zwei Schilder, die in zwei verschiedene Richtungen zeigen, auf denen steht "trust" und "misstrust"

Dieser Text schließt an meinen Beitrag zum gemeinsamen Blogbeitrag des Monatsthemas an. Wie immer ist es mir wichtig, dass du beim Lesen gut auf dich achtest, ob dir das Lesen dieses Beitrags jetzt gerade guttut. Gerade, weil dieser Text neben einem positiven Blick und wichtigen Erkenntnissen auch Gedanken der Selbstbewertung und Verzweiflung im Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen enthält. Bei manchen Menschen kann dieses Thema vielleicht negative Reaktionen auslösen. Bitte sei achtsam, wenn das bei dir der Fall sein sollte.

 

Text: Hochkontrolliert authentisch – Kampf meiner Ich-Anteile

Ich bin so überfordert und verängstigt bei dem gleichzeitigen Versuch mutig zu sein und zu heilen.
Wer hätte gedacht, dass ich jemals so ein Problem mit dem Thema Beziehungen haben werde?
Wie kann es nur sein, dass ich gleichzeitig ein totaler Herz- und Beziehungsmensch bin und keine Angst vor Nähe habe, so viel Liebe zu geben habe, sehr treu und verlässlich bin in Beziehungen – und gleichzeitig so sehr mit dem Kopf alles was ich sage und tue überprüfe, „zerdenke“ und steuere, sodass ich beim Versuch in Beziehungen authentisch zu sein ganz und gar nicht frei bin, sondern wie ich es bezeichnen würde „hoch kontrolliert authentisch“?
Ehrlichkeit darüber macht mir panische Angst.
Die Erkenntnis darüber schmerzt gleichermaßen, wie sie mich überfordert, unsicher und hilflos macht.

„Was hab ich nur gemacht? Jetzt war ich ganz bestimmt zu viel. Und wenn jetzt noch nicht, dann wird das mein Gegenüber ganz bestimmt später merken. Das wollte ich doch gar nicht, warum war ich nur so ehrlich mich zu zeigen, obwohl mich das ‚zerstören‘ könnte? Was denkt der andere nun über mich? Kann ich ihm überhaupt jemals wieder in die Augen sehen? Wird der andere nur aus Mitleid und Verantwortungsgefühl weiter mit mir Kontakt haben? Wie kann ich es dem anderen leicht machen, mich loszuwerden, wenn er will? Wie viel Pause braucht der andere jetzt wohl von mir? Wie konnte ich nur…“

