Ich studiere nun seit zwei Jahren und bin sehr zufrieden mit der Wahl meines Studiums und mit der Hochschule. Wir haben viele Möglichkeiten unsere Interessen im Studium zu verfolgen, wenig Druck und viele sehr gute Dozenten. Noch nie habe ich mich in meinem Bildungsweg so „richtig“ gefühlt als nun im Studium. Abgesehen davon, dass ich mit meinen Kommilitonen gut klarkomme, profitiere ich von den Nachteilsausgleichen. Wobei profitieren eigentlich das falsche Wort ist, aber es fühlt sich für mich so an, da ich im bisherigen Bildungsweg (Schule & Ausbildung) Benachteiligung erfahren habe und mir kein „Sonderstatus“ zustände. Nachteilsausgleiche wurden somit nicht als Ausgleich angesehen, sondern als Bonus und des ist es defacto nicht. Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung haben es nun mal an mancher Stelle schwieriger als gesunde Menschen.

Wie ihr wisst, habe ich immer wieder, teilweise auch täglich, mit Krämpfen, Übelkeit und Co zu kämpfen. Das beeinträchtigt mich in meiner Leistung. Selbst das Schreiben einer Hausarbeit kann zum Marathonlauf werden, weil sitzen, arbeiten, lesen, schreiben teilweise gar nicht möglich ist. Manchmal bin ich im Schreibflow und muss abbrechen, weil mein Darm plötzlich zickt. Ärgerlich. Aber aufgrund dessen stehen mir Nachteislausgleiche wie längere Schreibzeiten bei Klausuren, längere Fristen bei Hausarbeiten und sogar längere Ausleihfristen für Medien (Bücher, DVDs und co) zu. Das ermöglicht mit meist im Rahmen meiner Möglichkeiten unter fairen, angepassten Bedingungen Prüfungsleistungen zu absolvieren. Allerdings gibt es für mich auch ein großes Problem: Der Krankheitsfall ist nicht geregelt.
Als ich anfing zu studieren, ging ich zur Arbeitsstelle barrierefreies Studium und fragte nach, welche Möglichkeiten ich hätte, wenn ich am Tag einer Prüfungsleistung (z.B. einer Klausur oder einem Referat) krank bin. Ich bekam eine sehr klare Antwort „Dann müssen Sie die Prüfung nachträglich abmelden“. Ich war fassungslos und bin es immer noch. Der befürchtete Krankheitsfall trat bei mir schon mehrfach ein. Unter Medikamenten, wie im Drogenrausch, schrieb ich verzweifelt den Dozenten. Auf meinem Handy erkenne ich in solchen Fällen kaum etwas, hoffe die Tasten zu treffen und möglichst fehlerarm eine oder mehrere Mails verfasst zu bekommen. Dann ist beten angesagt. Beten auf Kulanz des Dozenten. Hoffen, irgendwie die Prüfungsleistung wahrnehmen zu können. Fast immer hat es bisher geklappt. Manchmal mehr schlecht als recht, manchmal in einem nahezu verantwortungslosen Zustand. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, dachte ich mir vermutlich so einige Male. Ob mit Infusionsnadel im Arm auf eigene Verantwortung in die Uni um ein Referat mit verwirrtem Kopf und mäßig stabilen Kreislauf zu schreiben, ob ganze Hausarbeiten im Krankenhaus verfasst… So lang es unbenotete Leistungen sind, alles easy.
Ein weiter Nachteilsausgleich, den ich habe, ist die Bevorzugung bei der Seminarplatzvergabe. Erleichtert mein Leben ungemein, da ich besser planen kann – auch was Arzttermine angeht -, weniger Stress habe, und mehr Sicherheit. Ich habe immer mindestens ein Seminar mehr gewählt als ich wirklich machen möchte, da es mir dann nicht so weh tut, wenn ich eine Prüfungsleistung nicht wahrnehmen kann – was ebenfalls schon vor kam. Dieser Puffer wurde mir nun mit der Änderung des Platzvergabeverfahrens genommen. Ich habe zwar noch diesen Nachteilsausgleich, jedoch kann man nur eine bestimmte Anzahl an Erstwünschen erhalten. Das heißt für mich: Puffer adieu. Ich könnte zwar rein theoretisch nach wie vor einen Puffer durch die Wahlen erhalten, allerdings würde dies bedeuten, dass ich mal locker 40 Seminare wählen muss, um irgendwo noch einen Platz als zweite, dritte, vierte… Priorität zu erhalten. Davon abgesehen ist 5. Semester vermutlich mein letztes Semester mit Seminaren im Vollzeitumfang.
Der Umstand des fehlenden Nachteilsausgleiches macht mich bereits lange traurig. Es ist nicht fair einfach Pech zu haben und Prüfungsleistungen abmelden zu müssen bzw. keinen Anspruch zu haben eine Prüfungsleistung nachträglich wahrzunehmen. Nun wurde mir auch noch der Puffer genommen… Ein weiteres absolutes No-Go. Ich habe die Grundproblematik (fehlender Nachteilsausgleich) bereits bei mehreren Stellen angesprochen. Mir wurde mir zugestimmt und es passiert trotzdem nichts.
Ich möchte dennoch nicht aufgeben und für meine und die Rechte meiner Kommilitonen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung und von zukünftigen Studierenden an meiner Hochschule kämpfen. Ich werde mich die Tage ans Dekanat wenden und auf die Missstände nochmals hinweisen. Dieser Beitrag soll ebenfalls auf diese Problematik hinweisen.
Es muss sich etwas ändern! Auch, wenn ich von einer Änderung nicht mehr profitieren werde, soll es anderen Studierenden nicht so ergehen wie mir!

Autor*in: Dickdarmlos

Tabus sind ein Teil unserer Gesellschaft. Verdauungsorgane, insbesondere der Darm, und die Menstruation sind immer noch Tabuthemen. Es gilt als ekelig oder unrein. Man möchte nicht darüber sprechen und erstrecht nichts darüber hören. Doch was ist, wenn du mit einer Genmutation auf die Welt kommst, der Darm früher oder später in den Mittelpunkt deines Lebens rückt, und das Leben dir obendrauf noch eine gynäkologische Erkrankung schenkt? Hier beim Lebensmutig Blog berichte ich über mein Leben mit Familiärer Adenomatöser Polyposis (FAP), Endometriose und den psychischen Folgen.

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