Dickdarmlos: Meine Devise ist immer ‚Man muss egoistisch gegenüber seiner Krankheiten bleiben, um nicht daran kaputt zu gehen‘. So ziehe ich nach Möglichkeit Seelenfutter, wie etwas mit Freunden unternehmen, dem Krankenhaus vor. Ich denke, dass gerade in Zeiten, in denen es mir gesundheitlich sehr schlecht geht, diese Lebenseinstellung dazu führt, dass ich kämpfen kann und überhaupt noch leben will. Als mich das Krankenhaus anrief und mir mitteilte, dass ich am 7. Dezember stationär kommen könnte, zögerte ich nicht lange. Ich fragte nach einem alternativen Termin, lehnte schließlich den ersten Termin ab. Zwei Wochen mehr oder weniger machen den Brei auch nicht mehr heiß. Denn am 9. Dezember war mein Zugticket zu unserer Bücherwurm gebucht.

Bücherwurm: Jaaaa, Dickdarmlos kam zu mir, haben wir uns doch auch in Berlin super verstanden und sind mittlerweile richtig gute Freunde geworden. Gut, von unseren Hunden kann man das nun nur bedingt behaupten. Meine hatte irgendein Problem innerhalb des Hauses mit dem Besuchshund. Was es nun genau war, werden wir wohl nie erfahren. Aber, sie kam und eigentlich war der Plan ziemlich gut, meine Eltern wollten das Wochenende nach Lübeck fahren und wir hätten das Haus für uns gehabt. Ja genau, hätten, denn den Sonntag davor ist mein Dad von der Leiter gerutscht und hat sich eine Sehne am Knie verletzt. So blieben sie also zu Hause und Dickdarmlos und ich waren gezwungen, 24/7 aufeinander zu hocken, höchstens getrennt durch eine Wand.

Dickdarmlos: Gut, so schlimm war es mit Bücherwurm und ihren Eltern in einem Haus auch wieder nicht. Davon abgesehen hockten wir mehr unterwegs aufeinander als bei ihr zuhause, da ich erstaunlich fit war bzw. geworden bin. Einige Tage zuvor habe ich mich dazu entschieden eine Schmerztherapie zu beginnen, da sich mein Gesundheitszustand so verschlechterte, dass ich komplett auf Hilfe angewiesen war und das Haus nahezu gar nicht mehr verlassen konnte. Jeder Gang, jedes Stehen war für mich mit Schmerzen verbunden, die mich in die Knie gezwungen haben. Ich bin sehr froh mich für die Schmerztherapie entschieden zu haben, da ich Lebensqualität wiedergewonnen habe und wir somit nicht ans Haus gefesselt waren. Ein Ausflug an die Nordsee und in den ein oder anderen Ort. Ein Fischbrötchen durfte, wenn man schon an der See ist, natürlich auch nicht fehlen.

Bücherwurm: Stimmt, den Freitag waren wir sehr viel im Auto (so über 300km) und haben uns gut unterhalten. Musik? Brauchten wir nicht. Ich hatte mich ja auch auf alles eingestellt, von wir machen gar nichts, bis hin wir sind ein wenig im Auto unterwegs und ich zeige ihr hier ein wenig was. Aber wow, wir konnten echt viel machen. Auch laufen ging, was mich doch sehr erstaunte und freute, sehr freute. So konnte ich meiner Muschelsammelleidenschaft doch noch nachgehen, dachte ich doch, das ich die hinter mir gelassen hätte und Dickdarmlos hielt sogar mit die Augen offen. Es war sehr schön und auch zu sehen wie sie ihr Fischbrötchen genoss. Ich habs gerade nicht so mit Fisch, für mich ist das hier oben eben Standartprogramm und wie fahren häufiger mal nach Bremerhaven Fisch holen und haben meistens auch Fisch eingefroren. Wie das eben so ist, an der Küste. Es ist schön zu sehen, das es ihr mit der Schmerztherapie soviel besser geht.

Dickdarmlos: Und natürlich war klar, dass Bücherwurm euch den Wahnsinn an der Nordsee verschweigt. Wir waren in Schillig, ein kleiner Ort im Wangerland. Dort war ich als Kind im Urlaub und bin häufig zu Pferd unterwegs gewesen. Ich wollte sehen, wie es dort aussieht. Was ich wieder erkenne, was sich verändert hat. Was ich traurig fand: Im Winter werden Schaukeln und Co am Spielplatz abgehangen, sodass wir nicht auf dem Spielplatz rumtollen konnten. Aber eins hatte ich mir vorgenommen: Wenn du schon an die Nordsee fährst, musst du auch in der Nordsee schwimmen! So haben wir gewartet bis das Wasser wieder kommt und ich bin bei knapp 7 Grad Wassertemperatur bei knapp 3 Grad Außentemperatur Schwimmen gewesen.

