Gastbeitrag von: Melly

Bei dem Monatsthema beschäftigt mich die Frage schon sehr: Wie bin ich zur Selbsthilfe gekommen?

Ich wurde dazu gebracht. Und zwar nicht durch jemanden gefahren (hahaha ja ich weiß ist nicht lustig), sondern durch starkes Mobbing und dem täglichen Streit meiner Eltern, den man die Straße raus hörte. Dadurch bin ich irgendwann ein dermaßen psychisches Wrack geworden, dass ich eigentlich in einer Badewanne hätte schlafen sollen. Die hätte ich nämlich bis zum nächsten Morgen mit Tränen auf jeden Fall voll bekommen. Zum damaligen Zeitpunkt war mir zwar klar, dass ich mich nicht ändern will. Allerdings habe ich mich gefragt was bitte daran so schlimm ist, ich zu sein. Mittlerweile weiß ich, dass ich nicht schuld daran war, viel mehr haben mich die anderen in dieses Loch getrieben und mich insofern zur Selbsthilfe „gebracht“.

Depressiv war ich warscheinlich schon seitdem ich neun war. Doch richtig heftig wurde es in der Abiphase, weshalb mein Abi natürlich auch nicht mehr besonders war, ich mit 23 immernoch auf einen Studienplatz warte etc. Im Grund genommen noch mehr daraus schließende negative Folgen, dass ich noch depressiver wurde. Dann hieß es überall zwei Jahre Wartezeit für einen Therapieplatz. Zuletzt rief mich eine Psychologin zurück, die mir jedoch nur alle zwei oder drei Monate einen Termin anbieten konnte da sie vermeiden wollte, dass ich das Abi abbreche. Die wenigen Sitzungen waren natürlich weniger sinnvoll. Es wurde dann geredet, und ich sollte Klopfen. Klopfen ist eine Therapietechnik, bei der man mit zwei Fingern bestimmte Punkte klopft und sich selbst so zur Ruhe bringt. Dass mich das Klopfen nervöser machte, sagte ich zwar, aber scheinbar war mir sonst nicht wirklich zu helfen. Naja, was soll die gute Frau auch machen, wenn sich das Umfeld und die Situationen nicht verbessern. Der Stress rund um das Abi war für eine Therapie auch nicht hilfreich. Mittlerweile denke ich, ich hätte das Abi später nachholen sollen, aber was auch immer, so recht weiß ich es auch nicht. Nach mehreren Jahren der nicht regelmäßigen und ziemlich wirkungslosen Therapiesitzungen, einer zerbrochenen Beziehung, einem zerstörten Familienbild, einem Todesfall, einer abgebrochenen Ausbildung, des Versagens und tiefer Wut und Traurigkeit, die vor allem durch innere Hilflosigkeit herrührte, dachte ich, google ich mal nach den sogenannten Selbsthilfegruppen. Bis dato wusste ich so recht nichts darüber. Genau genommen habe ich im Fernsehen eine Serie gesehen, und da wurde eine Selbsthilfegruppe für anonyme Alkoholiker gezeigt. Da dachte ich mir dann, weil ich wieder in einem Tief war, Mensch, das gibt es für Alkoholiker, dann auch sicher für Depressive. Ich googelte also danach und fand eine in Stolberg. Ich wollte sofort rein, denn ich spürte meine Anzeichen, geisternd in meinem mir gegenüber nicht so netten Gehirn. Ich wusste, es war wieder so weit, ich spürte die Gefühle, die ich vor meinem fast Selbstmordversuch damals auch gespürt hatte, aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls wollte ich sofort Hilfe. Als der Leiter mir dann schrieb, dass er erstmal ein Einzelgespräch mit mir führen wollte, war ich innerlich völlig außer mir. Wieso das denn? Ich wollte doch nur einfach in die Gruppe! Er war sehr nett, obwohl ich viel zu spät kam, wie so oft. Pünktlichkeit, noch ein anderes Thema. Ich verstand worauf er hinaus wollte, er hatte scheinbar meine Dringlichkeit am Telefon verspürt. Er wollte mich erst einmal aufklären, wie so eine Gruppe abläuft usw. Bis heute bin ich ihm dafür dankbar, generell bin ich ihm gegenüber sehr dankbar. Die Gruppe allerdings sagen wir, war nicht besonders jung „ausgestattet“. Ich glaube der oder die nach mir, war schon um die 50. Meine Themen langweilten einige besonders, denn ob ihrs glaubt oder nicht, auch in der Selbsthilfe gibt es Streitigkeiten, das ist normal, wir sind schließlich auch nur Menschen und dazu noch krank, emotional schnell eingreifbar usw. Abgesehen davon, sehnte ich mich nach jungen Menschen, die mich verstehen. Ich meine, nichts gegen ältere Menschen, um Gottes Willen, das ist gut so. Aber abgesehen davon, dass in meinem Umfeld fast nur ältere Menschen sind, weil in der Hundeschule oft meist ältere sind, im Tierschutz auch usw. (wieder anderes Thema^^), fragte ich mich, ob nicht auch jüngere Menschen ähnliches verspüren wie ich. Es war eigentlich eine mega schnelle Entscheidung, die ich auch sofort traf: Ich gründe meine eigene junge Selbsthilfegruppe.  Zack, bumm, fertig. Moment….., so einfach ist das nicht.