So und ähnlich denke ich oft, wenn ich mich verletzlich zeige. So und ähnlich fühle ich dann.
Und das Verrückte ist, wenn ich jemandem Nahestehenden Einblick in mein Inneres gewähre, ist das für denjenigen wahrscheinlich gar nicht schlimm, lästig, unzumutbar, belastend, usw…
Nur meine Angst erschafft all die potenziellen Szenarien und Gedanken, Gefühle und Reaktionen, die der andere haben und zeigen könnte.
Um mich seelisch darauf vorzubereiten, was alles passieren könnte. Dass da vermutlich Verletzung folgt.
Sie macht das in mir, damit ich das verkraften kann und nicht aus Schock komplett „zerfalle“.
Es ist Selbstschutz, aber ich bin wohl weniger gesund als ich dachte. Das tut weh.
Ich will das so nicht mehr. Ich will mutig sein, frei sein, loslassen, zu mir stehen.
Ich will als „Ich“ Erfahrungen machen, nicht als die von mir geschaffene „hochkontrolliert-ständig-auf-alles-angepasste-und-überprüfte-Version“ meiner Selbst.
Ich möchte dabei die guten Eigenschaften und Werte behalten, mit denen ich in meine kontrollierte Version gestalte.
Ich habe Angst, dass ich als „Ich“ unsensibel und egoistisch sein könnte, zu übermütig und stürmisch, zu viel oder zu wenig.
Ich habe auch Angst, dass ich als mein „natürliches Ich“ anecke, zu wenig Bereicherung bin, zu viel kaputt mache.
Und noch mehr an tiefen Verletzungen erfahre, die mich entweder zurück in meine „kontrolliertere Version“ versetzen oder mich „zerstören“.
Aber vielleicht ist das ja gar nicht so?
Schließlich konnte ich das „überangepasste hochkontrolliert-authentische Ich“ ja auch nur aus dem schaffen, was zu mir gehört – oder?
Und ich kann vielleicht auch beide Versionen mischen – als ein „Gesamt-Ich“?
Allerdings habe ich noch keine Ahnung wie das gehen soll.
Und ich müsste darin wohl bei der „kontrollierten Version“ ansetzen und immer wieder ein wenig „natürliches Ich“ machen lassen, bis das immer weniger beängstend ist, weil ich hoffentlich gute Erfahrungen damit mache.
Doch wie kann meine „hochkontrollierte Version“ das zulassen, wenn doch das „natürliche Ich“ das Wenige kaputt machen könnte, was die kontrollierte Version sich erarbeitet und für sich gewonnen hat?
Ich glaube meine Freundinnen wollen mein „Gesamt-Ich“, wollen auch mein „natürliches Ich“ kennenlernen, auch meinen verletzlichen, traurigen Anteil.
Das sagen sie zumindest. Aber wollen Sie das immer noch, wenn sie ihn kennenlernen? Was, wenn sie es dann bereuen?
Was, wenn ich in meinem „natürlichen Ich“ für andere nicht aushaltbar bin?
Und was, wenn ich gar nicht mehr mein „natürliches Ich“ sein kann, weil die Angst so groß ist, dass sie es mir das verbietet?
Was ist, wenn ich mich beim Versuch ein bisschen von diesem „natürlichen Ich“ „freizulassen“ komisch verhalte, weil das bestimmt unter „strenger Beobachtung“ meines „kontrollierten Teils“ passiert?
Weil nämlich ein innerer Kampf zwischen „einfach sein“ und „Kontrolle“ stattfindet, sobald es gefährlich wird.
Und es wird für meine innere Kontrollinstanz eigentlich dann gefährlich, sobald das „natürliche Ich“ ein wenig mehr Freiheit erhält oder sich diese in einem „schwachen Moment“ erobert.
Und dann ist da ein Kampf zwischen Mut und Angst, zwischen Wollen und Bereuen, zwischen Echt-sein und Gehemmt-sein, zwischen Bedürfnis und innerem Verbot dieses zu zeigen.
Und wenn währenddessen auf dem „inneren Schlachtfeld“ manchmal auch Ruhe herrscht, dann beginnt der Kampf im Nachhinein. Schleichend oder plötzlich.
Ein vernichtender innerer Kampf, gefühlt ums „Überleben“. Ein Kampf voller Urteil und Vernichtung.
Ein Kampf, in dem verschiedene Schiedsrichter verschieden urteilen.
Ein zehrender Kampf, weil Urteil über Urteil folgt und es entweder echt lange dauert, bis eine endgültige „Rechtsprechung“ erfolgt, oder diese offen bleibt und die Debatte mal heftiger, mal milder weitergeht.
Dadurch wird gezeigter Mut anschließend zur Qual.
Und ein bestimmt wichtiger Schritt zur Tortur.

Ich möchte auch mein Gebet teilen, welches ich im Anhang an diesen Text geschrieben habe. Du kannst selbst entscheiden, ob du es lesen möchtest.

Mein Gebet dazu:
Vater, weltlich gesehen scheint mir mein „Fall“ hoffnungsarm.
Doch ich will auf dich vertrauen und deine Gnade erfahren.
Ich glaube an deine Güte.
Ich glaube an das Geschenk, das ich durch deinen Sohn erhalten habe und an den Heiligen Geist als Helfer.
Ich glaube daran, dass du einen wundervollen Plan für mich hast.
Ich glaube, dass du mich als dein Kind unendlich liebst, auch wenn mein Gefühl hinterherhinkt und ich das manchmal kaum annehmen kann.
Ich glaube daran, dass du mich heilen möchtest und für mich Gesundheit möchtest.
Auch wenn ich deine Wege und all das Leid oft nicht verstehe.
Ich glaube an dich und ich möchte geduldig sein.
Und ich gebe nicht auf.
Ich halte an dir fest.
Denn du versprichst, dass alles gut wird.
Du versprichst, dass du immer mit mir bist und mich nie verlässt.
Auch wenn ich das nicht immer spüre, will ich darauf voll und ganz vertrauen.

