Ich fühle mich wie eine Versagerin, weil ich aufgegeben habe. Vielleicht zu schnell aufgegeben. Es war ein langer Gedankenkampf und ich bin mir immer noch nicht wirklich sicher, ob es die richtige Entscheidung war. Nach dem ersten Treffen meines Mental Health Meetups war ich recht positiv gestimmt, auch wenn ich mich schon dort nicht wirklich wohl gefühlt habe. Aber es war das erste Treffen, also war es nicht ungewöhnlich, dass die Ängste sehr stark waren und ich mich eher unwohl gefühlt habe. Das positive Gefühl kam wohl vor allem dadurch, dass ich so überrascht und vielleicht auch ein bisschen stolz auf mich war, dass ich tatsächlich die Initiative ergriffen habe – trotz der Ängste.
Beim zweiten Treffen ist nur der Bulgare vom ersten Treffen wieder gekommen. Darüber war ich ganz froh, denn der Portugiese hatte mich mit seinen Kommentaren, die wie Vorwürfe darüber klangen, dass ich kaum etwas gesagt habe, sehr verunsichert. Zu zweit im Café zu sitzen war dann aber auch nicht angenehmer, denn ich habe mich sehr unter Druck gesetzt gefühlt, etwas sagen zu müssen, auch wenn ich mich eigentlich nicht danach gefühlt habe. Kurz vor dem dritten Treffen gab es in der Meetup-Gruppe dann Kommentare wie »this looks interesting but kinda weird to do« oder »attending this seems awkward«, was dazu geführt hat, dass ich den starken Impuls hatte, die Gruppe sofort zu löschen. Ein übertriebener Impuls, in dem wahrscheinlich auch schon die Tatsache mit reingespielt hat, dass ich immer noch ein unwohles Gefühl bei dem ganzen hatte.
Das dritte Treffen war das, bei dem ich mich am unwohlsten gefühlt habe. Ich habe gemerkt, dass der Bulgare und ich sehr unterschiedliche Erwartungen an die Treffen haben. Es tue ihm zwar gut, sich mit anderen über seine Depressionen austauschen zu können, aber er sehe keinen Sinn darin, sich bloß zwei mal im Monat zu sehen und sich nur für dieses spezielle Thema zu treffen. Er möchte mit allen Menschen »really close« sein und alles wissen, was im Leben der anderen so passiert. Dadurch habe ich mich irgendwie bedrängt gefühlt. Auch die ständigen Komplimente wie »Ich mag deine Haare« oder »Du bist doch so hübsch« als Argument dafür, dass ich doch keine Essstörung haben bräuchte, fand ich einfach nur unangemessen. Das hat dazu beigetragen, dass ich mich noch unwohler gefühlt habe. Unwohl und nicht ernst genommen. Denn vielleicht ist es für ihn die beste Medizin gegen seine Depressionen, ständig unter Menschen zu sein – für mich und meine (vor allem sozialen) Ängste ist es das nicht.
Bei dem Gedanken an ein erneutes Treffen, zu dem wahrscheinlich wohl eh nur wieder er gekommen wäre, habe ich mich so unwohl gefühlt, dass ich mich nun endgültig dazu entschieden habe, mein Vorhaben, hier meine eigene Selbsthilfegruppe zu gründen, aufgegeben habe. Ich fühle mich erleichtert dadurch, aber gleichzeitig ist auch viel Enttäuschung in mir. Enttäuschung darüber, dass mein Vorhaben nicht so geklappt hat, wie ich es mir vorgestellt habe. Enttäuschung darüber, dass ich (so schnell) aufgegeben habe und jetzt nicht mehr stolz auf mich sein kann. Und auch, weil meine Initiative vor allem aus dem Wunsch heraus entstanden ist, hier offen mit jemandem reden zu können. Dieser Wunsch bleibt jetzt wohl weiterhin unerfüllt.
Autor*in: Mutsammlerin
An ein Leben ohne Angst kann ich mich nicht erinnern. Aber ich kann davon träumen, die Angst aushalten und für meine Träume kämpfen.
Ich würde das nicht gerade als Aufgeben bezeichnen. Du hast die Treffen abgebrochen, weil du dich nicht wohl gefühlt hast, das ist für mich nur verständlich. Eine Selbsthilfegruppe sollte einem ja helfen, so sehe ich das.
Es hat zwischen euch halt einfach nicht gepasst und solche Kommentare wie dass man keine Essstörung haben braucht, weil man doch hübsch ist, lässt mich denken, das der Typ eh keine Ahnung hat und nicht die Fähigkeit der Empathie besitzt. Sonst hätte er wohl auch gemerkt, dass du nicht gerade scharf drauf bist, really close mit ihm zu sein.
Natürlich ist es schade, dass dein Vorhaben sich nicht deinen Wünschen nach erfüllt hat, aber das ist ja nicht deine Schuld. Wo die Meinungen und Wohlfühlzonen so weit auseinanderliegen, da kann man höchstens versuchen, sich in der Mitte zu treffen, aber wenn das nicht funktioniert, dann ist das doch auch okay. Du sollst dich schließlich wohl fühlen und er auch und wenn es nicht zusammen passt, dann passt es halt nicht.
