Illustration Krankenhaus

Zwei Monate sind vergangen und ein riesiger Berg an Aufgaben liegt nun vor mir. Von elementaren Dingen, wie der medizinischen Versorgung, bis hin zu alltäglichen Dingen, wie dem Aufräumen. Denn die letzten zwei Monate verliefen anders als geplant: Zwei OPs, neue Diagnosen, neue Medikamente. Nach über fünf Wochen Krankenhaus folgte gezwungener Maßen eine Anschlussheilbehandlung, da ich körperlich und psychisch so instabil war, dass ich meinen Alltag nicht hätte bewältigen können.

Es vergingen Tage der Verzweiflung. Wochen der Überforderung. Und die Monate des Kampfes zurück in mein Leben sind noch lange nicht gezählt.

Aber fangen wir mal von vorne an. Was ist überhaupt passiert?
Euer letzter Standpunkt dürfte sein, dass sich herausstellte, dass sich aufgrund meiner permanenten Darmverschlüsse und Schmerzen eine OP als sinnvoll und notwendig ergab. Was genau, war erst gar nicht so klar, doch im Verlauf zeigte sich, dass in meinem Bauch einiges im Argen war. Mein J-Pouch, den ich seit 2013 als Ersatz für den Mastdarm habe, da ich ohne Dickdarm lebe, ist kaputt gegangen. Unter der OP wurde dieser entfernt, ein neuer angelegt und direkt an den Schließmuskel genäht. Der Schließmuskel an sich litt darunter und musste ebenfalls genäht werden. Verwachsungen wurden gelöst, wo es sinnvoll war, Darmabschnitte gerettet, ein evtl. alter Fistelgang, von dem nie auch nur irgendjemand etwas gemerkt hat, wurde entfernt, Endometriose diagnostiziert und Herde entfernt… Einmal Rundumschlag.
Die OP verlief gut. Nach einer Nacht auf der Intensivstation, konnte ich auf die Normalstation verlegt werden. Es dauerte einige Tage, bis ich wieder aufstehen konnte, da der Bauchschnitt und die ganzen Schläuche mich behinderten. Langsam wurde die Kost aufgebaut, die Drainagen – davon eine im Po, um die Naht zu entlasten – entfernt. Kurz darauf fing der Horror an. Unfassbare Schmerzen auf dem Klo und Inkontinenz. Als hätte eines dieser Probleme nicht mehr als genügt… Die ersten Tage schluckte ich die Schmerzen weg. Es sollte schließlich bald besser werden. Es wurde nicht besser. Die Schmerztherapie wurde nicht angepasst, stattdessen von heut auf morgen ohne Einbezug des Patienten – mir – reduziert. Das war dann der Zeitpunkt des absoluten psychischen Zusammenbruchs. Wo ich nicht mehr konnte und nicht mehr wollte. Wo ich am liebsten nichts mehr mitbekommen hätte. Aber was war auch nicht die Lösung für meine körperlichen Probleme. Ich sprach erstmalig den Wunsch nach einem Stoma – künstlichen Darmausgang – an. Die Reaktionen der Ärzte: negativ. Ich knallte mit den Ärzten gewaltig aneinander. Mir wurde einiges Fieses unterstellt. Immer weiter auf mich draufgeschlagen und erstmal nicht erkannt, in welcher Ausnahmesituation ich mich befand. Bei distanzierten Fronten bekam ich schließlich die mündliche Zusage, dass ich ein Stoma bekommen kann, wenn ich es nach wie vor will. Da ich endlich Schmerztherapeuten sah und ein schmerztherapeutisches Konsil stattfand, hatte ich einen letzten Funken Hoffnung, dass sich doch alles zum Positiven wendet… Betonung auf hatte! Weitere 3 Tage später waren meine Schmerzmittel immer noch nicht angekommen. Ich verweigerte den 4. Tag jegliche Nahrung (Flüssigkeiten inklusive). Die Ärzte waren wirklich sauer, aber die Nahrungsverweigerung war zu dem Zeitpunkt die einzige Möglichkeit meine Schmerzen zu reduzieren. Ich machte stets transparent, dass ich wieder Nahrung zu mir nehmen werde, sobald ich meine Schmerzmedikamente habe. An einem Freitagmorgen kam die Prof. zu mir. Wir hatten uns seit unserer Auseinandersetzung nicht mehr gesehen. „Und, wie siehts aus?“ Ich sagte vorsichtig, dass die Medikamente immer noch nicht da sind und ich daher nach wie vor ein Stoma möchte. Sie reagierte erstaunlich positiv „Okay, in Ihrem Fall macht ein Stoma Sinn. Wir müssen Sie aus der Situation rausholen. (…) Ich schaue, wann ich Sie im OP-Plan unterbekomme. Hoffentlich am Montag schon, aber ich kann Ihnen nichts versprechen!“ Keine 30 Minuten später kam die Pflege rein „Frau H., sind Sie nüchtern? Sie sollen nüchtern bleiben!“ Kurz darauf: OP-Vorbesprechung und Einwilligung, Anästhesiegespräch. Mittags war im OP-Plan noch kein Eintrag über mich. Ich wagte es nicht, daran zu glauben, dass ich am selben Tag oder den folgenden Montag operiert werde. Doch keine weiteren zwei Stunden weiter kam die Pflege rein „Ziehen dich zügig um!“ „ich werde jetzt operiert?“, fragte ich unglaubwürdig. „Ja, etwa 10 Minuten hast du noch Zeit, dann wirst du abgeholt!“ Freudestrahlend stand ich auf, legte noch ein paar Sachen zurecht, zog mich fix um, sagte noch ein paar wenigen Leuten Bescheid und schon ging es los!

(Fortsetzung folgt!)

Autor*in: Dickdarmlos

Tabus sind ein Teil unserer Gesellschaft. Verdauungsorgane, insbesondere der Darm, und die Menstruation sind immer noch Tabuthemen. Es gilt als ekelig oder unrein. Man möchte nicht darüber sprechen und erstrecht nichts darüber hören. Doch was ist, wenn du mit einer Genmutation auf die Welt kommst, der Darm früher oder später in den Mittelpunkt deines Lebens rückt, und das Leben dir obendrauf noch eine gynäkologische Erkrankung schenkt? Hier beim Lebensmutig Blog berichte ich über mein Leben mit Familiärer Adenomatöser Polyposis (FAP), Endometriose und den psychischen Folgen.

in Zusammenarbeit mit:

Logo Schon mal an Selbsthilfegruppen gedacht?