Gastbeitrag von: lebenswach

Ich spüre nichts außer Leid. Ich kann nicht in Worte fassen, worunter genau ich leide. Ein bisschen übel ist mir, glaube ich, und mir ist gleichzeitig warm und kalt. Außerdem Schüttelfrost. Aber das ist es nicht, das mich leiden lässt.

Ich will einfach nur, dass dieser Zustand aufhört. Dabei kann ich nicht mal genau definieren, was aufhören soll. Es ist wie ein starker seelischer Schmerz. Er hat schlagartig vor vier Stunden angefangen, ganz ohne Vorwarnung. Seitdem kann ich fast nichts mehr machen. Zuerst habe ich es mit Ablenkung versucht und ein bisschen Haushalt gemacht, aber das hat nicht geholfen. Dann habe ich mich trotz starker innerer Unruhe, die mich eigentlich nicht stillsitzen lässt, ins Bett gelegt. Nach und nach bin ich zur Ruhe gekommen. Nicht, weil ich wirklich innerlich ruhig war, sondern weil ich nicht anders konnte. Ich war zu schwach, um irgendetwas zu tun. Immer mal wieder sind meine Gedanken abgeschweift und ich bin fast eingeschlafen. Aber dieser Zustand des halb Wachseins, halb Schlafens hat mir auch nicht geholfen. Die Ruhe war irgendwie beunruhigend.

Ich habe also nach einer Stunde entschieden, eine mir nah stehende Person anzurufen. Zum Handy zu greifen hat sich angefühlt wie einen Marathon zu laufen. Und das aus meinem Mund will was heißen, ich mache beim Laufen nämlich schon nach nem halben Kilometer schlapp. Leider hatte besagte Person gerade keine Zeit mit mir zu reden. Deshalb habe ich angefangen, mit mir selbst zu reden, und zwar in Form dieses Textes.

Der Schmerz lähmt mich. Aber vermutlich ist das genau das, was ich gerade brauche: Lähmung. Ich mache zu viel, nein, ich denke zu viel. Immer will ich alles perfekt machen und verstricke mich so sehr in meinen Gedanken, dass ich kaum zum Leben komme. Eigentlich will ich mich durch diesen Schmerz nur schützen.

In einem Film, den ich vor Jahren mal geguckt habe, hat ein schwerkrankes Mädchen gesagt: „Schmerz verlangt gespürt zu werden.“ Und meiner Meinung nach stimmt das. Deshalb hat die Ablenkung eben vermutlich auch nicht so gut funktioniert. Der seelische Schmerz will gespürt werden. Deshalb wird er so laut, bis ich ihm zuhöre.

Die Aussage des Mädchens würde ich aber noch erweitern zu: „Schmerz verdient gespürt zu werden.“ Denn Schmerz ist etwas so Gesundes. Er tritt immer dann auf, wenn er mir sagen will, dass mit mir etwas nicht stimmt. Ich sollte den Schmerz nicht nur ernst nehmen, sondern sogar respektieren. Das ist btw einer der Gründe, warum ich kein Fan von Antidepressiva bin. Sie unterdrücken den Schmerz und lassen mir nicht die Chance zuzuhören. Ich möchte das aber nicht verallgemeinern. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Antidepressiva nützlich sein können, wenn man so lange so starken Schmerz empfindet, dass man gar nicht anfangen kann zu leben. Man muss schon etwas Kapazität übrig haben, um den Schmerzen zuhören zu können.

Aber zurück zum Thema: Ich bin froh, dass es mir gerade so geht. Es zeigt mir, dass meine Seele eigentlich sehr gesund ist. Sie kümmert sich um mich, wenn mein Bewusstsein es mal nicht schafft und sich in Gedanken verirrt. Danke.

Autor*in: Gastautor*in

Ab und an schreiben auch Gäste in unserem Blog. Gastbeiträge sind mit dem Namen "Gastautor*in" gekennzeichnet.

in Zusammenarbeit mit:

Logo Schon mal an Selbsthilfegruppen gedacht?