Kontext: Aus meinem Leben & wohin soll’s gehen!?

Durch Vorkommnisse gegen Ende des letzten Jahres und zu Beginn dieses Jahres habe ich einiges an Erkenntnis über mich selbst gewonnen. In meinem Leben gab es viele Verletzungen, Enttäuschungen und zum Teil eben leider auch sehr prägende traumatische Erfahrungen im Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen. Gerade im Zusammenhang mit Personen, die mir emotional nahe waren, denen ich vertraute und bei denen ich „ich selbst“ war. Besonders in letzter Zeit habe ich stark gemerkt, wie sehr mich das in meinem „Sein“ in Beziehungen geprägt hat. Aber auch, was ich daraus Positives mitnehme und ändern möchte. Ich könnte hier eine lange Liste posten mit Verhaltensweisen, Denkmustern und Glaubenssätzen, die ich bei mir erkannt habe. Es tut mir weh zu sehen, wie sehr mich das eigentlich einschränkt und an wirklicher Gesundung hindert. Was all diese Verhaltensweisen gemeinsam haben, ist, dass sie Schutzstrategien sind, um mich selbst vor zu großer Verletzung durch andere zu bewahren. Diese Strategien sind nicht schlimm, im Gegenteil, für den anderen sind sie teilweise eher angenehm, da sie viel mit Rücksichtnahme zu tun haben. Allerdings sind sie wahnsinnig anstrengend, da ich extrem viel mit meinem Kopf durchdenke, reflektiere, überprüfe, abwäge usw. Und das, obwohl ich eigentlich ein totaler Gefühlsmensch bin. Mein Kopf überprüft trotzdem alles auf potenzielle „Gefahr“ und dosiert, hält zurück oder gibt die Erlaubnis. Das kann so ausschauen, dass ich mir genau überlege, wie diese oder jene Frage beim anderen ankommen könnte, ob sie demjenigen unangenehm sein könnte oder derjenige ablehnend und verletzend reagieren könnte. Oder was ich von mir erzählen kann oder nicht, da es dem anderen zu viel sein könnte, ihn belasten oder sein Denken über mich negativ beeinflussen könnte. Denn ich könnte ja zu viel sein. Und ich muss ja immer eine Bereicherung sein, egal wie es mir geht. Und wenn ich einmal sage, dass es mir nicht gut geht, dann darf ich das eine Weile nicht mehr. Und wenn es mir schlecht geht, meld ich mich am besten gar nicht bei dem anderen, denn wenn er dann zurückfragt, wie es mir geht, dann könnte er ja meinen, ich hätte ihn nur gefragt, weil ich „Meins“ loswerden möchte, obwohl das gar nicht stimmt und es mich wirklich interessiert wie es dem anderen geht. Und wenn ich dann mal mehr erzählt habe, als ich eigentlich wollte, oder sogar ein klein wenig geweint habe, weil ich mit der Selbstbeherrschung an meine Grenzen gekommen bin, dann ist da Peinlichkeit und Scham. Ich kann mich dem anderen doch nicht in meinem Schmerz zumuten… Das nur als ein paar Beispiele, damit du verstehst wovon ich rede. Im Endeffekt ist da ganz viel Angst in mir. Angst zu sehr zu vertrauen, sich anzuvertrauen, loszulassen, als ich selbst abgelehnt zu werden, zu viel zu sein, zu wenig zu sein, zu nerven, nicht zu genügen, etwas falsch zu machen… Wenn ich die andere Person um Hilfe frage, steckt in meiner Frage für den anderen immer auch ein Ausweg, wie er die Hilfestellung so abschlagen kann, dass es mir nicht so sehr wehtut. Auch das ist Selbstschutz. Aber all das ist wahnsinnig anstrengend und auslaugend. Ich weiß gar nicht, wann ich mich überhaupt zuletzt in einer zwischenmenschlichen Beziehung wirklich sicher gefühlt habe. Das ist sogar in gewisser Weise