Ziel Therapieende

An einem total verregneten, stürmischen Januartag laufe ich noch einmal durch die Innenstadt, eile zum x-ten Mal – keuchend mit der FFP2 Maske im Gesicht – die Stufen der fünf Etagen des Ärztehauses hinauf und nehme im freundlich grün gestrichenen Wartezimmer meiner Therapeutin Platz. Ein letztes Mal heißt es nun: „Wie geht’s? Was lief gut? Was schlecht? Was nehmen Sie mit? Wie haben Sie reagiert?“ und so weiter. Eine knappe Stunde später geht’s wieder die hundert Stufen hinab und raus in den Regen.

Zack- das war’s. Fast genau 5 Jahre nach dem Start meiner Verhaltenstherapie, beende ich meine letzte Sitzung. Meine Gefühle sind bei dem Gedanken ziemlich gemischt. Einerseits fühlt es sich richtig an, denn ich habe an den immer länger werdenden Abständen zwischen den vergangenen Terminen gemerkt, dass mir die Zeitspanne dazwischen nichts ausgemacht hat. Tief in mir drin sitzt die Gewissheit, dass ich „austherapiert“ bin. Ich kenne alle Handwerkzeuge, die ich in meinem Alltag brauche, um meine Sorgen und Ängste zu bändigen. Ich kann mir die Fragen selbst stellen, die mir meine Therapeutin normal stellt und ich kann sie mir auch selbst beantworten. Außerdem hat mir meine Therapeutin oft genug gesagt, dass sie mir eigentlich nichts mehr Neues sagen kann, ich wisse es doch ohnehin schon. Ja, sie hat Recht. Ja, ich komme gut klar. Und ja, die letzten 5 Jahre haben Früchte getragen und mich gestärkt. Ich kann nun ohne die „Krücke“ Therapie laufen und das eigentlich schon recht lange. Wenn ich weitere Fortschritte machen will, muss ich dies sogar tun.

Zweifel bleiben

Trotzdem bleibt ein mulmiges Gefühl. Irgendwo hinten im Kopf sitzt ein kleines Männchen, das mir zuruft: Du hast die Stütze die letzten 5 Jahre gebraucht, was genau lässt dich jetzt glauben, du könntest es alleine? Ich kenne es ja kaum noch anders. In den letzten Jahren konnte ich mir bei Herausforderungen, Tiefen und Schwierigkeiten immer sagen, dass ich dies das nächste Mal in der Therapie aufarbeiten kann. Das gab mir ein beruhigendes Gefühl. Wie wird es jetzt wohl sein, wenn ich das nicht mehr habe? Es wird sich zeigen.

Was bleibt ist die Gewissheit, dass ich nicht alleine bin. Ich habe meine liebsten Menschen um mich herum, die mich bestens kennen und wissen, wann ich was brauche und mit denen ich immer reden kann. Außerdem bin ich nicht mehr die gleiche Person, wie vor der Therapie. Meine „Angst-Warnzeichen“ kann ich inzwischen gut einschätzen und auf sie reagieren. Und das Wichtigste: Ich kann IMMER um Hilfe bitten, falls es mir mal wieder schlechter gehen sollte. Der Weg in die Therapie wird nie wieder mit so viel Überwindung verbunden sein, wie vor 5 Jahren. Wenn es drauf an kommt, kann man auf Hilfe zählen und das beruhigt mich sehr.

Autor*in: kopfstark

Seit ich denken kann begleitet mich die Angst. Nicht so, wie sie jeden Menschen begleitet, sondern ständig und in den meisten Fällen unbegründet (objektiv betrachtet). Seit ich ein kleines Mädchen bin, habe ich Therapieerfahrung gesammelt und durch ständiges An-Mir-Selbst-Arbeiten viel über mich, das Leben und die Psyche gelernt. Hier möchte ich gerne etwas davon teilen.

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