Der Übergang vom Kind bzw. Teenie zum Erwachsenen ist, denke ich mal, für viele chronisch kranke ein relativ schwieriger Prozess. Plötzlich sind ganz andere Ärzte für dich zuständig und du entscheidest für dich ganz alleine.
Als ich das letzte Mal mit 17 Jahren in der Kinderklinik war, dessen Chefarzt auf FAP (familiäre adenomatöse Polyposis) spezialisiert ist, wurde mit mitgeteilt, dass ich mir aufgrund der kommenden Volljährigkeit eine neue Klinik suchen müsse. Bis zu diesem Punkt war mir gar nicht bewusst, dass ein Klinik-Wechsel notwendig sein würde. Somit war ich leicht verdutzt und fragte die Ärzte erst einmal ganz plump, wo ich denn nun hingehen solle. Sie empfahlen mir zwei Kliniken in Deutschland: Eine etwa 80 Kilometer von Zuhause entfernt, die andere 320 Kilometer entfernt… Die nähere Klinik kannte ich aus der Kindheit. Da ich diese nicht sonderlich positiv in Erinnerung hatte, entschied dazu die 320 Kilometer auf mich zu nehmen und vereinbarte dort ein „Vorstellungsgespräch“ in der FAP-Sprechstunde. Meine Mutter unterstützte dies und fuhr mit mir extra dorthin.
Im „Vorstellungsgespräch“ schaute die Ärztin sich meine Befunde an und machte eine Anamnese. Sie war etwas verblüfft über den letzten Befund, da dieser schon zahlreiche relativ große Adenome (kleinere Tumoren/Geschwulst) und unzählig viele Polypen beinhaltete. Dies bedeutete eigentlich, dass eine Operation zeitnah ratsam wäre. Naiv wie ich war, fragte ich sie, wie lange ich noch etwa hätte, bis der Krebs ausbreche. Natürlich konnte sie darauf nur schwammig antworten und sagte nach mehrfachem Nachhaken meinerseits „vielleicht noch circa 6 Monate“. Mit dieser Antwort konnte begreifen, dass die OP innerhalb der nächste Monate gemacht werden müsse, damit den Krebs nicht mit offenen Händen empfange. Da es sich um keinen kleinen Ergriff handeln würde, nahm die Ärztin sich sehr viel Zeit und gab mir immer wieder Zeit um zu überlegen, ob ich noch Fragen hätte. Der gesamte Dickdarm musste raus, ich bekäme einen J-Pouch (sozusagen eine Tasche aus Dünndarm, die als Ersatz für den Mastdarm angesehen wird – dazu mache ich einen einzelnen Beitrag) und ein vorübergehendes Stoma (künstlicher Darmausgang). Da ich Angst vor dem Krebs hatte überlegte ich kurz, wollte ich die OP möglichst zeitnah, musste aber auch bedenken, dass ich im 12. Schuljahr bin gerne meinen Abschluss schaffen wollte. Ich entschied mich die OP kurz vor die Herbstferien zu setzen: So würde ich nicht so viel verpassen und hätte noch ca 3 Wochen Zeit mich zu erholen. Die Ärztin notierte sich dies, wir fuhren nach Hause und sie informierte uns, sobald sie einen genauen Termin hatte.

Erst wenige Wochen vor der OP wurde mir bewusst, dass das kein Zuckerschlecken werden wird und ein Stoma einen Veränderung des Körperbildes ist. Obwohl ich mich wenig mit diesem Thema beschäftigte und eigentlich keinerlei Vorstellung hatte, wie ein Stoma aussieht und funktioniert, war es für meine Psyche anstregend, aber gut zu verkraften. Kurz vor der OP teilte ich den Lehrern und Mitschülern mit, welche Krankheit ich habe und, dass ich voraussichtlich nach den Herbstferien wieder käme. Alle waren darüber schockiert, dass ich „so krank“ war, obwohl man es mir nie anmerkte. Kaum jemand konnte begreifen, dass es möglich ist gesund auszusehen, obwohl der Körper bzw. Darm zunehmen kranker wird. Aber alle drückten mir die Däumchen für die OP und wünschten mir nur das Beste. Lehrer und Schüler kümmerten sich sogar darum, dass Arbeitsblätter für mich gesammelt werden, sodass ich alles nacharbeiten könne, aber sicherlich wisst ihr wie der Hase läuft: Nichts läuft nach Plan!

– Teil 3 findet ihr unter der Überschrift „Leben bedeutet zu kämpfen – Die Operation mit all ihren Folgen (Teil 3)“ –

Autor*in: Dickdarmlos

Tabus sind ein Teil unserer Gesellschaft. Verdauungsorgane, insbesondere der Darm, und die Menstruation sind immer noch Tabuthemen. Es gilt als ekelig oder unrein. Man möchte nicht darüber sprechen und erstrecht nichts darüber hören. Doch was ist, wenn du mit einer Genmutation auf die Welt kommst, der Darm früher oder später in den Mittelpunkt deines Lebens rückt, und das Leben dir obendrauf noch eine gynäkologische Erkrankung schenkt? Hier beim Lebensmutig Blog berichte ich über mein Leben mit Familiärer Adenomatöser Polyposis (FAP), Endometriose und den psychischen Folgen.

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