen.

Autor*in: Gastautor*in

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