Ich hoffe, du grämst dich nicht allzu sehr deshalb …
Ich hab dich lieb und bin stolz auf dich, dass du es versucht hast! :*
Danke für deine lieben Worte!♥ Die haben mich gerade sehr aufgemuntert und ein paar Zweifel beiseite schieben können.
Ich habe dich auch lieb und freue mich schon, dich bald wiederzusehen 🙂
Ich finde auch, dass du dich genau richtig entschieden hast, das abzubrechen. Je älter ich werde, desto sicherer bin ich mir, dass es immer richtig ist, auf seinen Bauch zu hören. Wenn dein Gefühl im Bezug auf diesen Menschen so eindeutig war, denke ich, darfst (und solltest) du diesem Gefühl absolut vertrauen. Das ist nicht deine Angst, die da spricht, sondern dein gesunder Menschenverstand. Viele Grüße nach Bulgarien und ich hoffe, dass du sehr bald andere Leute finden wirst, mit denen du sprechen kannst und auch möchtest.
Danke für deine Worte, liebe Uhu. Das beruhigt meine Zweifel ein wenig. 🙂
Liebe Grüße aus dem jetzt wieder grauen Sofia – heute Morgen hat es noch schön geschneit.
Liebste Mutsammlerin,
Hier ist L.. ich lese diesen Text und bin unglaublich stolz auf dich, dass du diesen Entschluss gefasst hast etwas von uns mit nach Bulgarien zu nehmen und dort deine eigene Gruppe zu gründen. Der Ansatz ist wirklich schon eine tolle Leistung. Aber wie auch hier ist es leider so, dass zu einer funktionierenden Gruppe immer mehr Menschen gehören als einer. Es ist absolut kein Versagen, ich glaube sowas braucht Zeit und hätte vielleicht einfach noch ne Weile gebraucht um wirklich „passende“ Menschen zu finden. Diese Zeit kostet aber eben auch viel viel Überwindung und Kraft. Und niemand erwartet das von dir! Niemand. Du bist so krass gewachsen in Bulgarien. Du bist in sovielen Dingen so über dich hinaus gewachsen.
Ich freue mich unglaublich dich bald wieder zu sehen und dich bald wieder bei jedem Gruppentreffen dabei zu haben. Wir sind unvollständig ohne dich.
❤️
Liebe L., ich danke dir von Herzen für deine lieben, Kraft schenkenden Worte. Sie haben mir gerade ein großes Lächeln ins Gesicht und ins Herz gezaubert.❤
Ich freue mich auch schon so sehr, dich in zwei Wochen wiederzusehen.😍
Bis dahin alles Liebe❤
Mutsammlerin
Hallo Mutsammlerin, das ist doch gar nicht schlimm wenn es mal nicht so klappt wie du dir das vorgestellt hast, das ist doch menschlich. Und ich finde mit der Erfahrung kannst du nur noch größer werden, innerlich wachsen. Du bist so eine starke Persönlichkeit, das ist mega! Ich freue mich auch dich beim Bundestreffen wiederzusehen. Ich habe oft wenn ich deine Texte lese, das Gefühl, oh mann kann die Mutsammlerin Berge versetzen. Also glaub an dich und gib nicht auf, nur weil du eine Sache die dir wichtig war nicht geschafft hast, nur wenn man es ausprobiert kann man stärker werden. Also lächel mal bitte für mich und sag dir selbst, du bist toll!!
Liebe Grüße, Rainbow
Liebe Rainbow, herzlichen Dank für deine lieben, Mut schenkenden Worte! Du hast mir ein ganz großes Lächeln ins Gesicht gezaubert. ♥
Ich kann mich den Kommentaren der anderen nur anschließen. Aus meiner Sicht hast Du da sehr gut auf Deine innere Stimme vertraut. Vielleicht denkst Du manchmal noch, dass da die Angst aus Dir spricht. Diese Gedanken kenne ich. Aber trotz – oder vielleicht gerade wegen – dieser Ängste/Depressionen ist ja man ein richtiger Experte für sich selber geworden.
Deine Enttäuschung kann ich nachvollziehen, so hätte ich auch erstmal gefühlt. Aber ich hoffe, dass Du mit etwas Abstand wieder stolz auf Dich sein kannst, dass Du es ausprobiert hast. DU hast die Initiative getroffen. Und dann hattest Du auch noch den Mut, es wieder loszulassen, als es sich nicht mehr richtig angefühlt hat. Glaube mir, ich weiß, wie schwierig das ist. 😉
Alles Liebe!
Lieber Gedankentänzer, ich danke dir von Herzen für deine lieben, Mut machenden Worte. Dank eurer aufmunternden Worte kann ich das mittlerweile zum Glück auch schon ein bisschen so sehen 🙂
Liebe Grüße