Ich mache jetzt mal einen Aufschlag zu dem Thema Betroffenenkompetenz, weil ich darüber in den letzten Monaten viel nachgedacht habe.

Mir ist eine Diskrepanz aufgefallen: Zwischen dem was quasi auf jeder Veranstaltung in der Selbsthilfe in Eröffnungsreden und Grußworten gesagt wird (die Selbsthilfe ist so wichtig … – vierte Säule im Gesundheitswesen … – Betroffenenkompetenz als wichtige Ergänzung zu professioneller Kompetenz usw.) und dem, was ich von Aktiven höre (in meinem Fall vor allem von jungen Aktiven, aber das mag daher kommen, dass ich momentan wegen des anstehenden Bundestreffens vor allem mit jungen Leuten aus der Selbsthilfe zusammen treffe). Aus diesen Erzählungen höre ich, dass gerade Menschen mit psychischen Erkrankungen selten erleben, dass ihre Erfahrungen von Ärzt*innen und anderen Fachleuten gesehen und als wertvoll geschätzt werden.

Auch als ich im letzten Jahr beim Betroffenenkongress „MitSprache“ vom Betroffenenrat beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) war, war das einer der prägendsten Eindrücke für mich: Beim Thema Missbrauch sind Betroffene offenbar oft weit davon entfernt, als Expert*innen für das Thema wahrgenommen zu werden. Sie haben damit zu kämpfen, dass Fachleute sie als Opfer sehen und damit offenbar einhergeht, dass ihnen abgesprochen wird, dass ihre Erfahrungen für den Umgang mit dem Thema relevant und hilfreich sind. (Natürlich nicht durchgängig – die Tatsache, dass es einen Betroffenenrat gibt, spricht ja dafür, dass die Wichtigkeit der Perspektiven von Betroffenen gesehen wird.)

Für mich hängt damit auch folgende Frage zusammen: Was macht jemanden zu einer Fachperson? Zählt dafür nur eine berufliche Ausbildung als Grundlage? Wie ernst wird von Nicht-Betroffenen die Kompetenz genommen, die bei Menschen durch eine eigene Betroffeneit entstanden ist?

Meine Frage an alle Lesenden: Teilt ihr diese Erfahrungen? Erlebt ihr es anders, wenn es um nicht-psychische Erkrankungen geht? Ist da mehr „auf Augenhöhe“ zwischen Ärzt*innen und euch? Ich bin gespannt.

 

Autor*in: Uhu

... bei der NAKOS für das Portal für Junge Selbsthilfe verantwortlich, also keine Selbsthilfe Aktive, sondern eher mit der Selbsthilfekontaktstellenperspektive hier mit dabei.

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