Was heißt ‚krank‘ eigentlich? Für mich ist die Einteilung in ‚gesund‘ und ‚krank‘ sehr willkürlich. Ich gehe zur Bewältigung meiner chronischen Erkrankung zum Therapeuten, da eine körperliche Erkrankung durch die Einschränkungen im alltäglichen Leben auch eine psychische Belastung ist. Ich wurde oft ausgegrenzt, weil ich ‚anders‘ war, was schlicht daran lag, dass mich gesundheitsbedingt oft andere Themen beschäftigen als meine Umwelt.

Für viele scheinen diese Themen wie Therapie, Medikamente und Selbsthilfe, die für mich zum Alltag gehören, echte Tabus zu sein und sie reagieren distanziert auf meine Erzählungen. Für sie sind diese Dinge fremd und wie reagieren die Menschen auf Dinge, die ihnen fremd sind? Richtig, mit Ablehnung. Das ist der Grund, warum viele Menschen große Hemmungen haben die Hilfe in Anspruch zu nehmen, die sie benötigen. Die sie benötigen, um den gesunden Weg zu gehen und sich mit den eigenen Problemen auseinanderzusetzen. Doch die Angst als ‚krank‘ oder ‚anders‘ abgestempelt zu werden ist so groß, dass sie weiterhin so tun als wären sie ‚gesund‘. Sie machen sich und ihrer Umwelt etwas vor, verdrängen krankhaft ihre eigenen Baustellen und zeigen mit dem Finger auf die ‚Kranken‘, die zum Therapeuten gehen.

Warum muss es ein Geheimnis sein, dass man zur Therapie geht? Dass man sich selbst besser verstehen will, um Dinge verändern zu können? Warum muss man denjenigen, die wirklich etwas an sich verändern wollen, es noch schwerer machen? Sollte man sie nicht vielmehr in diesem Prozess unterstützen? Es gibt die verschiedensten Gruppen zu allen möglichen Themen. Warum sollte man sich nicht auch über seine gesundheitsbedingten Schwierigkeiten austauschen und in einer Selbsthilfegruppe Betroffene treffen, die einen verstehen können? Auch heute werde ich immer noch belächelt, wenn ich von meiner Selbsthilfearbeit erzähle oder schräg angeschaut, wenn ich bei einem Treffen früher gehen muss, weil meine Therapiestunde bald anfängt.

In solchen Momenten frage ich mich, in was für einer kranken Welt wir leben.

Autor*in: Alltagsheldin

Ich melde mich hier als Alltagsheldin stellvertretend für alle anderen Alltagshelden und Alltagsheldinnen zu Wort, die ebenfalls mit einer unsichtbaren chronischen Erkrankung leben.

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