Zeichnung: Weinendes Mädchen liegt im Bett

Durch meine Erkrankung habe ich als Kind und Jugendliche bereits viele Berührungspunkte mit dem Gesundheitssystem gehabt – insbesondere verschiedene Kliniken und Fachärzte. Ich war als Jugendliche mehrfach stationär. War positiv gestimmt. Hatte keine Angst und fühlte mich zunächst gut umsorgt. Mittlerweile hat sich dies gewandelt. Jeder Klinikbesuch, jeder Arztbesuch und jeder sonstige Kontakt zu medizinischem und therapeutischem Personal, sogar Physiotherapeuten, ist mit Ängsten gekoppelt. Albträume, Schwitzen, Zittern, Weinen. Mein Vermeidungsverhalten ist gefährlich ausgeprägt. Knapp 7 Jahre lang habe ich meine Vorsorgeuntersuchungen nicht wahrgenommen. Aus Angst. Ich habe weniger Angst vor Krebs als vor Kliniken und Co. Absurd.

Es gibt einige Faktoren, welche in die Entstehung dieser Ängste reinspielt. Manche waren unvermeidbar, andere sicher vermeidbar. Doch durch fehlende oder schlechte Kommunikation zwischen Arzt und Patient, Pflege und Patient oder auch Arzt und Pflege, wurde ich zahlreiche Male falsch behandelt, gar nicht behandelt oder psychische Ausnahmesituationen nicht erkannt. Ich kann klar kommunizieren, wann ich psychisch etwas nicht mehr aushalte. Wann ich Ruhe brauche. Wann ich welches Medikament brauche. Psychische Ausnahmesituationen wurden bisher erst ein einziges Mal erkannt. Sonst wurde jedes Mal zugelassen, dass sich mein Zustand soweit verschlechtert, dass ich krampfe, Erbreche, die Orientierung verliere oder sogar mich selbst über viele Stunden selbst verliere. Bestenfalls kümmert sich jemand um einen – was nicht der Regelfall ist –, meist wird man sich selbst überlassen. Erhält mit Glück irgendwann starke Beruhigungsmedikamente. Einmal wurde so lange gewartet, trotz mehrfacher Bitte, dass ich komplett weg war. Ich bekam, so der Entlassungsbericht, Diazepam gespritzt, wurde mit „das war aber übertrieben“ begrüßt als ich am Folgetag wieder zu mir kam und wusste nicht einmal was passiert war.

