Es gibt einen Teil von mir, den kaum jemand kennt oder an mir vermuten würde, denn Ängste spielen in meinem Leben eine sehr große Rolle. Mittlerweile belastet mich ein Bereich besonders stark, da meine Ängste dazu führen, dass meine Bedürfnisse zu kurz kommen, ich mich teils isoliere und mich oft sehr abweisend verhalte.
Mit Anfang/Mitte 20 bin ich immer noch nicht in der Lage eine Beziehung zu führen, Gefühle zu zulassen und erst recht kann ich keine Nähe zulassen. Nähe führt bei mir zu Stressreaktionen und kann durchaus einen Kurzschluss auslösen: Ich fange an zu zittern, frieren und fühle mich bewegungsunfähig und hilflos. Immer wieder halte ich Nähe, welche ich mir eigentlich ersehne, nicht aus, sodass ich von jetzt auf gleich aufspringe und wegrenne. Durch meine Reaktion meide ich Nähe meist, sodass niemand die Chance erhält mir überhaupt näher zu kommen. Das Problem an der Sache ist jedoch, dass ich eigentlich genau diese Nähe vermisse. Mal in dem Arm genommen zu werden, zu kuscheln und es eventuell zu mehr kommen zu lassen. Doch grundsätzlich gehe ich bei jedem Mann sofort in meine Abwehrhaltung und mache jedem sofort klar, dass mit mir nicht gut Kirschenessen ist und er es gar nicht erst versuchen braucht. Dieses Verhalten zeige ich insbesondere, wenn ich jemanden tatsächlich interessant finde – was selten vorkommt.
Nähe vermittelt mir das Gefühl, dass ich Macht abgeben muss und ich dadurch in Richtungen gedrängt werden könnte, welche ich gar nicht einschlagen möchte. Leider habe ich mich vor längerer Zeit auch manipulieren lassen, sodass genau diese Befürchtungen eintrafen und gute Freundschaften darunter litten. Das ist zwar mittlerweile alte Kamelle, aber die Situationen sind noch präsent und ich sehe weiterhin die Gefahr gedrängt werden zu können, wenn ich mich auf jemanden einlasse. Für mich bedeutet das abgesehen von Einsamkeit – mit welcher ich nicht zu recht komme -, dass meine sexuellen Bedürfnisse unbefriedigt bleiben, was ich auf Dauer als anstrengend empfinde.
Ich musste mich mit 17 bereits in meinem Umfeld dafür rechtfertigen, dass ich Single und Jungfrau bin. Erwachsene Personen, zu welchen ich damals eine gute Verbindung hatte, haben mich durch Sätze wie „Wenn du jetzt noch keinen Sex hast, wirst du mit 20 immer noch Jungfrau sein“ oder ganz schlicht „Du wirst ewige Jungfrau bleiben“ sehr verletzt. Damals dachte ich mir „Ach, du bist noch jung“. Heute denke ich „Wo sie recht haben, haben sie recht“. Mir ist zwar klar, dass 17 noch sehr jung war, aber, dass ich mit über 20 mittlerweile das Bedürfnis verspüre und an einer Wand kratze, war mir damals nicht bewusst.

Als paradox empfinde ich, dass es bezüglich Nähe mehrere „Welten“ in mir gibt. Durch meinen Job bin ich es gewohnt Leute anzufassen, angefasst zu werden und ich erhalte auch oft Umarmungen aus Dankbarkeit, welche für mich vollkommen okay sind. Sobald es in mein Privatleben geht, umarme ich nur noch wenige Menschen gerne, da bereits diese milde Form von Nähe bei vielen Menschen für mich Stress bedeutet. Wenn mir Männer mit ernsteren Absichten nahe kommen, schlägt es mich in die Flucht und berühren mich vollkommen fremde Menschen im Zug oder der Uni, finde ich dies ebenfalls schrecklich und kann es nicht aushalten. Es ist ein schmaler Grad zwischen wollen, genießen und loslassen können sowie unangenehmen Gefühlen.

Autor*in: Dickdarmlos

Tabus sind ein Teil unserer Gesellschaft. Verdauungsorgane, insbesondere der Darm, und die Menstruation sind immer noch Tabuthemen. Es gilt als ekelig oder unrein. Man möchte nicht darüber sprechen und erstrecht nichts darüber hören. Doch was ist, wenn du mit einer Genmutation auf die Welt kommst, der Darm früher oder später in den Mittelpunkt deines Lebens rückt, und das Leben dir obendrauf noch eine gynäkologische Erkrankung schenkt? Hier beim Lebensmutig Blog berichte ich über mein Leben mit Familiärer Adenomatöser Polyposis (FAP), Endometriose und den psychischen Folgen.

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