Sich selbst überschätzen? – Ja bitte!

An meinem ersten Tag im Restaurant hatte ich seit langem wieder richtige Angstzustände und habe schon am Wochenende davor extrem somatisiert. Mir war übel, ich hatte starke Kopf und Bauchschmerzen, mir war schwindelig. Ich hatte abgesprochen dann am ersten Tag mal nur eine halbe Stunde zu bleiben um mir das anzuschauen. Aber direkt merkte ich das es mir gut tut wieder einer richtigen Arbeit nachzugehen die einen in gewisser weise fordert.

Statt einer halben Stunde blieb ich dann doch direkt viel länger. Gestärkt von meinem Übermut wie toll dort alles ist und das ich ja doch irgendwie arbeiten kann, war ich direkt am nächsten Tag wieder da und blieb bis zum Ende. Ich habe mich komplett selbst überschätzt, ich dachte ich kann viel mehr als es mir tatsächlich möglich war. Ich konnte nicht sehen, nein vielmehr wollte ich nicht sehen, dass meine Arbeitsfähigkeit noch lange nicht auf einem Vollzeitniveau ist.

Irgendwann merkte ich nach ein paar Tagen, das ich Angstzustände bekam als ich zuhause war und zur Arbeit musste, auch wenn ich bei der Arbeit war konnte ich mich zwar ablenken, aber sobald ich wieder zuhause war ging alles von vorne los. Meine Essproblematik hat wieder die Überhand genommen, es war mir kaum möglich etwas zu essen. Mir wurde extrem übel und nach jeder Kleinigkeit wollte ich mich übergeben um den Druck abzulassen der durch Essen diesmal nicht verschwand. Ich konnte mich nicht wie gewohnt durch Essen regulieren. Da das aber mein einziger Mechanismus war wusste ich nicht was ich tun soll.

Ich war mit meiner besten Freundin die ich dort bei der Arbeit kennenlernte und mit der es direkt von Anfang an gepasst hat, auf einer Bank am Waldrand und sie merkte wie schlecht es mir ging, an das Gespräch direkt kann ich mich nicht mehr erinnern, aber sie riet mir dann die Bereitschaft der Betreuung anzurufen.

Um es abzukürzen, es war komplett überflüssig. Die Frau am Telefon war komplett überfordert und wusste nicht was sie sagen soll und weil es ihr so unangenehm war hat sie immer wieder etwas lachen müssen. Das Gespräch hat mir wie man sich denken kann kein bisschen weitergeholfen. Am nächste Tag hatte ich ein Gespräch mit meiner Betreuerin. Ich war so verzweifelt, dass so ziemlich alles aus mir raus geplatzt ist. Bei dem Satz:“Das was sie sagen und wie sie arbeiten bringt mir aktuell rein überhaupt gar nichts“, sagte sie dann:“Da machen wir jetzt einen Punkt“. Irgendwie hab ich das gebraucht, ich hab mich immer mehr rein gesteigert. Sie hat dann angeboten mich in die Klinik zu fahren, was auf jeden Fall der richtige Weg war. Dort war ich dann für ca. 3 Wochen und bin im Anschluss dann in die Reha gegangen. (Ich werde jetzt nicht direkt auf die Klinik oder Reha eingehen, wenn euch das interessiert könnt ihr gerne in meinen 3 Teiler Zu schnell zu viel und in den Beitrag Endlich Klarheit reinlesen).

Jetzt nach fast einem Jahr nach der Reha stehe ich an einem ganz anderen Punkt. Ich achte mehr auf meine Bedürfnisse was die Arbeit betrifft. Meine Arbeitszeiten werden erst mit Rücksprache und Ruflektion gesteigert und wenn auch nur stufenweise. Aktuell arbeite ich 8h die Woche, was sich für sehr viele Menschen nach gar nichts anhört, aber ich muss sagen es ist für mich ein sehr gutes Gefühl so viel wieder zu schaffen ohne mich direkt in einen nächsten Burnoutähnlichen Zustand zu katapultieren nur weil ich 2 Stunden am Tag arbeiten bin.

Mein Plan zurück auf den ersten Arbeitsmarkt

Mir ist schon seit längerer Zeit klar das ich den normalen Weg den es hier in der Betreuten Einrichtung gibt nicht gehen will. Ich möchte keine Betreute Ausbildung machen und danach dann in den ersten Arbeitsmarkt geworfen werden, wo die meisten Vorurteile haben wenn sie sehen, das man auf dem zweiten Arbeitsmarkt seine Ausbildung absolviert hat.

Mein Plan ist es sobald wie möglich in einen Nebenjob auf 450€ Basis zu gehen mit einer Arbeitswoche von 11,5h. Aktuell schaffe ich 8h die Woche und bin die meiste Zeit nur am Rennen und übernehme Aufgaben die nicht meine sind. Ich bin mir sicher, dass ich es schaffen kann. Ich werde mich eigenständig in den ersten Arbeitsmarkt wiedereingliedern, indem ich meine Arbeitszeiten selbstständig durch verschiedene Arbeitszeitmodelle anpasse. Merke ich, dass eine 11,5h Woche ohne Probleme über einen gewissen Zeitraum machbar ist ohne dass ich in frühere Zustände verfalle, dann werde ich in eine Teilzeitstelle wechseln in der ich dann 20h die Woche arbeiten kann.

Ich glaube die weiteren Schritte sollten allen klar sein. Durch Rückmeldungen meines Umfelds und auch meines Arbeitsvermittlers weiß ich, dass der Plan funktionieren kann und das ich das gut angehe. Ich bin vorsichtig und gehe trotzdem voran.

Autor*in: Blue

Das wird ein Kampf, ein Kampf um meine Gesundheit, ein Kampf um eine glückliche Zukunft und ein zufriedenes Leben. Diesen Kampf kämpfe ich gerne... zumindest die meiste Zeit.

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