Symbolbild

Ich bin ein Planungsmensch – schon immer gewesen, soweit ich mich erinnere. Ich weiß gerne weit im Voraus, was mich in nächster Zeit erwartet, wie meine Tage aussehen, welche Herausforderungen anstehen und auf was ich mich freuen kann. Für mich sind meine Termine und Pläne kleine Ankerpunkte im Alltag, an denen ich mich lang hangeln kann und mit deren Erledigung ich überprüfen kann, ob alles so läuft wie es soll. Das Prinzip hat vor allem sehr viel mit Kontrolle zu tun, denn eine große Sorge bei mir ist die Angst vor Kontrollverlust. Einfach so in den Tag hinein zu leben, nicht wissen, was passiert, ist für mich schwer auszuhalten. Ich bin ein Mensch, der sich innerlich gerne vorbereitet, alles schon mal im Kopf durchspielt und damit versucht, eventuelle Hindernisse oder Enttäuschungen zu vermeiden. Spontanität gehört nämlich nicht zu meinen Stärken. Natürlich weiß ich, dass das Leben so nicht funktioniert. Man kann nicht die totale Kontrolle haben und alles voraussehen. Man kann Fehler und Probleme nicht alleine durch Planung vermeiden. Dennoch ist es sehr schwer für mich, die Ungewissheit als Teil des Lebens zu akzeptieren.

Ein Ende in Sicht – oder?

Als vergangenes Jahr Corona begann die Welt im Griff zu haben, wurden auch nach und nach meine Pläne zunichte gemacht. Eine Reise, eine Feier, eine Verabredung nach der anderen fielen aus oder wurden auf unbestimmte Zeit verschoben. Ich fand mich plötzlich vor einem leeren Terminkalender wieder – die Ungewissheit war allgegenwärtig. Für mich als Planungsmensch eigentlich eine totale Katastrophe. Eigentlich. Denn nach anfänglicher Traurigkeit, Sorge und Angst, musste ich recht schnell feststellen, dass mich die neue Situation gar nicht so schlimm belastet. Die riesige Ungewissheit war nicht so dramatisch für mich, wie ich zunächst gedacht hätte. Ich war über mich selbst verwundert und habe in der vergangenen Zeit einmal analysiert, woran das liegen könnte. Es sind bestimmt verschiedene Gründe, die das beeinflusst haben, aber was vor allem eine Rolle gespielt hat, war mein Glaube daran, dass diese Situation zeitlich begrenzt ist. Ich dachte: Ok, du kannst nun etwa ein halbes Jahr nichts planen, das Leben ist auf Sparmodus gestellt. Ist doch vielleicht auch eine ganz gute Herausforderung und entlastet dich etwas. Danach geht’s dann wieder weiter und du kannst wieder planen. Ich hatte mir imaginär ein Ende von Corona gesetzt und das hat mich die Ungewissheit ganz gut ertragen lassen.

Seit jedoch absehbar gewesen ist, dass die Pandemie mit Ende des Jahres 2020 nicht zu Ende sein wird, ist es schwieriger geworden. Die Unzufriedenheit mit der Ungewissheit ist gewachsen, da ein Endpunkt nicht in Sicht war. Hinzu kam, dass ich im Herbst 2020 erfahren habe, dass mein befristeter Arbeitsvertrag nicht verlängert wird und ich mir für 2021 einen neuen Job suchen muss – eine ungewisse Situation also sowohl privat, als auch beruflich.

Und auch bei der Jobsituation habe ich meine Taktik angewandt, mir selbst einen Endzeitpunkt zu setzen, damit die Ungewissheit besser zu ertragen ist. Ein bis zwei Monate dachte ich, müsste ich in diesem Schwebezustand ausharren, dann werde ich bestimmt wissen, wo ich künftig arbeite. Das Ergebnis war, dass es mir im Januar mit der Situation recht gut ging. Je weiter dann aber der Februar voran schritt, desto schlechter ging es mir. Mein angepeiltes Ende der Jobsuche passte nicht zur Realität und wann es stattdessen soweit sein würde, war nicht absehbar.

Ein Akzeptanzversuch

Im Endeffekt hat es dann 3 ½ Monate gedauert, bis ich Gewissheit hatte und selbst jetzt ist noch lange nicht alles so klar, wie ich dachte oder gerne hätte. Erneut wird mir wieder gezeigt, dass es nie einen Zeitpunkt gibt, an dem nichts mehr unklar ist. Es wird immer, immer, immer etwas geben, was noch geklärt werden muss, was ungewiss ist eben. Bislang habe ich noch kein Rezept gefunden, wie ich damit umgehen kann. Am besten hilft mir eigentlich, die Situation einfach so zu akzeptieren. An manchen Tagen gelingt mir das gut, an anderen wieder nicht. Aber ich werde es immer wieder versuchen. So lange, bis es sich in meinem Kopf verfestigt hat und Ungewissheit selbstverständlich geworden ist.

Autor*in: kopfstark

Seit ich denken kann begleitet mich die Angst. Nicht so, wie sie jeden Menschen begleitet, sondern ständig und in den meisten Fällen unbegründet (objektiv betrachtet). Seit ich ein kleines Mädchen bin, habe ich Therapieerfahrung gesammelt und durch ständiges An-Mir-Selbst-Arbeiten viel über mich, das Leben und die Psyche gelernt. Hier möchte ich gerne etwas davon teilen.

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