verzweifelte Frau. Sie stützt den Kopf in die Hände.

Ist das schlimm? Schlimm genug, um Mobbing zu sein? Bei vielen Themen in meinem Leben habe ich mir immer die Frage gestellt, ob das was ich da empfinde auch wirklich so schlimm ist und Legasthenie, Depression oder eben Mobbing ist.

Ob es nun „einfach nur“ Ärgern war, gemeine Sprüche oder eben Mobbing – ich will es hier anreißen. Denn es hat Narben hinterlassen, die nur mit professioneller therapeutischer Hilfe heilen.

Ich wurde von einer Gruppe jüngerer Mädchen, von einem männlichen und weiblichen Klassenkameraden gepeinigt. Oft fühlte ich mich allein. In den Pausen konnte ich nicht immer entspannen. Im Politik Unterricht hatte ich Sterbensangst mein Praktikumsvortrag zu halten und im Bus fühlte ich oft Scham und Angst. Selbst daheim weinte ich wegen WhatsApp Nachrichten über mein Aussehen.

Mobbing bedeutet für mich über einen längeren Zeitraum geärgert, aktiv ausgegrenzt und mit blöden Sprüchen beladen zu werden. Es bedeutet für mich diese Sprüche ernst zu nehmen, mich zu schämen und vor den Mobbenden Angst zu bekommen und entsprechenden Situationen. Zurückbehalten habe ich Narben, wie negative Glaubenssätze, ein eingeschüchtertes Selbstbewusstsein und geringer Selbstwert: „Ich bin überheblich. Ich bin egoistisch. Ich bin eklig. Ich bin kein richtiges Mädchen. Ich bin unangemessen und falsch. Ich habe keine Freunde“. Denn aus vielen „Du bist…!“ wurde in meinem jungen Herzen „Ich bin…“.  So schädlich kann auch die Aussage sein „Wenn viele andere etwas über dich sagen, dann stimmt das, auch wenn du es anders siehst.“ Körperlich angegangen wurde ich allerdings nie.

Mobbing hat viele Facetten!

Mobbing ist nicht immer direkt. Manchmal wurde ich im Bus oder in der Pause aktiv, öffentlich angegangen und habe dies und ähnliches an den Kopf geschmissen bekommen. Oder es wurde für mich hörbar über mich geredet. Aber auch vermeintlich nett gemeint im Privatchat oder extra auf Toilette verabredet trafen mich Bemerkungen „von Mädchen zu Mädchen“ bis ins Mark. Ich bin falsch.
Manchmal wurde ich mit meiner mitteilsamen und ehrgeizigen Art falsch verstanden und einmal zu oft als „überheblich“ bezeichnet. Aber auch schlicht, weil ich mich nicht so hart anpasste. Das hatte ich eine Woche probiert: Schminken, Augenbrauen zupfen, alle Körperhaare rasieren, nur schicke Klamotten tragen. Dies machte mich jedoch mehr kaputt als alle Gemeinheiten darüber – also lies ich es wieder.
Vor meiner Familie wurde auch nicht halt gemacht, um mich zu verletzten, indem über diese abfällig in meinem Beisein oder auch in Chatnachrichten geäußert wurde.  Gerne auch unter dem Deckmantel des guten Rats: „Vielleicht rasierst du dich ja nicht, weil es deine Familie natürlicher mag. Mach das aber mal. Du bist eklig. Vielleicht wascht ihr euch ja auch nicht bei dir.“
In der heftigsten Phase hat ein Klassenkamerad Menschen, mit denen ich gerade geredet hatte, hörbar gefragt warum sie mit der reden. Neben mit sitzend beschwerte mein Angstmensch sich fast brüllend über mich bei einem Lehrer oder meinte lapidar, dass man mich nicht ernst zu nehmen brauche. Vor dessen sogenannter Kritik hatte ich panische Angst den oben genannten Praktikumsbericht zu halten und hätte mich fast das erste Mal im Leben geweigert. Doch das ausheulen rief endlich einen guten Lehrer auf den Plan, der mir glaubte und aufpasste. Im Abi erfuhr ich, dass er auch die Jahre danach in der Pause nach mir Ausschau hielt. Danke.

Mobbing bedeutet für mich bis heute Schule und Pubertät. Bei meinem Bruder bekam ich das schon sehr früh mit, der sogar durch Lehrer gemobbt wurde. Ich persönlich habe es nur in der Schule erlebt. Allerdings weiß ich von meiner Mama leider, dass Mobbing nicht nur dort bleibt ist.

Wie es sich anfühlen kann: Mein Gedicht

Wie eindrucksvoll einmal erzeugte Angst ist – zeigt ein Gedicht, welches eineinhalb Jahre nach dem meiner härtesten Mobbingphase entstand. Ich hörte einfach nur seine Stimme und wie er sich hinter mich setzt und beschrieb mein Innenleben wie folgt:

„Auflösen in tausend Teile
Hinauf. Hinweg. Hinfort
Mit mir, mit der Angst, in den Himmel.
Hier unten die Erde und Menschen und ich
Auf mir sitzen die Erinnerungen,
drücken mich flach, falten mich klein.
Träumend fliege ich über braune Berge voller Grün
Und rosa Rosen blühen.
Eine Stimme. Ein Platz. Ein Wort. Jemand.
Jemand kommt. Klick. Eine Tür.
Grollend kommt die Angst hinauf.“
– Geschrieben von mir im Januar 2018

Und heute?

Das war Mobbing für mich und nur durch das Schreiben, nur durch ein paar Familienberatungsstunden damals und Therapie heute kann ich die Selbstzweifel von damals besiegen. Heute kann ich die kleine Buchstabenspielerin trösten.

Damals hätten mir ein paar mehr Tröster geholfen, nicht nur meine Eltern, die mir einordnenden: Warum passiert das?
Ich hätte mir gewünscht, dass ein paar mehr Menschen es bemerkt hätten, dass ich mich gesehen fühle, dass meinen Ängsten geglaubt wird, dass sich jmd. vielleicht sogar entschuldigt, dass öfter offensichtlich wird, dass das nicht richtig ist.

Nun wisst ihr, was es für mich bedeutet hat. Was ist Mobbing für euch? Habt ihrs erlebt, mitbekommen? Was habt ihr getan und wie habt ihr euch gefühlt? Wie geht ihr heute damit um?

Man schreibt sich
Eure Buchstabenspielerin

Autor*in: Buchstabenspielerin

Mein Ventil ist das Buchstabenspiel. --- Wenn du Rechtschreibfehler findest, darfst du sie behalten ;). Ich konnte sie leider aufgrund meiner Legasthenie nicht alle einfangen. Was das ist? Informier dich! Mehr dazu in meinem Profil und in meinen Blogeinträgen.

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