Mona Lisa mit Mundschutz

Mir ist bewusst, dass jeder nach anderen Maßstäben lebt. In der jetzigen Situation um Corona klettert jeder seine persönliche Treppe des Leidens hinauf und denkt, dass er schon oben angekommen ist. Falsch, denn für andere ist dies nur eine weitere Stufe des Leidens. Für Menschen wie mich ist diese Ausnahmesituation nämlich gar nicht so alltagsfern.

Abstandhalten, Hygiene-Regeln und Desinfektion gehörten schon immer zu meinem Alltag. Ich nehme seit acht Jahren Immunsuppressiva und mein Immunsystem ist so geschwächt, dass ich aktuell seit drei Wochen erkältet bin. Den Informationen des RKI zufolge braucht ein Mensch ohne Vorerkrankungen, der nicht zur Risikogruppe gehört, nur zwei Wochen, um sich von Corona zu erholen. Da mein Immunsystem mit einer simplen Erkältung schon dermaßen überfordert ist, will ich mir die Ausmaße von Corona bei mir gar nicht vorstellen. Selbst eine Grippe kann bei mir lebensgefährlich sein. Meine Medikamente absetzen kann ich auch nicht, denn das würde einen Krankheitsschub auslösen, der mich noch anfälliger für das Virus macht. Ich lebe seit Wochen, seit einiger Zeit noch vor den Social-Distancing-Maßnahmen, in selbstgewählter Quarantäne, um mich zu schützen. Ich kann meinen Freund nicht sehen und halte sogar zu meiner Familie im Haus 1-2m Abstand. Selbst wenn ich das Haus nicht verlasse besteht schließlich immer noch die Möglichkeit mich bei meiner Familie zu infizieren. Meine Hände sind wund vom vielen Händewaschen. Ich habe Panikattacken und gestern habe ich geweint, weil ich nicht weiß, wie es in Zukunft für mich weitergehen wird. Meine Mutter konnte mich nicht einmal in den Arm nehmen.

Meine Kommilitonen jammern mir die Ohren voll: das Fitnessstudio hat geschlossen, die Prüfung für die so hart gelernt wurde – abgesagt und jetzt hat man zwar frei, aber Freunde treffen oder etwas unternehmen kann man trotzdem nicht. Viele haben auch Angst und kaufen im Überfluss Lebensmittel, die andere dringend benötigen. Ich bin darmkrank und wenn ich bei einer Sache keinen Spaß verstehe ist das wenn man kein Toilettenpapier mehr bekommt. Die Menschen sind beunruhigt wegen der Maßnahmen und haben furchtbare Angst sich anzustecken. Zum Glück so viel Angst, dass einige tatsächlich zuhause bleiben und nicht die nächste Corona-Party feiern. Ich bin um jede Maßnahme froh, denn was viele vergessen ist Folgendes: Es geht darum Menschen wie mich, die Risikogruppe, mit diesen Maßnahmen zu schützen. Wenn alle Menschen auf der Welt Immunsuppressiva nehmen würden, hätten wir nämlich jedes Jahr zur Grippezeit Corona-ähnliche Zustände.

Auch, wenn für viele ab Mai hoffentlich der normale Alltag wieder einkehrt, bleibt für mich die Gefahr vorerst bestehen. Gänzlich beruhigt werde ich wohl erst wieder sein, wenn es einen Impfstoff gibt. Ich werde nicht, wie alle anderen, einfach wieder zur Uni gehen oder mich mit Freundinnen treffen können. Ich befürchte, mein Alltag wird weiter eine Ausnahmesituation bleiben. In meiner Selbsthilfegruppe haben viele diese Sorgen. Für uns ist das gerade sehr schlimm und dennoch weiß ich, dass es anderen gerade noch schlechter geht. Sie kämpfen gerade gegen das Virus und um ihr Überleben. Daher bitte ich inständig: Bleibt zuhause und schützt diejenigen, die der Situation hilflos ausgeliefert sind.

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Autor*in: Alltagsheldin

Ich melde mich hier als Alltagsheldin stellvertretend für alle anderen Alltagshelden und Alltagsheldinnen zu Wort, die ebenfalls mit einer unsichtbaren chronischen Erkrankung leben.

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