Ich arbeite oft und gerne mit Bildern, um nicht von Depressionen betroffenen Menschen zu veranschaulichen, wie man sich während einer depressiven Phase fühlen kann. In meinem letzten Beitrag hatte ich dazu schon den Vergleich mit dem schwarzen Hund herangezogen (der übrigens auf Matthew Johnstone zurückgeht). Es tauchen aber manchmal noch andere Bilder in meinem Kopf auf, die ganz treffend die verschiedenen Zustände beschreiben, die ich so erlebe. Davon möchte ich euch heute erzählen. Als ebenfalls Betroffene fühlt ihr euch vielleicht ein bisschen verstanden. Und Nicht-Betroffenen hoffe ich, das Erleben dadurch etwas näher bringen zu können.

Wenn eine depressive Phase kommt, spüre ich das mittlerweile sehr genau. Ich bin dann nicht einfach nur „schlecht drauf“, sondern irgendetwas in mir ist plötzlich anders. Es ist ein bisschen so, als sei ein Lichtschalter umgelegt worden, der das hell erleuchtete Zimmer in ein düsteres Zwielicht verwandelt. Oder so, als hätte ich mir eine Brille aufgesetzt, durch die alles grau und verschwommen erscheint und die ich einfach nicht absetzen kann. Es. Geht. Einfach. Nicht.

Eine Depression ist manchmal wie unter Wasser gehen. Es ist mühsam, träge, alles ist ein bisschen taub und verschwommen und man verliert das Gefühl für die Umwelt. Du willst auftauchen und frei atmen, aber Du kannst es nicht. Oder wie hinter einer dicken Glaswand zu stehen und unberührt zu bleiben von dem, was da draußen passiert. Es erreicht Dich nicht. Du siehst und hörst alles, dumpf, verschwommen, aber Du kannst nicht in Kontakt treten mit der Welt „da draußen“. Du bist so unendlich allein und gefangen in und mit Dir selbst. An manchen Tagen fühlt es sich auch so an, als lägest Du mit dem Gesicht nach unten auf dem harten, kalten Asphalt, außer Stande aufzustehen oder Dich bemerkbar zu machen.

Meine Depression kommt phasenweise. Eine Depression ist aber keine Phase der großen Traurigkeit. Leider. Denn nach der Trauer kommt irgendwann auch die Erleichterung und es wird langsam wieder besser. Eine Depression hüllt Dich eher in einen grauen Nebel und lässt Dich nicht mehr los. Sie macht Dich taub und teilnahmslos. Keine Gefühle, keine Empfindungen. Gleichgültigkeit. Vielleicht ist es tatsächlich diese Leere, die die Depression so grausam macht. Möglicherweise begründet dieses Nicht-Fühlen auch die Antrieblosigkeit, die Kraftlosigkeit und das Desinteresse gegenüber allem und allen.

Ich wünsche mir in meiner Depression manchmal wirklich, ich würde mehr Traurigkeit fühlen. Dann hätte ich wenigstens etwas, an das ich mich klammern kann. So habe ich nur das Gefühl endlos zu fallen, ohne Halt und ohne Aufprall. Irgendwo gefangen zwischen Leben und Tod. Depression ist kein Leben. Depression ist der Tod der Gefühle. Und ich bin ein Gefühls-Untoter.

Übrigens: der Todeswunsch, von dem viele depressiv erkrankte Menschen berichten muss nicht zwangsläufig etwas mit einem schlimmen Ereignis oder großer Verzweiflung zu tun haben. Es können auch die Sinnlosigkeit und die Gleichgültigkeit sein, die einen wünschen lassen, nicht mehr dazu sein. Mir ist irgendwann klar geworden: in der Depression habe ich keine Angst vor dem Tod – ich habe Angst vor dem Leben.

Holzfigur auf Steinhaufen

„Heute liegt ein Stein auf mir.“

Autor*in: Gedankentänzer

Als junger, von Depressionen betroffener Mensch engagiere ich mich seit vielen Jahren in der Selbsthilfe, weil ich der Stigmatisierung von psychischen Leiden etwas entgegen setzen und mich für mehr Offenheit und Aufklärung stark machen möchte. Gedankengänger macht gerade eine Schreibpause

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