Allein verreisen? Für mich gar kein Problem, im Gegenteil. Erstaunlicherweise fühle ich mich auf Reisen viel belastbarer und weniger „depressiv“, als zu Hause. Woran das liegt, kann ich nur mutmaßen. Möglicherweise bin ich beim Reisen so sehr auf mich selber zurückgeworfen und darauf angewiesen, dass alles „funktioniert“, dass ich letztendlich einen besseren Zugriff auf meine inneren Ressourcen habe: Selbstfürsorge, Verantwortung, Organisation. Denn ein sehr gemeiner Trick meiner Depression ist es, diese zu verstecken und mir vorzumachen, ich sei schwach, hilflos und nicht belastbar. Auf Reisen merke ich, dass das nicht der Fall ist und das gibt mir dann richtig Auftrieb und macht mir Mut! Daran kann ich auch nach dem Urlaub immer noch gut festhalten und mich dadurch sozusagen selber ermutigen.

Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass ich es mir im Urlaub alleine scheinbar viel mehr erlaube, mal durchzuhängen und nur das zu machen, worauf ich wirklich Lust habe, ohne auf jemand anderes Rücksicht nehmen zu müssen. Das hat mich im Alltag doch immer sehr schnell im Griff, denn überall sind andere Menschen, mit denen wir uns abstimmen wollen bzw. müssen: Partner, Freunde, Arbeit… Im Urlaub mache ich wirklich nur das, was ich will. Und das fühlt sich verdammt gut an.

Letzte Woche war ich nun für ein paar Tage in Paris, eine Stadt, die ich wirklich sehr liebe und wo ich als Kind selber für eine Zeit gelebt habe. Daher sind mir die Straßen und die Menschen dort vertraut, ich fühle mich sicher und fast ein bisschen zu Hause. Es war wundervoll, abends an der Seine zu sitzen, Musik in den Ohren, und den Menschen beim Leben zuzuschauen. Das habe ich an dem einen Abend fast zwei Stunden lang gemacht und dabei aufgetankt. Und auch wenn ich nicht ständig nach Paris kann und die Seine nicht hier ist, kann ich vielleicht das eine oder andere Lebensgefühl aus dem Urlaub in meinen Alltag integrieren…

Autor*in: Gedankentänzer

Als junger, von Depressionen betroffener Mensch engagiere ich mich seit vielen Jahren in der Selbsthilfe, weil ich der Stigmatisierung von psychischen Leiden etwas entgegen setzen und mich für mehr Offenheit und Aufklärung stark machen möchte. Gedankengänger macht gerade eine Schreibpause

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