Bücherwurm: Klar, den Wahnsinn erzähle mal schön selber, ich friere bei dem Gedanken immer noch und das trotz Heizdecke. Ja also, wir sind da hingefahren und haben erstmal Muscheln gesammelt, weil kein Wasser da war, dann waren wir essen und sie hat es echt durchgezogen. Wir haben uns eine Stelle abseits der Kinder gesucht, diese hatten übrings Schneeanzüge an. Dann hat sie sich eiskalt ausgezogen, mir den Hund und ein Handtuch in die Hand gedrückt und gemeint ich solle Fotos machen. Und dann stiefelte sie los, zielstrebig Richtung Wasser und rein *bibber. Ich war fleißig am Fotos machen und der Hund muss sich auch nur Gedacht haben, was sein Frauchen da macht. Es war zum Glück recht flach, aber sie ist geschwommen und kam ganz entspannt raus. Einige Spatziergänger zollten ihr Respekt und, im Notfall wäre ein Kiter da gewesen, der mit Neoprenanzug am Kitesurfen war. Ich wäre nämlich nicht reingelaufen und hätte sie gerettet, viel zu Kalt für solche Aktionen.

Dickdarmlos: Wissentlich, dass die Aktion nicht ganz ungefährlich ist, bin ich nur etwa knietief ins Wasser gegangen. Mir war klar, dass die Kälte meine Muskelkraft sehr beim Schwimmen einschränken wird. Sonst war die Aktion aber weniger ’schlimm‘ als gedacht. Die Luft war ja bereits sehr kühl, sodass das Wasser einem gar nicht kälter erschien und der typische ‚oh an der Taille ists kalt‘-Effekt von sommerlichen Temperaturen komplett ausblieb. Nach zweimal fünf Meter schwimmen bin ich vernünpftiger Weise wieder aus dem Wasser rausgegangen und habe mich in aller Seelenruhe wieder angezogen. Gegen meine Erwartungen war ich nicht durchgefroren. In meiner normalen Kleidung war mir angenehm warm – wärmer als vor dem Schwimmen.
Neben dieser Aktion und kleineren Ausflügen stand auf unserem Plan ganz viel Disneyfilme gucken – Schande über Bücherwurms Haupt, dass sie die guten, alten Disneyfilme fast gar nicht kannte.

Bücherwurm: Jep, sie ließ sich Zeit und ich hatte das Gefühl zu erfrieren. Und das obwohl ich für meine Verhältnisse schon fast warm angezogen war. Und ja Dickdarmlos hat recht, bis auf König der Löwen und Pinocchio erinnere ich mich an keine Disneyfilme. Mama war sich bei unserer Nachfrage aber auch nicht sicher, ob ich die geguckt habe oder nicht. Alles in allem, ein sehr, sehr schönes Wochenende. Dickdarmlos ist wirklich einer der gannnz, ganz wenigen Menschen die nicht auf meine Stimmung drücken und mich reizen. Normal kann ich so dauer Besuch nämlich gar nicht ab, weil der introvertierte Anteil in mir seine Ruhephasen von Menschen braucht. Aber hier ist eher das Gegenteil der Fall, sie fehlt, Matti fehlt. Es ist ruhig hier oben und langweilig. Wann kommt ihr wieder? Morgen?

Dickdarmlos: Gewiss ist, dass wir Bücherwurm wieder besuchen werden. Wann ist etwas unklar, da es vom weiteren Krankheitsverlauf, einer weiteren OP, abhängig ist. Es war schön, dass wir die Tage so gut nutzen konnten. Dass ich dank meiner Schmerztherapie recht fit war. Sogar das Essen hat für meiner Verhältnisse gut geklappt! Die paar Tage waren eine Mischung aus absolutem Wahnsinn und ruhigen Stunden auf der Couch. Wie zu beginn gesagt… Man muss gegenüber seiner Krankheiten egoistisch bleiben, um nicht daran kaputt zu gehen. Oder wie meine Ärztin so schön sagte: „Wenn das der Grund ist [weshalb Sie den ersten Termin im Krankenhaus nicht wahrnehmen], dann finde ich das super! Das ist eine absolut vorbildliche Einstellung (…)“

Bücherwurm: Und noch etwas losgelöstet vom restlichen Beitrag, was mir aber wichtig ist zu erwähnen.  Ich bewundere Dickdarmlos, wie offen sie mit ihrer Erkrankung umgeht und das sie sich von ihr eben nichts vorschreiben lässt. Ich habe Fragen? Dickdarmlos beantwortet sie. Ich frage wie etwas ist? Dickdarmlos gibt mir Material in die Hand und lässt mich ausprobieren. Ich frage, ob der Stomabeutel und die Platte untrennbar sind? Schon holt sie beides raus, lässt es mich angucken, zusammendrücken und ziehen. Sie muss den Versorgungswechsel machen? Kein Problem, Bücherwurm, komm gucken und ja es ist spannend und ich habe es mir so viel aufwendiger vorgestellt. Und das mit einer Ruhe, obwohl ich neben ihr stand und beobachtet habe. Wenn mehr so mit ihrer Krankheit umgehen würden, wie Dickdarmlos es macht, würde es womöglich auch dort weniger Stigma geben. Auch das sie kam, obwohl es ihr die Wochen davor so schlecht ging. Ich denke, viele hätten es abgesagt und sich verkrochen. Meine Mutter z.B. fand das auch ziemlich cool, das sie sich eben nichts von ihrer Krankheit vorschreiben lässt.

Autor*in: Alle zusammen

Wir sind die Blogautor*innen von Lebensmutig. Wir schreiben über unsere Erfahrungen mit Selbsthilfe, über unsere Erkrankungen und Themen und über die Herausforderungen, die wir bewältigen. Manchmal diskutieren wir untereinander über Themen, die uns gerade auf den Nägeln brennen. Dann dokumentieren wir das unter diesem Profil in einem besonderen Beitrag.

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