Bachelorzeugnis

Besonders im letzten Jahr habe ich nicht mehr wirklich daran geglaubt, dass ich es schaffen kann. Die Ängste haben immer mehr die Überhand genommen und ich habe es nur noch selten geschafft in einer Vorlesung zu sitzen. Mit jedem Meter, den ich der Uni näher kam, wurden meine Beine schwerer und schwerer; das Gefühl, dass mir jemand die Luft zum Atmen wegnimmt immer stärker. Und dann wartete auch noch mein Bachelor-Vortrag auf mich. 90 Minuten vor dem Kurs stehen. Sprechen. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Der Situation ausgesetzt sein. Das hätte ich nicht geschafft.

Ich durfte den Vortrag dann nur vor den drei Dozenten halten. Trotz Attest von meiner Psychiaterin hatten sie im Vorfeld kein Verständnis dafür, wieso man davor solch eine Angst haben kann. Im Nachhinein vielleicht etwas mehr. „Man hat auf jeden Fall gemerkt, dass es dir wirklich Probleme bereitet“, war die Rückmeldung zu meinem Vortrag. Wenn man es denn überhaupt Vortrag nennen konnte. Gesprochen habe ich nur die ersten vier Minuten. Die restlichen 86 habe ich meinen Text nur angeschrieben. Wenigstens galt es als bestanden.

Eigentlich weiß ich, dass es okay ist Hilfe anzunehmen. Dass es okay ist, dass mein „Vortrag“ in dieser Weise trotzdem als bestanden galt. Dass es eine gute Leistung ist, ein Mathestudium abzuschließen und dass ich mich nicht vergleichen kann mit anderen Menschen, die keine Angsterkrankung haben. Ein Teil von mir weiß das, sonst würde ich es hier nicht schreiben. Doch leider ist da noch der kritische Anteil, der mir genau das Gegenteil sagt. Und leider ist dieser Anteil momentan viel stärker.

Aber nichtsdestotrotz bin ich jetzt vor allem erleichtert, dass ich mein Bachelor-Zeugnis in der Hand halte und das Studium erst einmal vorbei ist.

Autor*in: Mutsammlerin

An ein Leben ohne Angst kann ich mich nicht erinnern. Aber ich kann davon träumen, die Angst aushalten und für meine Träume kämpfen.

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