Gruppenraum mit Tischen und Stühlen

Vor einiger Zeit war es endlich soweit: Selbsthilfegruppen konnten sich wieder im Gruppenraum treffen! Monatelang haben wir darauf gewartet, uns endlich wieder auszutauschen, denn Online-Treffen funktionierten bei uns leider gar nicht. Ich war gespannt und aufgeregt. Sehr aufgeregt sogar. Durch die lange Pause wurde die Angst nämlich wieder ziemlich stark.

Positive Überraschung

Ich habe mich schon oft gefragt, ob es für mich wirklich hilfreich ist, zu dieser Selbsthilfegruppe zu gehen. Wirklich wohlgefühlt habe ich mich in den zwei Jahren nicht und auch über Angst-bezogene Themen wurde insgesamt eher selten gesprochen. Deshalb bin ich nun mit dem Gedanken noch einmal und dann nie wieder zu dem Treffen der Selbsthilfegruppe gegangen. Wir waren zu fünft. Drei der anderen habe ich an dem Tag sogar schon mittags beim Testzentrum getroffen. Was für ein Zufall! Das Treffen war dann tatsächlich ganz nett, sodass ich meinen vorherigen Gedanken doch wieder änderte in ein Ich gebe dem Ganzen vielleicht doch noch eine allerletzte Chance.

Nervige Überraschung

In der Woche danach habe ich mich recht positiv gestimmt auf den Weg zum Gruppenraum gemacht. Dort wartete ich dann auf die anderen. Wartete und wartete und wartete. Schon ziemlich genervt davon, dass mal wieder niemand pünktlich kommt, entschied ich mich dann nach einer Viertelstunde wieder nach Hause zu gehen. Meine Stimmung war nun gar nicht mehr positiv, sondern verärgert und enttäuscht. Dann habe ich mich ja völlig umsonst auf den Weg gemacht und mich vor allem völlig umsonst testen lassen, war ein Gedanke, der mir durch den Kopf ging. Schließlich war der Weg zum Testzentrum sowie der Schnelltest eine große Herausforderung für die Soziale Phobie.

Wenn die Angst mit voller Wucht zuschlägt

Auf dem Weg nach unten hörte ich dann plötzlich bekannte Stimmen. Durchs Treppenhausfenster konnte ich sehen, dass der Rest der Gruppe draußen saß. Eine Mischung aus Überraschung, Enttäuschung und Ärger machte sich in mir breit. Der Gedanke daran, jetzt – eine Viertelstunde zu spät – noch zu ihnen zu gehen, erzeugte Angst. Ganz viel Angst, die mich erstarren ließ. Erst recht als ich merkte, dass ich, um aus dem Gebäude rauszugehen, an ihnen vorbeigehen muss. Meine Beine fingen an zu zittern, meine Atmung wurde immer schneller, Panik stieg in mir auf. Weinend schrieb ich einer Freundin von meinem Dilemma. Zum Glück antwortete sie direkt und ich schaffte es, wieder ein bisschen zur Ruhe zu kommen.

Rettender Moment

Ich fühlte mich gefangen in diesem Gebäude. Immer wieder schaute ich aus dem Fenster in der Hoffnung, einen unbemerkten Weg nach Hause zu finden. Vergeblich. Mit wackligen Beinen schlich ich mich zur Tür und öffnete sie einen spaltbreit. Glücklicherweise kam in diesem Moment eine Bedienung des Cafés nebenan zu dem Tisch der Gruppenmitglieder, sodass ich den Moment nutzen konnte, um zügig von dem Gelände zu verschwinden. Nachdem ich meine rote Regenjacke extra noch in meine Tasche gepackt habe, um weniger aufzufallen. Erleichtert und mit zittrigen Beinen ging ich dann nach Hause und fiel vor Erschöpfung direkt ins Bett.

Mit Unmut mutig umgehen

Vorher musste ich aber noch meinen Ärger loswerden! Schon auf dem Weg nach Hause blieb ich kurz stehen, um einem Mann aus der Selbsthilfegruppe eine SMS zu schreiben, in der ich meinen Unmut mitteilte. Eine riesige Herausforderung für mich! Denn das könnte schließlich dazu führen, dass mich die anderen Gruppenmitglieder dadurch erst recht nicht mehr mögen. Und wieso sollte mein Empfinden überhaupt jemanden interessieren?! Aber irgendwie musste es raus. Meine Enttäuschung und mein Ärger darüber, dass niemand auf die Idee gekommen ist, mal drinnen vor unserem Gruppenraum nachzuschauen, ob schon jemand da ist. Und – nach zwei Jahren hin und her überlegen endlich die Entscheidung – dass ich dort nie wieder hingehen werde.

P.S.: Die Reaktion auf meine SMS? Sie waren wohl schockiert. Ich hatte nicht das Gefühl, verstanden zu werden, sondern eher, dass meine Reaktion durch die Angst „zu übertrieben“ und „hier fehl am Platz“ war. Ja, vielleicht war meine Reaktion durch die Angst extremer, aber dann sollte sie doch dort erst recht einen Platz haben.

Autor*in: Mutsammlerin

An ein Leben ohne Angst kann ich mich nicht erinnern. Aber ich kann davon träumen, die Angst aushalten und für meine Träume kämpfen.

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