Die Dame im Gesundheitsamt beriet mich sehr gut, sie stand mir und steht mir auch heute noch für alle Fragen und Belange offen. Ich gründete die Gruppe, wöchentlich findet sie statt. Der Anfang ging eigentlich relativ gut, ich wollte schon fast die Beine hochlegen, doch dann gings so richtig los. Der erste log und war drogenabhängig, er schwärmte fast vor sich hin von den Drogen. Problem war, ausgerechnet an dem Tag kam ein neuer, der noch nicht lange clean war. Der fand das natürlich gar nicht cool und verließ die Gruppe sofort und machte seinem Ärger, auch wenn wirklich freundlich, per Mail Luft. Ich wendete mich sofort der Selbsthilfeunterstützung. Sie half auch. Der Junge erkannte es, verließ die Gruppe von alleine, und wollte erst einmal sein Drogenproblem in den Griff bekommen. Ich ließ ihn nicht allein, ich versuchte ihn so gut wie möglich zu unterstützen und es geht ihm jetzt auch gut, wir sind noch immer in Kontakt. Dann waren bis auf ein Junge alles Mädchen in der Gruppe und die Gruppe war zu klein, es waren zu wenig Mitglieder vor Ort. Und Mädchen, wieder ein anderes Thema, sind eben Mädchen, ich verstehe sie nicht, vielleicht weil ich eher männlich in solchen Dingen bin. Eines der Mädchen sorgte mächtig für Ärger, zu dem Zeitpunkt kam meine Nervenkrankheit raus und sie sagte dann einfach an einem bestimmten Gesprächspunkt, „das interessiert mich nicht“ so und so. Konnte ich nicht einmal in einer Selbsthilfegruppe ich selbst sein? Das war der Punkt an dem ich die Treffen immer öfter absagte, denn die Leute verstanden scheinbar trotz mehrmaligem Bitten nicht, dass man absagt, wenn man nicht kommen kann und das nicht auf den letzten Drucker wenn die Gruppe schon angefangen hat, sondern rechtzeitig, und dass man sich nicht angiftet und rumzickt. Ich bin froh, dass ich mich zurückzog, denn es war für mich wichtig und so gingen diese Mitglieder. Nach mehreren Wochen hatten sich neue Mitglieder gemeldet. Ich weiß nicht warum, warum Mädchen, die meisten, so sind. Aber alle Mädchen die sich angemeldet hatten, kamen ohne Absage nicht, bis auf ein Junge waren alle Jungs da, sind sie bis heute noch.  Später kam noch ein Mädchen dazu, ein wirklich nettes Mädchen. Die Gruppe funktioniert nun, alle sind freundlich zueinander, die Stimmung untereinander ist super wie sie in einer Selbsthilfegruppe nur sein kann. Und die Gruppe gibt mir Kraft. Ich bin froh, diese Gruppe gegründet zu haben. Den Mitgliedern ist die Gruppe sehr wichtig und mir auch. Ich fühle mich nicht mehr ganz so allein mit dem Gepäck auf den Schultern, den ich am liebsten auf dem Flughafenband gelassen hätte…

Autor*in: Gastautor*in

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