Stresstoleranztraining Wohnungssuche

Seit meiner Reha im August 2021 suche ich schon eine Wohnung. In meiner WG habe ich mich schlichtweg unwohl gefühlt. In dieser Zeit ging es mir psychisch einfach miserabel und soziale Interaktionen zährten an mir. Die Gegebenheiten in der WG was die Dienste meiner Mitbewohner anging, waren nicht mit meinen Vorstellungen vereinbar. Meine Betreuerin meinte ich habe einen höheren Standard als meine Mitbewohner, was natürlich stimmte, aber ich konnte ja niemanden zwingen meine Standards aufzunehmen und nach Ihnen zu leben.

Ich habe immer wieder Vermieter im Umkreis bei mir angeschrieben und habe bei 98% der Wohnungen keinerlei Rückmeldung erhalten. Auch wurde mir gesagt ich habe zu hohe Ansprüche an die Wohnung. Ein Backofen wurde mir als Luxus verkauft was für mich überhaupt keinen Sinn macht. Wenn schon eine Einbauküche angeboten wird ist es doch verständlich sich einen Backofen zu wünschen. Aber nein 2 Herdplatten und eine Spüle – auch romantisiert als Pantry-Küche vermarktet. Das wollte nicht mein Anspruch sein, so suchte ich weiter.

Aber Woche um Woche verging und es erreichten mich keinerlei Antworten. Im November dann hatte ich Aussicht auf eine Wohnungsbesichtigung. Hochmotiviert und Euphorisch machte ich mich schon vor dem Besichtigungstermin zur Adresse auf um mir ein besseres Bild der Umgebung zu machen und um mir schon mal den Weg für die Besichtigung einschätzen zu lernen. Am Besichtigungstag war ich sehr aufgeregt, fast elektrisiert von Euphorie und Nervosität. Schon eine Stunde vor der vereinbarten Zeit war ich am besagten Haus. Da kam sie, die Nachricht mit der ich mal nicht gerechnet habe: „Muss leider für heute absagen, es ist was dazwischen gekommen“.

Richtig enttäuscht machten meine beste Freundin und ich uns auf den Rückweg, wir hatten es nicht weit. Erst einmal sammeln, dann antworten. Typisch für meine Erkrankung kochte Wut in mir hoch die ich gerade so noch halten konnte. Nach wenigen Minuten des gut Zuredens, schrieb ich also: „Kein Problem, melden Sie sich gerne für einen neuen Termin“. Zugesichert spätestens nächste Woche einen neuen Termin zu erhalten beendete ich die Konversation.

Schon krankheitsbedingt den Vermieter abgeschrieben gab ich ihm die letzte Chance sich zu melden ansonsten sei das Thema für mich beendet. Wochen lang hörte ich nichts von ihm und ich hatte für diese Wohnung schon abgeschlossen.

Nach ein paar Wochen fasste ich den Entschluss in meiner Anzeige offen und ehrlich zu sein. „Leistungen vom Amt wegen Erkrankung“. Hier und da kam mal ein Angebot, aber anscheinend waren diese Menschen nicht fähig meine Anzeige richtig zu lesen, da die Miete viel zu höher war als ich in meiner Anzeige vermerkt hatte.

Langsam besserte sich das Klima für mich in meiner WG, mir ging es schon besser und wir hatten eine neue Mitbewohnerin. Schnell kippte das Klima ins positive, wir verstanden uns alle gut und haben wieder mehr zusammen gemacht. Ich fühlte mich wieder wohl in meiner WG.

Dennoch wollte ich weiterhin Ausziehen, da ich für mich erkannt habe, ich muss lernen alleine klarzukommen und das Alleinsein aushalten.

Und wie aus dem Nichts meldete sich der Vermieter den ich vorhin erwähnt habe und bot mir nach 3 Monaten einen neuen Besichtigungstermin an. Ich war ihm gegenüber offen und ehrlich und kommunizierte das ich Leistungen vom Amt erhalten und ob es denn Interesse hat. Er sagte zu.

Zum Besichtigungstermin nahm ich meine Betreuerin mit getarnt als moralische Unterstützung. Ich habe nicht viel von der Wohnung erwartet. Aber ich war positiv überrascht als ich sie dann betreten hatte. Ein großes Bad mit Waschmaschinenanschluss (in meiner Umgebung und Preisklasse waren oft nur Waschkeller Gang und Gebe). Einen Abstellraum. Eine Einbauküche, diesmal keine Pantry-Küche als Einbauküche vermarktet und meinen so sehnsüchtig erhofften Backofen. Ein Zimmer in L Form und sogar einen Balkon. Die Wohnung war ein Glücksgriff.

Nicht mal 24h später war die Wohnung vom Amt bewilligt und der Mietvertrag unterschrieben.

Mit dem Neuen kommen auch Ängste

Jetzt hab ich sie, eine Wohnung auf die ich lange gewartet habe. Nach Wochen von Ignoranz und Verzweiflung. Aber mit der neuen Wohnung und der Situation bald alleine zu leben kommen auch die Ängste. Ich habe nie alleine gelebt. Bis ich 21 war wohnte ich mit meinen Brüdern und meiner Mutter (mit Unterbrechung) zusammen und dann bin ich in die Betreute WG gezogen. Allein war ich manchmal nur für wenige Stunden. Wenn ich mich zurückerinnere nicht die besten Stunden in meinem Leben, Angst, Panik und Unsicherheiten machten sich breit sobald ich allein zuhause war. Klingelte es dann noch an der Tür war es ganz vorbei.

Meine Betreuerin, die Leitung der Einrichtung und mein Psychiater, alle trauen es mir zu in einer eigenen Wohnung zu leben. Für mich ist das aber Neuland und wird sich sicher noch als große Herausforderung herausstellen. Alleine das packen und der Umzug werden viel von mir abverlangen. Ich meine ich habe es nicht weit zu meiner neuen Wohnung gerade mal ein paar hundert Meter. Dennoch die meiste Zeit auf mich allein gestellt. Ich werde natürlich noch Betreuung beibehalten. Aber es wird jemand neues und es gibt nur 1 Gespräch die Woche. Auch hier macht sich Angst breit: „Was wenn ich mit der neuen Betreuung nicht zurecht komme oder ein Gespräch die Woche nicht ausreicht?“.

Seit ein paar Tagen macht sich der Gedanke in mir breit das ich am liebsten einen Tagesplan mache in der ich stündlich getaktet aufschreibe was ich tun muss. Mein Psychiater nannte es extrem. „Ein Plan zu haben ist nicht verkehrt, Tagesstruktur ist wichtig. Aber sie können sich nicht jede Minute durchplanen.“

Ich solle mir meine Kontakte als Netz aufbauen und in schwierigen Momenten, z.B. wenn ich Angst habe oder eine Motivation brauche rauszugehen, mich von diesem Netz auffangen lassen. Meine beste Freundin, mein Partner und meine noch Mitbewohner sind ja nicht weit weg.

Ich werde mir einfach Zeit lassen und alles langsam auf mich zukommen lassen. Ich werde den Umzug nicht an einem Tag durch quetschen und mir Pausen genehmigen. Auch wenn ein Karton 2 Tage nicht ausgeräumt oder eine Kommode 5 Tage nicht zusammengeschraubt wird ist das Ok.

Ich nehme mir die Zeit mich zu entschleunigen um nicht in eine Krise zu rutschen.

Autor*in: Blue

Das wird ein Kampf, ein Kampf um meine Gesundheit, ein Kampf um eine glückliche Zukunft und ein zufriedenes Leben. Diesen Kampf kämpfe ich gerne... zumindest die meiste Zeit.

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