Hört das denn niemals auf? Jeden Tag mehr Infektionen, jeden Tag neue Maßnahmen. Schon wieder den Kontakt auf das Notwendige beschränken. Was ist schon notwendig? Wer entscheidet das denn? Worauf darf man sich noch freuen? Was kommt als Nächstes?

Ich sehne mich nach der Zeit zurück wo man noch unbeschwert die Natur genießen konnte, die Seele mal baumeln lassen konnte, wo noch die Hoffnung bestand, dass die Zukunft mal besser werden könnte. Und jetzt? Findet das Leben nur noch virtuell statt? Ich verliere den Bezug zur Realität.

Die Tage werden dunkler und kälter, es ist Herbst. Früher konnten wir einander wärmen, indem wir enger zusammengerückt sind. Abende erzählen am Kamin oder Lagerfeuer. Doch dieses Jahr wird es kalt, ja vermutlich sogar eisig, nicht nur die Temperaturen. Mir fällt dazu ein altes Gedicht ein. Es heißt „Herbsttag“ und ist von Rainer Maria Rilke:

„Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.“

 

Autor*in: Giraffe

In der Kindheit, mit drei Jahren, begann ich zu stottern. Dadurch war ich schon von Anfang an Außenseiter. In der Jugendzeit entwickelten sich Depressionen, teils als Reaktion auf die Umwelt und teils erblich bedingt. Es folgten etliche jahrelange Logopädie und Psychotherapie. Erst im Erwachsenenalter wurde noch ein leichter Autismus festgestellt. Auf der einen Seite bin ich froh, dass ich zunächst relativ unauffällig bin. Mit den psychischen Symptomen kann ich inzwischen ganz gut umgehen, und das Stottern tritt meist nur unter Stress auf. Auf der anderen Seite fällt es der Außenwelt dann oft schwer zu erkennen wenn ich Hilfe Benötige. Denn die ständige Kompensation von Symptomen oder Einschränkungen kostet viel Kraft. Ich freue mich, dass ich eingeladen wurde, hier etwas zu schreiben und bin dankbar für jeden Kommentar.

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