Jeder von uns kann sich sicher denken, dass man als chronisch kranker Mensch ausschließlich zum persönlichen Vergnügen zum Arzt geht und stets für unnötige Dinge: Wie Vitamine, die relevant für den gesamten Körper bzw. jede Zelle sind. (Achtung, im ersten Teil des Satzes ist Sarkasmus mit im Spiel)

Mir fällt es ohnehin schwer zum Arzt zu gehen. Ich drücke mich vor nahezu jedem Gang zum Arzt. Schiebe wichtige Untersuchungen vor mir her. Aus Angst. Doch bei meinen Vitaminen (nur Vitamin B12) weiß ich, dass ich es regelmäßig brauche, damit mein Blutbild stabil bleibt und ich fit. Gerade in Pandemie-Zeiten sollte meiner Meinung nach nicht riskiert werden, dass der Körper und das Immunsystem unnötig geschwächt werden. Alle 2 bis 3 Wochen muss ich somit zum Arzt gehen – seit circa 6 Jahren. Manchmal versäume ich es und merke nach spätestens 5 Wochen, dass sich meine Werte verschlechtern: Ich werde müde, habe mit Schwindel und Kreislaufproblemen zu kämpfen, habe eingerissene, nicht heilende Mundwinkel oder Risse in den Lippen.

Heute, knapp 3 Wochen nach der letzten B12-Spritze, habe ich mich wieder motiviert zum Arzt zu gehen. Vorher habe ich dort nicht angerufen, da mir telefonieren schwer fällt und ich sonst auch immer ohne Termin kurz rein springen soll. Im schlimmsten Falle, wäre ich einfach nur umsonst hin gelaufen. Gegen 11 Uhr war ich an der Praxis. Zwei Patienten standen im Flur mit mir in einer Schlange und warteten. Beide wurden mit Rezepten versorgt. Nach etwa 30 Minuten warten kam ein weiterer Patient. Die Arzthelferin kam endlich wieder raus. Der andere Patient fing einfach an zu reden und ich dachte mir „HALLO!? Ich steh hier auch noch und warte geduldig bis man mich dran nimmt!“. Zum Glück fiel dies auch der Arzthelferin auf. Sie fragte warum ich da sei. „Ich brauche wieder Vitamin B12.“ Sie schaut mich entsetzt an „Das ist nun aber nicht notwendig!“ Ich antwortete knapp mit „Ich brauche die regelmäßig.“ Sie nickte ab und fragte entsetzt, was wir mit dem Hund machen. „Der kommt immer mit.“ Sie schaute noch entsetzter, bat mich rein zu kommen und schob noch ein „Nächstes Mal kommen Sie bitte bis 11 Uhr“ hinterher. Ich merkte nur an, dass ich um 11 bereits da war und entschuldigte mich dennoch höflich.

Ich war wie vor den Kopf gestoßen als die Arzthelferin mir mitteilte, dass mein Vitamine nicht notwendig seien. Sie hätte mir diese durchaus verwehren können, doch vermutlich hatte sie keine Nerven zu diskutieren – ich wohl bemerkt auch nicht. Den gesamten Heimweg habe ich mich über diese Situation aufgeregt. Solche Kleinigkeiten machen es mir einfach noch schwerer zum Arzt zu gehen. Ich bin immer noch am überlegen, ob ich dafür demnächst zu meinem alten Hausarzt fahren bis der Corona-Wahnsinn vorbei ist. Einfach um solchen unnötigen Situationen aus dem Weg zu gehen. Eine andere Überlegung wäre es mich selbst zu spritzen: nur unter die Haut und dafür wöchentlich. Das könnte mir sicher mein alter Hausarzt zeigen. Die Kosten für alles außer die Vitamine, also Spritzen, Kanülen etc., muss ich dann natürlich selbst zahlen. Ein hoch auf unser Gesundheitssystem.

Ich bin immer noch entsetzt. Als würde ich zu Coronas Zeiten freiwillig in eine Arztpraxis gehen, wo es tendenziell vor Viren wimmeln könnte…

 

Autor*in: Dickdarmlos

Tabus sind ein Teil unserer Gesellschaft. Verdauungsorgane, insbesondere der Darm, und die Menstruation sind immer noch Tabuthemen. Es gilt als ekelig oder unrein. Man möchte nicht darüber sprechen und erstrecht nichts darüber hören. Doch was ist, wenn du mit einer Genmutation auf die Welt kommst, der Darm früher oder später in den Mittelpunkt deines Lebens rückt, und das Leben dir obendrauf noch eine gynäkologische Erkrankung schenkt? Hier beim Lebensmutig Blog berichte ich über mein Leben mit Familiärer Adenomatöser Polyposis (FAP), Endometriose und den psychischen Folgen.

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