Beim letzten Krankenhausaufenthalt wurde meine Angst neu aufgelebt, sodass ich nach der Entlassung kurz davor war als Notfall in eine Psychiatrie zu gehen. Ich möchte euch diese Situation erzählen, um euch etwas tiefer in meine Welt mitzunehmen. Es ist zum Lachen, Weinen und Kopfschütteln.
Ich hatte aufgrund eines Darmverschluss feste Schmerzmedikamention. Mein Zugang ging nachts kaputt, sodass ich ab ca. 23 Uhr Abends keine Schmerzmittel mehr erhalten habe. Ich hatte an diesem Tag Untersuchungen – was aufgrund meiner Ängste für mich sehr anstrengend ist. Mir wurde nicht mal ein Zeitfenster gesagt. Ich lag im Fachbereich noch einige Zeit auf dem Flur. Ich weinte seit Stunden. Vor Angst und vor Schmerzen. Die Schmerzen waren bis zur Untersuchung aushaltbar, jedoch war ich froh als ich sediert wurde und einfach einschlief. Als ich wieder wach wurde, weinte ich. Ich hatte Schmerzen. Schlimmer als vor den Untersuchungen, aber nicht dramatisch. Ich wurde gefragt, ob ich Schmerzen habe. Ich bejahte. „Sie bekommen auf Station gleich Novalgin.“ Ich sagte leise „und Buscopan bitte!“. Ich denke, dass es mit den Medikamenten getan gewesen wäre, doch ich erhielt sie nicht. Ich erhielt Novalgin (ein Schmerzmittel), nachdem ich ca. 13 Stunden Schmerzen hatte. Jedoch erhielt ich das weitere Medikament nicht. Ich klingelte. Die Schwester kam mit Paracetamol (ein anderes Schmerzmittel, keine krampflösende Wirkung) und erklärte mir „das ist dasselbe wie Paracetamol“. Nein… es sind grundverschiedene Medikamente. Ich atmete meinen Gedanken weg, ließ es anhängen und dachte, dass ich danach einfach nochmal klingle und Buscopan erhalte. Pustekuchen. „Jetzt müssen wir erstmal eine halbe Stunde warten bis wir Buscopan geben können“. Spoiler: Aus der halben Stunde wurden etwa 2,5 weiter Stunden. Zwischenzeitlich erhielt ich wieder Paracetamol und begann psychisch wegzubrechen. Ich sprach mit meiner Mutter. Meine Mutter mit der Pflege und den Ärzten. Die Ärzte hatten Buscopan verordnet. Ich erhielt es über Stunden nicht. Ich weinte. Ich klingelte als die Paracetamol durchlief. „Jetzt müssen wir erstmal eine halbe Stunde warten!“ Das war der Punkt, an dem ich gefühlt die Station zusammenbrüllte. Ich war auf Hilfe angewiesen. Ich bekam keine Hilfe. Es wurden ab der Nacht keine der verordneten Medikamente mehr gegeben. Ich wurde angepflaumt, ich solle zuhören. Ich konnte nicht mehr sprechen. Ich krampfte. Ich wusste nicht mehr, ob meine Bauchkrämpfe schlimmer sind oder meine Muskelkrämpfe. Ich weinte. Irgendwann bekam ich stärkere Schmerzmittel. Sie halfen mir etwas aus dem Krampfen zu kommen. Ich war handlungsunfähig. Musste seit Stunden auf Toilette – was sich auch auf meine Bauchkrämpfe positiv ausgewirkt hätte – aber ich konnte nicht aufstehen. „So, jetzt ist es 16.30 jetzt können Sie Buscopan bekommen“. Gute 3,5h zu spät. Danke, jetzt bin ich ein psychisches Wrack und die Bauchkrämpfe sind hier das kleinste Problem. Ich kam aus den Schmerzen nicht mehr raus. Dazu hatte ich durch den Medikamentencocktail der letzten Stunden so heftige Nebenwirkungen, dass mir schwindelig und übel war. Mein Puls war viel zu hoch. Ich war kletschnass geschwitzt. Ich lehnte weitere Medikamente gegen die Nebenwirkungen ab, bis ich anfing zu würgen. Mir ging es 100x schlechter als ursprünglich. Durch den Stress, die Untersuchungen, die falschen Medikamente, den Umgang mit mir… Ich fragte nach Psychopharmaka. Ich wusste, dass ich ohne Medikamente aus der Situation nicht mehr rauskomme. Plötzlich handelte die Pflege. Versuchte Lösungen zu finden. Regte an, was ich neben den Medikamenten tun kann, damit es mir besser geht. Hätten Sie mir keinen unnötigen Medikamentencocktail gegeben, wäre ich in der Lage gewesen zu lesen oder Netflix zu schauen. Doch durch die Übelkeit und den Schwindel war es mir verwehrt irgendetwas mit meinen Augen zu machen. Innerhalb kurzer Zeit bekam ich Tavor, ein Beruhigungsmittel. Die Situation war erstmal gelöst. Ich konnte auf Toilette gehen, mich hinlegen und schlief ein.
Am folgenden Tag ging es mir relativ gut. Ich bekam die Medikamente die ich brauchte, hatte auch Beruhigungsmittel als Bedarfsmedikamente gelistet. Doch die Ängste waren wieder komplett geschürt. Ich konnte die folgenden Nächte nicht gut schlafen. Hatte Albträume. Drohte immer wieder in eine Panikattake zu rutschen. Lenkte mich 24/7 ab und griff auf Bedarfsmedikamente zurück. Ich vertraute nahezu keinem mehr aus der Pflege. Sprach nur noch mit einer Krankenschwester über Anliegen/Probleme – wodurch ich mich selbst quälte. Die Angst vor der Pflege, vor erneut solchen Situationen war zu groß geworden.
Nach der Entlassung zeigte sich dann das eigentliche Problem: Tagsüber wie auch Nachts hatte Angst- und Panikanfälle. Verzweiflung. Albträume. Überforderung.

Und das alles, weil die Kommunikation nicht läuft und zu wenig mit dem Patienten gearbeitet wird.

Autor*in: Dickdarmlos

Tabus sind ein Teil unserer Gesellschaft. Verdauungsorgane, insbesondere der Darm, und die Menstruation sind immer noch Tabuthemen. Es gilt als ekelig oder unrein. Man möchte nicht darüber sprechen und erstrecht nichts darüber hören. Doch was ist, wenn du mit einer Genmutation auf die Welt kommst, der Darm früher oder später in den Mittelpunkt deines Lebens rückt, und das Leben dir obendrauf noch eine gynäkologische Erkrankung schenkt? Hier beim Lebensmutig Blog berichte ich über mein Leben mit Familiärer Adenomatöser Polyposis (FAP), Endometriose und den psychischen Folgen.

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