in der Therapie so, auch wenn es langsam besser wird. Auch da habe ich schon ziemlich schlechte Erfahrungen gemacht. Es ist für mich gefühlt immer ein „es könnte jederzeit wieder zu Ende sein“ in Beziehungen mit dabei. Auch meiner Familie kann ich mich nicht wirklich anvertrauen. Sogar bei meinen engsten Freundinnen tue ich mir sehr schwer. Auch diese lernen mich jetzt erst so richtig kennen. Und das, obwohl es mir eigentlich so wichtig ist, authentisch zu sein. Aber offensichtlich schaffe ich es bisher nur „kontrolliert“ – also in gewissem Maße – mich ganz echt zu zeigen. Zu meinem „Mutmarathon“ in dieser Richtung vielleicht in einem gesonderten Beitrag mehr. Aber ein Satz von meiner Seelsorgerin aus meiner letzten Seelsorge-Therapie-Sitzung ist mir ganz deutlich hängengeblieben und hilft mir sehr, mich ein Stück weit zu beruhigen, wenn ich mich gefühlt zu sehr aus meiner „Sicherheitszone“ herausgewagt habe. Er lautete in etwa so: „Du nimmst dadurch, dass du alles sogar für dein Gegenüber genau durchdenkst (aus Rücksichtnahme und aus Selbstschutz) und dementsprechend handelst, eigentlich der anderen Person ihre Eigenverantwortung und Entscheidungsmöglichkeit.“ Und das stimmt. Ja, ich rede, frage und handle so, dass ich möglichst wenig falsch machen oder verletzt werden kann. Aber der andere würde vielleicht positiv reagieren, wenn ich mehr mutig meiner Intuition folgen würde und gar nicht verletzend. Vielleicht würde ich neue heilsame Erfahrungen machen, wenn ich nicht in die Vermeidung ginge. Vielleicht würde viel mehr ehrliche und intensivere Nähe entstehen. Viel mehr Möglichkeit auch für den anderen, sich ganz zu öffnen. Noch mehr Tiefe. Mehr gegenseitige Unterstützung und Gemeinschaft. Aber da ist die Angst, dass eine weitere Verletzung – besonders dann, wenn es mir gar nicht gut geht – so groß sein könnte, dass sie mich „zerstört“. Aber bei all dem versuchten Selbstschutz, wie sehr schützt dieser mich eigentlich wirklich? Und wie viel geht mir dabei verloren – an Liebe, an Trost, an Beistand, an Muterfahrungen, an zu mir selbst stehen und mir Wert zugestehen, …? Jedenfalls nehme ich aus all den erlebten Enttäuschungen und den Erkenntnissen, die ich jetzt bezüglich meiner daraus entwickelten Reaktionsweisen habe, mit, dass ich auf jeden Fall daran arbeiten möchte. Ich möchte wieder lernen etwas zu riskieren und mich echt zu zeigen.

Autor*in: HighHopesInBlueSkys

Einen blauen Himmel voller Hoffnung – das ist das, was ich mir wünsche. Tatsächlich ist mein Himmel schon lange ziemlich wolkenbehangen. Depression, eine posttraumatische Belastungsstörung und resultierende Ängste und Sorgen verschleiern teils das lebensfrohe Blau. Doch in meinem Herzen bin ich eine Kämpferin. Ich glaube fest daran, dass hinter jedem großen Leid auch eine Chance steckt: eine Chance sich besser kennenzulernen, besser für sich sorgen zu lernen, die Qualitäten des Lebens neu schätzen zu lernen, Achtsamkeit zu üben, manches loszulassen und Neues für sich zu gewinnen. Diesen Weg will ich voller Mut und Hoffnung gehen, auf zu einem blaueren und sonnigeren Himmel, auch wenn es oft schwer fällt. Und das ist es auch, was ich von Herzen all jenen wünsche, denen es ähnlich geht: den eigenen, ganz individuellen und wertvollen Weg zu einem blaueren Himmel zu finden.

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