Mein Leben findet gerade nahezu digital statt. Ich treffe wichtige Entscheidungen auf der Arbeit über ein Tablet von der Couch aus, im Schlafanzug. Ich schaue mit meinem Freund übers Telefon Netflix und mache Videochat mit meiner besten Freundin. Meine anderen Freunde sehe ich ebenfalls digital. Ich arbeite digital. Ich studiere digital. Meine Prüfungen laufen wegen meines Nachteilsausgleichs digital und von Zuhause aus.

Nicht falsch verstehen, ich bin sehr dankbar – wirklich unglaublich dankbar –, dass ich (ohne mich einem Risiko auszusetzen) während Corona weiter online studieren konnte. Auch dafür, dass ich aufgrund meiner Erkrankung viele Hobbys habe, die man von Zuhause aus durchführen kann. Einen Job habe, den man problemlos ins Home Office verlagern konnte, und ein Stipendium, sodass es bei mir neben der Angst vor einer Ansteckung nicht auch noch finanzielle Nöte gab, die die Situation für mich weiter verschlimmert hätten. Es gibt zahlreiche Angebote, um der Isolation zu entgehen. Letzte Woche habe ich mich für ein Achtsamkeits-Webinar angemeldet und diese Woche für ein Resilienz-Webinar. Beide Kurse haben mir sehr gut gefallen, auch an den Videokonferenzen mit den anderen Lebensmutig-Bloggern nehme ich gern teil.

Es ist also nicht so, als hätte ich Langeweile oder wüsste nicht, wie ich mich während Corona beschäftigen soll. Ich merke allerdings, dass ich nun fast ein halbes Jahr aus meinem normalen Leben raus bin. Ich bin übergangsweise wieder bei meinen Eltern eingezogen, die Hälfte meiner Sachen ist nicht hier und ich vermisse das Eis zwischendurch mit einer guten Freundin, durch den Supermarkt schlendern und selbst entscheiden, was ich mitnehmen möchte. Durch die Stadt bummeln, Filmabende mit meinen Kommilitoninnen, abends spontan bei meinem Freund vorbeigehen, Sport im Fitnessstudio und den Bio-Laden um die Ecke bei meiner Wohnung. Manchmal ist das echt hart, vor allem, wenn für viele das Thema Corona schon wieder vorbei ist und ich immer noch sehr vorsichtig sein muss. Aber ich merke momentan auch, dass ich das richtige Handwerkszeug habe, um Krisen bewältigen zu können und mich in der neuen Situation einzurichten. Auch wenn es Zeit braucht und anstrengend ist. Obwohl ich mich in vielen Bereichen einschränken muss, merke ich, dass ich durch das digitale Zeitalter trotzdem nicht alles pausieren muss und immer noch Handlungsmöglichkeiten habe. Es ist toll zu sehen, was alles von der Couch aus möglich ist und wie viele Menschen man erreichen kann.

Von der Couch aus, habe ich auch an den digitalen Treffen der Lebensmutig-Selbsthilfegruppe teilgenommen und bin dem Blog beigetreten. Ich habe neue Leute kennengelernt und habe das Gefühl hier Teil einer kleinen lebensmutigen Gemeinschaft geworden zu sein, was ich auch nach der Krise nicht missen möchte.

Autor*in: Alltagsheldin

Ich melde mich hier als Alltagsheldin stellvertretend für alle anderen Alltagshelden und Alltagsheldinnen zu Wort, die ebenfalls mit einer unsichtbaren chronischen Erkrankung leben.

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