Letzte Woche war ich im Urlaub am Meer im Süden Europas. Schön in der Sonne am Strand, lecker Essen, viel spazieren gehen und bummeln. Die Depression wollte leider nicht zu Hause bleiben, sondern ist trotz Protest meinerseits einfach mitgekommen. Nicht schön, aber es half alles nichts.
Im Urlaub wollte ich mich „endlich mal so richtig erholen“! Mir ging es aber weiterhin so gemischt, wie zu Hause, was wohl hauptsächlich daran lag, dass ich einfach ziemlich erschöpft war. In Momenten wie diesen versuche ich, die Situation, meine Gedanken und Gefühle nicht auch noch negativ zu bewerten und mich dafür selber fertig zu machen – schließlich kann ich ja nichts dafür. Aber die Depression will mir natürlich etwas anderes einreden und kommt immer wieder mit Selbstzweifeln und Vorwürfen, wie „nicht mal richtig Urlaub machen kannst Du“ daher. Mir zu sagen, ich solle mich einfach mal entspannen und an nichts denken hilft da leider herzlich wenig, denn die Depression findet ja genau da statt: in meinen Gedanken.
Also habe ich wieder aufs Neue einfach versucht zu akzeptieren, dass ich nicht so viel Energie hatte und die Stimmung auch manchmal ziemlich gedrückt war – obwohl im Außen alles bestens war. Ist ja nicht schlimm, denn im Urlaub muss man nun wirklich nichts machen. Keine Termine oder Verabredungen, keine sozialen Verpflichtungen oder Arbeit. Mein Partner war sehr verständnisvoll und liebevoll und die einzigen Erwartungen, die ich hier nicht erfüllt habe (nämlich gut drauf sein und Energie haben) waren meine eigenen. Das ist ungefähr so, als würde ich mir ständig selber ein Bein stellen und darüber fallen. Das macht doch herrlich wenig Sinn, ich sollte wohl damit aufhören…
Ich habe versucht, all die schönen kleinen Momente, die wir im Urlaub zusammen hatten ganz bewusst zu genießen und das Nicht-Bewerten zu üben. Das klappt mittlerweile sogar manchmal ganz gut. Nicht aufgeben und weitermachen und den Urlaub so sein lassen, wie er ist.
Autor*in: Gedankentänzer
Als junger, von Depressionen betroffener Mensch engagiere ich mich seit vielen Jahren in der Selbsthilfe, weil ich der Stigmatisierung von psychischen Leiden etwas entgegen setzen und mich für mehr Offenheit und Aufklärung stark machen möchte. Gedankengänger macht gerade eine Schreibpause
Lieber Gedankentänzer, auch wenn es natürlich schade ist, dass man die Depression nicht einfach zuhause lassen kann, finde zumindest ich es gerade sehr beruhigend zu lesen, dass es dir so geht und somit also nicht nur mir. So häufig lese ich auch von anderen Betroffenen „Ich war im Urlaub und dort war ich so frei“ und irgendwie deprimiert es mich immer, weil ich es selbst nicht so hinbekomme. Aber andererseits hätten wir die Depressionen wohl schon längst irgendwo zurück gelassen, wenn es so einfach wäre.
Und manchmal denke ich auch, dass wir dadurch viel stärker auf die kleinen, schönen Momente achten können und das ist auch viel wert.
Liebe Grüße
Mutsammlerin
Vielen Dank für Deinen netten Kommentar und die wahren Worte. Ich denke, wir sind damit nicht allein, aber die meisten geben es wohl nicht so gerne zu, wenn der Urlaub irgendwie auch anstrengend war (Ängste, Grübeleien, Müdigkeit, Lustlosigkeit…). Schließlich hat man sich gefälligst zu erholen und alles zu genießen, dafür ist Urlaub doch da! 😉
Und ja, mein Blick für die Kleinigkeiten ist mir durch die Erkrankung zum Glück nicht abhanden gekommen und vielleicht habe ich jetzt sogar mehr Wertschätzung dafür. Dazu will ich beizeiten auch nochmal was schreiben…
LG
Hallo Gedankentänzer, ich war vor einer Woche im Urlaub und ich denke jetzt schon ich brauche wieder Urlaub, weil der Alltag mich wieder einholt. Im Urlaub habe ich z.B. gedacht ich möchte hier bleiben, für immer und ewig, wo ich in meiner Gedankenblase sitzen kann und mir keine Gedanken darüber machen muss was ich noch alles erledigen muss. Man sagt ja eigentlich das zu Hause ist der Ort wo man sich am wohlsten fühlt, ich fühle mich aber im Urlaub immer am wohlsten. Liebe Grüße, Rainbow
Danke für Deinen schönen Kommentar, Rainbow. Ich merke für mich zunehmend: Zuhause ist, wo das Herz ist. Vielleicht braucht das Herz mal eine Pause vom Alltag…