Ich liebe es, viel Kram zu besitzen. Für jeden Notfall gerüstet zu sein. Was auch passiert, ich bin vorbereitet. Bricht eines der Räder meines Fahrrads, kein Problem! Ein Ersatzrad liegt bereit. Sollte es innerhalb von kürzester Zeit noch einmal kaputt gehen. Auch kein Problem! Aus den vielen kaputten Teilen und etwas Fleiß, Geduld und professionellem Pfusch lässt sich ein neues altes Rad herstellen. Selbst wenn die Zombieapokalypse ausbrechen sollte, schaffe ich es, da durch zu kommen. Vorräte habe ich genug. Werkzeug auch. Vor allem aber, eine Menge Kram, aus dem sich neuer herstellen lässt. Besonders dann, wenn es darum geht, sich die Zeit während einer Apokalypse zu vertreiben und mich genüsslich abzulenken, bin ich hervorragend ausgerüstet.

So ist es auch irgendwann passiert, ohne dass ich das richtig gemerkt habe, dass ich die Anzahl der Medien in meinem Haus auf ein Maß angewachsen ist, dass ich so schnell nicht dazu kommen werde, jedem Film, jedem Buch, jedem Videospiel die nötige Zeit zu schenken. Es sei denn, ich beschließe jetzt, von heute auf morgen, meine Arbeit aufzugeben, mein Studium abzubrechen und mich komplett von jeglichen sozialen Kontakten abzuschirmen, damit ich in vielleicht ein paar Jahren den mich regelrecht erschlagenden „pile of shame“ diesen raumfüllenden mich erdrückenden, mir jegliche Luft zum Atmen nehmenden „Stapel der Schande“, abzuarbeiten.

Genau hier liegt auch der Fehler. Konsum von Medien, sollte für mich keine Arbeit sein. In der Uni vielleicht schon, als Untersuchungsgegenstand meines Forschungsgebietes, aber doch nicht in meiner Freizeit. Hier sollen sie mich zerstreuen, nach einem harten Tag belohnen oder zum Nach- und Weiterdenken anregen. Aber doch nicht zu Arbeit werden. Zu einer Aufgabe, bei der checklistenartig Bücher, Hörbücher, Podcasts, Filme, Serien und Videospiele abgearbeitet werden. Ohne, dass diese wirklich genossen werden. Und so kommt es auch, dass sich meine physischen und digitalen Regale mit immer mehr Medien füllen, die ungenutzt vor sich hin stauben. Zum Teil sogar, ohne dass die Verpackung jemals geöffnet worden ist. Der Blick auf die vollen Regale nimmt mir auch jegliche Vorfreude auf das Medium, weil ich schon im Kopf weiter bin und mir denke, was ich als nächstes konsumieren könnte. So wandern die Gedanken auch zum Inhalt des nächsten Buches, während ich noch mit dem einen Buch beschäftigt bin. Wenn es ganz blöd läuft, dann kann es ganz gerne auch Mal passieren, dass ich auch schon beim übernächsten Buch bin.

Hier wird mir auch bewusst, dass nicht ich es bin, der den ganzen vielen Kram besitzt, sondern es genau umgekehrt ist. Der viele Kram besitzt mich. Hält mich fest mit einer Mischung aus mollig warmer und die Luftröhre zudrückender Umarmung. Lässt jeglichen Spaß schwinden. Was dagegen hilft? Ich kenne kein Patentrezept, jedoch weiß ich, dass es mir unglaublich geholfen hat, einfach Mal auszumisten. Bücher und Spiele, die ich nicht mehr vorhabe zu konsumieren, einfach verkaufen oder verschenken. Warum auch nicht? Hat sich im ersten Augenblick richtig schlimm angefühlt. Immer wenn ich im Begriff gewesen bin, ein Medium online zu stellen, kamen schon die üblichen Gedanken. „Willst du es wirklich verkaufen?“, „Im Winter wirst du mehr Zeit haben“ oder „Das wolltest du doch schon sooooo lange lesen“. Was dagegen hilft? Nicht wirklich viel, außer eisern zu bleiben und dem betörend-säuselnden Ton ignorieren. Wenn ich es geschafft habe, 8 Jahre abstinent und frei von Drogen gewesen zu sein, dann wird das doch wohl nicht allzu schwer sein. Überraschung, ist es wirklich nicht und macht sogar richtig Spaß. Es fühlt sich gut an, zu sehen, wie die Regale immer leerer werden und Platz für neues schaffen. Und wenn das neue wieder einmal im Begriff ist, mich zu erschlagen, dann wird es eben verkauft. Falls ich eines Tages jedoch plötzlich doch auf das verkaufte Spiel oder Buch Lust bekommen sollte, dann wird es eben erneut gekauft. Dann aber auch mit der Intension, es zu konsumieren und nicht im Regal vor sich hinstauben zu lassen. Also erst wenn ich richtig darauf Lust habe. Wenn ich meine Ausmisterei rückblickend so betrachte, kann ich sagen, dass diese Situation sehr selten vorgekommen ist. Die meisten verkauften und verschenkten Medien sind so schnell aus meinem Leben verschwunden, wie sie den Eingang darin gefunden haben und diejenigen, die ich mir erneut gekauft habe, konnte ich dann auch mit voller Aufmerksamkeit genießen.

Ich wünsche mir, dass ich irgendwann an den Punkt komme, meine Regale nicht fortwährend mit Medien vollzustopfen und diese nicht erst beim absoluten Überquellen zu leeren. Doch bin ich heute stolz, dass es mir gelingt, mich zumindest periodisch davon zu trennen und Platz zu schaffen. Ebenfalls bin ich stolz auf mich, dass ich nicht mehr mit einem Vollständigkeitsanspruch an Bücher, Serien und Spiele herangehe und diese zu ende lese, schaue, spiele und das obwohl ich schon längst die Lust daran verloren habe. Mittlerweile habe ich kein Problem mehr damit, ein Medium, dass mir nicht gefällt, zur Seite zu legen und nicht kategorisch beenden zu müssen. Für mich ein großer Schritt.

Autor*in: Bossi

Ich möchte meine eigene Gruppe etwas anders angehen und die üblichen Runden einer Selbsthilfegruppe mit ein paar innovativen Methoden etwas beleben. Über eben diesen Einsatz von Methoden in der Selbsthilfe, meine Erfahrungen damit und meine persönliche Suchtgeschichte möchte ich im Blog berichten und mich darüber austauschen.

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