Jounalismus
Hätte man meine Familie, als ich Kind war, gefragt, was ich denn einmal werde, hätten sie bestimmt an einen Beruf gedacht, bei dem ich einfach vor mich hinarbeiten kann und wenig Kontakt mit Menschen habe. Ich war extrem schüchtern und habe mit Fremden nur dann gesprochen, wenn ich musste und selbst dann nicht immer. Schreiben war mir damals schon immer lieber als Reden. Seitdem ich die Rechtschreibung zumindest halbwegs verstanden hatte, habe ich angefangen zu schreiben: Geschichten und Gedichte. Liest man sich heute alte Freundebücher oder Steckbriefe von mir durch, steht da bereits unter Berufswunsch „Autorin“ (zugegebenermaßen neben einigen anderen Jobs). Es war mir also schon recht früh klar, dass ich später gerne Schreiben zum Beruf machen möchte.
Als es mit großen Schritten dem Abitur entgegen ging, war der Wunsch immer noch da. Mir schwebte Journalismus vor, allerdings war ich mir nicht so sicher. Man hört ja doch so einiges: Das Berufsfeld ist überlaufen, es wird schlecht bezahlt, es sind unsichere Zeiten, man hat keine sichere Perspektive. Außerdem würde es bedeuten, dass ich wegziehen müsste, denn in meiner sehr ländlichen Heimat waren die Perspektiven mau.
Und da gab es ja noch ein anderes Problem: Meine Angststörung. Ich bin noch nie gerne auf Menschen zugegangen, wirke nicht gerade dominant und selbstbewusst und bekomme schon Schweißausbrüche, wenn ich nur an das Wort „telefonieren“ denke. Keine guten Voraussetzungen also, Journalistin zu werden. Ich habe mich dennoch für ein Medienwissenschaftsstudium entschieden, denn die Lust auf dieses Berufsfeld war größer, als alles, was dagegen sprach. Außerdem bedeutete ein Studium ja auch noch keine genaue Festlegung.

Der Weg wird klarer

Nach knapp einem Jahr Unitheorie konnte ich dann mein erstes Praktikum machen. Ich wählte eine Tageszeitung in der Nähe und wurde direkt ins kalte Wasser geworfen. In den ersten Tagen musste ich bereits viel herumtelefonieren, was jedes Mal eine riesige Überwindung bedeutete. Und dann hatte ich direkt meinen ersten eigenen Außentermin: Ein Treffen mit jungen Israelis, mit denen ich Interviews machen sollte – auf Englisch.
Es war unglaublich herausfordernd für mich und die Aufregung davor war wirklich heftig, aber als ich vom Termin zurückgefahren bin, war ich überglücklich. Ich hatte wirklich Spaß, habe viel gelernt und bin über mich hinausgewachsen. Ab dem Moment wusste ich: Das will ich machen.
So schloss sich dann tatsächlich nach meinem Bachelorabschluss ein Volontariat an, eine journalistische Ausbildung in einer Redaktion, weg von zuhause. Das bedeutete zwei Jahre lang telefonieren, auf Menschen zugehen, Gespräche führen und lernen selbstbewusst zu wirken. Was sich nun so einfach herunterschreibt hatte es aber in sich. Jeder einzelne Termin, jeder Anruf, jede Rückmeldung und Korrektur meiner Texte war mit viel, viel Herzklopfen, Gedanken und Ängsten verbunden. Ständig musste ich mich überwinden, ständig hatte ich Angst, nicht gut genug zu sein. Selbstzweifel und Aufregung waren an der Tagesordnung. Aber, und das ist der Punkt weshalb ich das alles durchgehalten habe, es gab quasi nie einen Moment, in dem ich das große Ganze angezweifelt habe. In dem ich bereut hätte, diesen Weg eingeschlagen und den Beruf gewählt zu haben. Die Freude über gelungene Texte, spannende Termine und interessante Menschen waren es einfach wert.

Träume gegen Zweifel

Ich habe mich gegen alle Zweifel und Argumente, die gegen Journalismus sprachen, durchgesetzt – und vor allem gegen meine eigene Angst. Ich hätte es sicherlich leichter haben können, hätte einen weniger herausfordernden Job suchen können, aber das war nie das, was ich wollte. Ich wollte Schreiben und das habe ich getan.
Das Ganze zeigt mir, dass ich stärker bin, als meine Ängste und ich mich durch sie nicht einschränken muss. Sie hat mir jedoch die Art und Weise der Arbeit erschwert, aber wer weiß, vielleicht wäre das in einem anderen Beruf auch so gewesen.Inzwischen arbeite ich nicht mehr wirklich journalistisch, aber das hat andere Gründe (Rahmenbedingungen etc.). Und auch diesen Schritt habe ich nicht bereut. Alles hat seine Zeit. Wichtig ist mir, dass ich nach wie vor viel Schreiben kann und Spaß an dem habe, was ich tue. Aber tief in mir drin werde ich immer Journalistin sein.

Autor*in: kopfstark

Seit ich denken kann begleitet mich die Angst. Nicht so, wie sie jeden Menschen begleitet, sondern ständig und in den meisten Fällen unbegründet (objektiv betrachtet). Seit ich ein kleines Mädchen bin, habe ich Therapieerfahrung gesammelt und durch ständiges An-Mir-Selbst-Arbeiten viel über mich, das Leben und die Psyche gelernt. Hier möchte ich gerne etwas davon teilen.

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